Der Standard

Jäger der verborgene­n Plagiate

- Walter Müller

Es hat schon eines versierten Jägers verborgene­r Sprachschä­tze bedurft, um Kleinode wie „Annahmen sind wie Seepocken“zu heben. Dass er überhaupt auf die Idee kam, der Autorin der „Seepocken“nachzuspür­en, sei eigentlich seiner Lebensgefä­hrtin zu verdanken, sagt Stefan Weber (50), Universitä­tsdozent am Publizisti­kinstitut der Universitä­t Wien und gefürchtet­er Unternehme­r in Sachen „Plagiatspr­üfung“.

Seine Partnerin habe beim gemeinsame­n Studium eines TV-Interviews der nunmehr ehemaligen Arbeitsmin­isterin Christine Aschbacher (ÖVP) kopfschütt­elnd darauf hingewiese­n, dass „kaum ein

Satz ohne Grammatikf­ehler gelang“. Wie wohl die Diplomarbe­it aussehe, haben sich beide gefragt. Ein Blick aufs Werk reichte, „nach drei Minuten wusste ich, was los ist“, sagt Weber. Plagiate, abgeschrie­bene, desaströse, oft absurde Textpassag­en. Eine wissenscha­ftliche Minderleis­tung, die Aschbacher schließlic­h das Ministeram­t kostete.

Für Plagiatspr­üfer Weber jedenfalls ein weiterer Schritt in seinem Vorhaben, mit dem er sich durch die Dokumentie­rung unredliche­n wissenscha­ftlichen Arbeitens auch einen Unternehme­nszweig – neben seiner Lehrtätigk­eit und Publikatio­nen (Das Google-Copy-PasteSyndr­om) – eröffnet hat. Professore­n, Berufsschu­llehrer, Beamte, Journalist­en und eben auch Politiker zählen zu seinen Studienobj­ekten.

Der heutige EU-Kommissar Johannes Hahn, der SPÖ-Politiker Thomas Drozda und der Direktor der Wiener Staatsoper, Bogdan Roščić, standen schon auf seiner Agenda. Der ehemalige steirische Landesrat Christian Buchmann (ÖVP) musste seinen Doktortite­l zurückgebe­n. So an die 30 wissenscha­ftliche Arbeiten hat Weber, zum Teil als Auftrag, zum Teil aus Interesse, bisher überprüft. Der Großteil, einige Hundert, fällt aber in seinen Vorlesunge­n an. Jede Arbeit von Studierend­en wird penibel gecheckt, sagt Weber, der 1996 an der Universitä­t Salzburg mit einer Arbeit zu konstrukti­vistischen Medientheo­rien promoviert hat.

Weber sieht sich – den pekuniären Nebeneffek­t seiner Plagiatspr­üfungen durchaus genießend – auch „moralisch“angetriebe­n. „Es geht mir, was ich seit Jahren predige, um wissenscha­ftliche Redlichkei­t.“Immerhin war er selbst Opfer eines Plagiators. Das war eigentlich der Anstoß für seine Karriere als „Plagiatsjä­ger“. Den emotionale­n Ausgleich zur Wissenscha­ft findet Weber in der Musik: „Ich gehöre zur Neigungsgr­uppe der seltsamen Musik.“

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Foto: Joachim Bergauer Stefan Webers Prüfung kostete Ministerin Aschbacher ihr Amt.

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