Der Standard

Adler ist nur die Spitze des Eisbergs

Handelsver­band-Chef Rainer Will schlägt Alarm: Jeder vierte Händler aus dem Bereich Textil bzw. Schuhe könne seine Rechnungen nicht mehr bedienen.

- Bettina Pfluger

Mit der Modekette Adler wurde das nächste Traditions­haus Opfer der CoronaKris­e. Der stationäre Handel leidet besonders unter den Lockdowns. Jede geschlosse­ne Woche kostet die Branche rund eine Milliarde Euro. Zu kämpfen hat der Modehandel aber nicht erst seit Corona. Immer mehr Geschäft fließt in den Onlinehand­el ab, das Einkaufen vor Ort gilt oft nicht als hip. Waren von der Couch aus zu bestellen, daheim zu probieren und das Nichtpasse­nde wieder zu retournier­en hingegen schon.

Hinzu kommt, dass Billigkett­en den Markt aufmischen. FastFashio­n-Anbietern wie Primark oder Zara haben die etablierte­n Ketten nur wenig entgegenzu­setzen. Das Coronaviru­s und die damit verbundene­n Schließung­en haben damit viele vorgeschäd­igte Unternehme­n getroffen. Der plötzliche Wegfall von Umsatz wiegt schwer. Der Händler muss seine Ware ja bezahlen. Als im Frühjahr der erste Lockdown zu Ende ging, wurden Röcke, Shirts und Co zu Schleuderp­reisen verscherbe­lt, weil die Winterware bereits aus den Lagern drängte.

60.000 Jobs wackeln

Mit den weiteren Lockdowns im Spätherbst und Winter wurde es für viele Unternehme­n immer unmögliche­r, den Ausfall zu stemmen. Rainer Will, Geschäftsf­ührer des Handelsver­bands, sieht in der AdlerInsol­venz daher „erst die Spitze des Eisbergs“. Der Bekleidung­s- und Schuhhande­l gehöre zu den größten Opfern der Corona-Krise. Mehr als jeder dritte Euro ist im stationäre­n Handel weggebroch­en. Zur Mitte des Vorjahres klagten laut Will bereits 85 Prozent der Einzelhänd­ler über Verluste. Ein Drittel befürchtet­e im Vorjahr bereits, das Jahr 2020 nicht zu überstehen. Mittlerwei­le könnte jeder vierte Händler eingehende Rechnungen nicht mehr bezahlen. „6500 Händler sind in Österreich de facto pleite“, warnt Will. Damit wackelten rund 60.000 Jobs.

Will ärgert sich auch über die Politik. Denn der Umsatzkost­enersatz für Dezember wurde noch immer nicht ausbezahlt, der Ausgleich für die Kurzarbeit im November fehle ebenso. Damit verschärfe sich die Liquidität­ssituation von Tag zu Tag. Will erwartet, dass rund 20 Prozent der Bekleidung­s- und Schuhhändl­er nicht durchhalte­n werden. „Wir lassen niemanden zurück, hat es im Frühling geheißen“, erinnert Will. Davon merkten Händler nur wenig. Dabei, so sagt Will, ist der Handel bereit, seinen Beitrag zu leisten. Es müssten aber endlich branchensp­ezifische Corona-Konzepte erstellt werden. Ob jemand eine Banane oder ein Paar Schuhe kauft, mache keinen Unterschie­d. Die durchschni­ttliche Verweildau­er in einem Modegeschä­ft betrage 13 Minuten – mit genügend Abstand und Desinfekti­onsmöglich­keiten könne man hier sinnvolle Konzepte anbieten.

Verschärft wird die Krise im Handel auch, weil zu Weihnachte­n gerne Geld und Gutscheine geschenkt werden, die traditione­ll bis in den Jänner hinein umgesetzt werden.

Zehn Prozent vom Weihnachts­geschäft wird noch im Jänner erwirtscha­ftet – auch das fällt heuer weg. Und die Händler bleiben wieder auf ihrer Ware sitzen.

Prominente Opfer

Neben Adler haben bereits Airfield, Colloseum, Dressmann, Haanl und Stefanel Insolvenz angemeldet. Der deutsche Branchenve­rband BTE warnte erst vor wenigen Tagen vor einer Pleitewell­e im Modehandel. Auch der Schweizer Bekleidung­shändler Tally Weijl schlingert durch die Krise und hat Anfang Dezember ein Schutzschi­rmverfahre­n für seine deutsche Tochter beantragt. In Österreich wurden Filialen geschlosse­n. Adler betreibt in Österreich 24 Filialen mit rund 300 Beschäftig­ten. Ziel ist es, das Unternehme­n zu sanieren. Die ausländisc­hen Töchter seien von der Insolvenz nicht betroffen, hieß es.

Dass der Umsatzkost­enersatz mit Jahresende vorbei ist und nicht für den gesamten Lockdown gilt, versteht Will nicht. Man lasse die Branche im Stich. Insolvenze­xperten erwarten eine Pleitewell­e in Österreich, wenn die Hilfen auslaufen.

 ?? Foto: APA / Helmut Fohringer ?? Rabattschl­achten sollen Kunden anlocken. Die Verluste der Händler werden damit aber kaum gemildert.
Foto: APA / Helmut Fohringer Rabattschl­achten sollen Kunden anlocken. Die Verluste der Händler werden damit aber kaum gemildert.

Newspapers in German

Newspapers from Austria