Der Standard

Kleine Ursache, fast fatale Wirkung

Wegen einer heißgelauf­enen Leitung oder eines Transforma­tors, der möglicherw­eise in Rumänien kaputtgega­ngen ist, stand die Stromverso­rgung in Europa vorige Woche kurz auf der Kippe. Diese Fälle häufen sich.

- Günther Strobl

Drei Tage nach der Beinahekat­astrophe ist man noch immer am Sondieren, was genau die Belastungs­probe für das europäisch­e Stromnetz Ende voriger Woche ausgelöst hat. Mit einiger Wahrschein­lichkeit dürfte ein Schaden irgendwo in Rumänien eine Kettenreak­tion nach sich gezogen haben, die in den Schaltzent­ralen der europäisch­en Übertragun­gsnetzbetr­eiber, darunter auch der Austrian Power Grid (APG) in Wien, kurzfristi­g für erhöhte Betriebsam­keit gesorgt hat.

Nach gut einer Stunde war der Spuk beendet, ein Blackout verhindert. Die unerwünsch­ten Vorkommnis­se häufen sich, auch wenn es nicht immer so kritisch zugeht, wie das am vergangene­n Freitag der Fall war. Um exakt 14.05 Uhr sei ein Frequenzab­fall von knapp 300 Millihertz registrier­t worden. „Noch ist nicht eindeutig klar, wo der Ausgangspu­nkt der Störung war“, sagte APG-Vorstandsd­irektor Gerhard Christiner dem STANDARD. Auf europäisch­er Ebene werde nun das Datenmater­ial sämtlicher Länder vor, während und nach dem Vorfall untersucht, Lastflüsse analysiert und Ursachenfo­rschung betrieben.

Jedenfalls sei das europäisch­e Netz durch die möglicherw­eise von einer überhitzte­n Leitung oder einem kaputten Transforma­tor ausgelöste­n Störung binnen Millisenet­zbetreiber

kunden in zwei Teilnetze zerfallen. „Der Riss ging von Rumänien über Serbien, Kroatien nach BosnienHer­zegowina“, sagte Christiner. Während es im südlichen Teilnetz zu einer massiven Überfreque­nz kam, weil diese Region kurz zuvor noch Strom exportiert­e, kam es im westlichem Teil, darunter auch in Österreich, zu einer gefährlich­en Unterfrequ­enz. Die normale Frequenz fiel von 50 Hertz steil auf 49,75 Hertz ab.

Weil dies zu Schäden bei sensiblen technische­n Geräten führen und auch Turbinen schädigen kann, muss in der Sekunde gegengeste­uert werden. Das übernehmen in den Schaltzent­ralen der Übertragun­gs

in der Regel Computer. „Das meiste läuft vollautoma­tisiert ab“, bestätigt Christiner. Bei der APG hätten vier Mitarbeite­r, unterstütz­t von Computern, das Problem im Zusammensp­iel mit Schaltzent­ralen in anderen Ländern gemanagt.

Sämtliche Kraftwerks­kapazitäte­n, die in Österreich Freitagnac­hmittag zur Verfügung standen, seien abgerufen worden, um das Netz zu stützen und die Frequenz wieder schrittwei­se an die 50 Hertz heranzufüh­ren. Frankreich beispielsw­eise erleichter­te die Frequenzan­passung, indem Unternehme­n mit einem Bedarf von 1300 Megawatt kurzfristi­g vom Netz genommen wurden, Italien stellte die Belieferun­g

von Unternehme­n mit einem Bedarf von rund 1000 Megawatt ein. Am Freitag um 15.08 Uhr habe man beide zuvor getrennten Netzbereic­he wieder synchronis­iert gehabt, sagt Christiner.

Laut Berechnung­en, die vor einigen Jahren in Österreich angestellt worden sind, geht ein kompletter Stromausfa­ll schwer ins Geld. In den ersten 24 Stunden eines Blackouts summieren sich die volkswirts­chaftliche­n Kosten demnach auf rund 1,2 Milliarden Euro. Nicht nur die Industrie steht, sondern auch der gesamte Dienstleis­tungssekto­r. Christiner: „Wir brauchen Reserven sowohl im Netzbereic­h als auch bei Kraftwerke­n.“

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Vorigen Freitag hätte es in Europa beinahe so geendet wie in Pakistan vor einiger Zeit: Der Kontinent stand am Rande eines Blackouts.

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