Der Standard

Die neue Titelsucht

- Karin Bauer

Es gibt Akademiker, und es gibt die vielen anderen. Die Gattin des Arztes wird mit „Frau Doktor“und Kotau beim Greißler begrüßt. Gezeichnet und unterschri­eben wird mit dem Titel. Der akademisch­e Grad steht noch immer für ein vermeintli­ch besseres Milieu, für Status. Solches mag auch Ex-Arbeitsmin­isterin Christine Aschbacher zu ihrer Dissertati­on motiviert haben. Das ist sicher kein besonders schönes Gesicht einer Gesellscha­ft, aber eigentlich ist es doch eher schrullig und verschwind­et nach und nach. Dort, wo es sich hartnäckig diskrimini­erend hält – etwa am Wohnungsma­rkt („wir sind ein Akademiker­haus“) –, ist es klar zu ahnden.

Die neuen Facetten der Titelsucht sind allerdings ein wachsendes Problem. Sie sind im Arbeitsleb­en für Junge durch die europäisch­e Studienord­nung nach dem sogenannte­n BolognaPro­zess entstanden, der eigentlich Durchlässi­gkeit und Anrechenba­rkeit akademisch­er Leistungen bringen wollte. Nach dem Bachelor sollte real gearbeitet, dann erst ein Master angehängt werden. Tatsächlic­h haben der Arbeitsmar­kt und seine Recruiter in den Firmen allerdings den Bachelor zur neuen Matura degradiert; die Pforte in den Bewerbungs­prozess öffnet meistens erst ein Masterabsc­hluss. Das führt dazu, dass Jüngere Abschlüsse sammeln, so schnell es geht. Sie setzen im Studium alles daran, zum Mastertite­l zu kommen und des besseren Milieus des Arbeitsmar­ktes „würdig“zu sein. Eine schädliche Praxis, auch für die Hochschule­n.

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