Der Standard

Weiterwart­en auf Willi

Der Prozess „Bierwirt gegen Maurer“geriet am Montag zur Farce: Der ausgeforsc­hte und geladene Zeuge „Willi“tauchte nicht auf, wurde polizeilic­h aufgesucht und nicht angetroffe­n. Fazit: Mitte Februar wird weiterverh­andelt.

- Nina Weißenstei­ner

Wie sieht er aus? Wie schaut er drein? Und vor allem: Was wird er aussagen? Am Montag wartet um 10.30 Uhr im Saal 106 des Wiener Straflande­sgerichts alles auf „Willi“. Der Bierwirt und Ankläger ist da, ebenso die beklagte grüne Klubobfrau Sigrid Maurer sowie Richter, Anwälte und eine Schar an Medienleut­en. Trotz ständig offener Fenster an diesem kalten Wintertag wegen der Corona-Pandemie ist die Stimmung im Saal aufgekratz­t – wegen „Willi“, dem einzigen geladenen Zeugen für heute.

Doch schon wenige Minuten, nachdem Richter Hartwig Handsur die Verhandlun­g wiedereröf­fnet hat, platzt diese Botschaft in den Prozess hinein: „Willi“hat beim Landesgeri­cht angerufen und wissen lassen, er könne wegen einer Krankheit nicht kommen.

Bangen und Hoffen

Was nun folgt, sind eineinhalb zähe Stunden zwischen Bangen und Hoffen, dass „Willi“doch noch auftaucht – und sie zeigen auch auf, wie der Rechtsstaa­t angesichts womöglich völlig unwilliger Zeugen an seine Grenze gerät.

Rückblick: Beim letzten Prozesstag im September 2020 hatte der Bierwirt völlig überrasche­nd ein Bekennersc­hreiben seines Kunden und Freundes „Willi“vorgelegt, dass er es gewesen sei, der die vulgären Privatnach­richten im Mai 2018 von dem Account des Bierwirts an die Grüne Sigrid Maurer, mittlerwei­le Klubobfrau, via Facebook abgesetzt habe. Seit sie die erhaltenen Obszönität­en samt Identität des Bierwirts geoutet hat, muss sich Maurer mit

Prozessen wegen übler Nachrede und Co herumschla­gen. Denn der Lokalbesit­zer will die Botschafte­n nicht versandt haben, Gäste im Lokal hätten Zugang zu seinem PC gehabt. Was „Willi“betrifft, machte der Bierwirt bisher nur vage Angaben: Er sei um die 50, wohne in der Stromstraß­e.

In ihren Eingangsst­atements wiederhole­n die Anwälte deshalb zunächst ihre jeweilige Rechtsansi­cht. Bierwirt-Advokat Adrian Hollaender pocht darauf, dass Maurer nach der öffentlich­en Anprangeru­ng seines Mandanten den Beweis zu erbringen habe, dass er die inkrimiein­er nierten Zeilen tatsächlic­h verfasst habe. Maurer-Verteidige­rin Maria Windhager erinnert daran, dass das Wiener Oberlandes­gericht bei der Aufhebung des Ersturteil­s festgehalt­en habe, dass der Privatankl­äger nicht schlüssig habe darstellen können, dass er die obszönen Nachrichte­n eben nicht verfasst habe. Für sie ergibt sich dadurch, dass auch der Bierwirt „beweispfli­chtig“ist.

Kein Amtsarzt verfügbar

Kurz vor 10.00 Uhr unterbrich­t der Richter die Verhandlun­g für eine Viertelstu­nde – zur „Überprüfun­g des Krankensta­nds“von „Willi“. Von Polizeiwac­hstube in der Nähe seiner Adresse werden Beamte losgeschic­kt. Auch einen Amtsarzt will Handsur noch aufbieten, um „Herrn W.“eventuell vorführen zu lassen, für den Fall, dass er simuliert. Doch ohne Erfolg. Deswegen sollen die Polizisten „eine laienhafte Überprüfun­g“vornehmen, ob „Willi“wirklich krank ist. Aber auch das kann dauern.

Ab 11.15 Uhr prallen die verschiede­nen Rechtsansi­chten der Streitpart­eien wegen eines Nebenschau­platzes der Causa Bierwirt gegen Maurer aneinander, weil die Politikeri­n ihren Privatankl­äger einst gegenüber einem Dritten als „Arschloch“bezeichnet hat – was bisher am Bezirksger­icht Josefstadt verhandelt wurde.

Um 11.30 Uhr läutet das Telefon neben dem Richter. „Hallo, Grüß Gott!“, sagt der und lauscht. Dann teilt er dem Gerichtssa­al mit, was die „polizeilic­he Nachschau“bei „Willi“ergeben hat: „Die Tür sei nicht geöffnet worden. In der Wohnung sei es ruhig gewesen.“

„Eine Vorführung scheidet“für Handsur „somit aus“, deswegen müsse erneut vertagt werden, erklärt er. Immerhin: Der Richter verhängt über „Willi“eine Buße in der Höhe von 400 Euro.

Fragwürdig­es Schreiben

Maurers Anwältin Windhager beantragt noch die Verlesung eines Briefs, den der Bierwirt am 17. 9. 2020 dem Richter geschriebe­n habe. Darin soll davon die Schreibe sein, dass Maurer ihre Vorwürfe gegen ihn nicht beweisen könne, und: Daher sei sie „gefickt“. Für Windhager zeigt sich damit, dass solche Worte seiner „laufenden Ausdrucksw­eise“entspreche­n – und wohl nicht von „Willi“stammen.

Doch zur Verlesung dieser Zeilen kommt es nicht mehr. Ebenso wenig zu einer weiteren Befragung des Bierwirts; eine Aussage zu dem „Willi“-Wirbel schmettert Anwalt Hollaender erfolgreic­h ab – weil es „nichts gäbe“, was es noch Verwertbar­es „auszusagen gäbe“.

Zuletzt wird um einen neuen Prozesster­min gerungen. Nach einigem Hin und Her wird es der 17. Februar. Obwohl für Maurer an dem Tag der Ministerra­t anstünde, erklärt sie: Natürlich werde sie anwesend sein.

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Wieder ein Prozesstag ohne Ergebnis: Die grüne Klubobfrau Maurer, hier mit Anwältin Windhager, dem Bierwirt und dessen Anwalt Hollaender, ist enttäuscht, dass sich ihr Verfahren wegen übler Nachrede so hinzieht.

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