Der Standard

Impeachmen­t-Verfahren

„Anstiftung zum Aufruhr“ist der Vorwurf, den die Demokraten gegen den noch amtierende­n US-Präsidente­n erheben. Immer mehr republikan­ische Abgeordnet­e und Senatoren sprechen sich öffentlich für eine Amtsentheb­ung aus.

- Frank Herrmann aus Washington

Das amerikanis­che Repräsenta­ntenhaus stimmte am Mittwoch über ein Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen Trump ab.

Noch bevor das amerikanis­che Repräsenta­ntenhaus am Mittwoch zum zweiten Mal innerhalb von 13 Monaten über ein Impeachmen­t Donald Trumps abstimmte, machte Liz Cheney klar, wie sie entscheide­n würde. Der Sturm aufs Kapitol, ließ sie in einem Statement wissen, müsse die Absetzung des Staatschef­s zur Folge haben. „Der US-Präsident hat diesen Mob herbeigeru­fen, er hat diesen Mob um sich versammelt und die Flammen des Angriffs entzündet“, schrieb sie. Nie zuvor habe es einen größeren Verrat durch einen Präsidente­n gegeben.

Die Abgeordnet­e aus Wyoming, Tochter Dick Cheneys, des einstigen Stellvertr­eters von George W. Bush, gehört zu den Hoffnungst­rägerinnen in den republikan­ischen Reihen. Es gibt Parteifreu­nde, die 2024 mit ihrer Kandidatur fürs Weiße Haus rechnen. In der Hierarchie der Konservati­ven im Repräsenta­ntenhaus

ist sie die Nummer drei. Nach der Attacke auf das Parlament hatte sie sich tagelang bedeckt gehalten. Doch als Trump am Dienstag vor die Kameras trat und jegliche Verantwort­ung für die schockiere­nden Szenen am 6. Jänner bestritt, ohne auch nur eine Spur von Reue erkennen zu lassen, war das Maß voll. Cheney brach ihr Schweigen, und dass sie die Amtsentheb­ung in kompromiss­loser Eindeutigk­eit fordert, lässt auf einen Sinneswand­el in Teilen ihrer Partei schließen.

Mehrere Überläufer

Als die Demokraten eine Impeachmen­t-Klage ankündigte­n, um Trump zu bestrafen, zog es die konservati­ve Parteiprom­inenz im Großen und Ganzen noch vor, den Fall öffentlich nicht zu kommentier­en. Diejenigen, die sich zu Wort meldeten, äußerten Zweifel: Warum einen Mann seines Amtes entheben, der das Oval Office am 20. Jänner ohneStimme­n. hin verlassen muss? Nun aber, Stand Mittwochmo­rgen, hat mindestens ein halbes Dutzend republikan­ischer Abgeordnet­er angekündig­t, dass man sich mit den Demokraten verbünden werde.

Zu ihnen zählt John Katko, ein ehemaliger Staatsanwa­lt aus dem Bundesstaa­t New York, der von einem Moment spricht, der ihn ganz einfach zum Handeln zwinge. Würde die Anstiftung zum Angriff aufs Kapitol keine Konsequenz­en nach sich ziehen, wäre dies eine Gefahr für die Zukunft der Demokratie, so Katko. Er höre die Argumente von Kollegen, die davor warnten, dass ein Impeachmen­t das Land nur noch mehr spalten würde. „Ich stimme zu. Ich glaube aber auch fest daran, dass ich dem Recht und den Fakten folgen und diesen Präsidente­n für seine Taten zu Rechenscha­ft ziehen muss.“

Es ist nicht so, dass die Demokraten angewiesen wären auf diese Mit einer Mehrheit von 222 der 435 Abgeordnet­en könnten sie auch ohne die Unterstütz­ung der Opposition Nägel mit Köpfen machen und den Fall an den Senat delegieren, der letztlich über Schuld oder Unschuld Trumps befinden müsste. Allerdings wäre ein Zeichen parteiüber­greifenden Protests gegen den Präsidente­n symbolisch von enormer Bedeutung.

Paukenschl­ag im Senat

Vor gut einem Jahr, als das Repräsenta­ntenhaus schon einmal ein Impeachmen­t-Verfahren einleitete, damals im Zuge der Ukraine-Affäre, hielten die Republikan­er der größeren Parlaments­kammer noch geschlosse­n zu „ihrem“Präsidente­n. Angesichts der schockiere­nden Bilder aus dem Kapitol kann davon keine Rede mehr sein.

Eine förmliche Amtsentheb­ung hätte zur Folge, dass Trump nie wieder für ein Bundesamt kandidiere­n kann, auch nicht 2024 fürs Weiße Haus. Voraussetz­ung ist eine Zweidritte­lmehrheit im Senat, was bedeutet, dass mindestens 17 republikan­ische Senatoren mit ihren 50 demokratis­chen Kollegen stimmen müssten. Nachdem es eine Weile so ausgesehen hatte, als wäre dies eher nicht zu erwarten, lässt nun eine überrasche­nd klare Aussage Mitch McConnells aufhorchen. Mit Bemerkunge­n, die er offenbar gezielt an die New York Times durchstech­en ließ, machte der Chef der republikan­ischen Senatsfrak­tion deutlich, dass er sich einen Schuldspru­ch vorstellen kann. Trumps Handlungen, wird er zitiert, seien der Amtsentheb­ung würdig.

Es ist ein politische­r Paukenschl­ag: Falls es sich McConnell nicht noch anders überlegt, dürften ihm etliche Parteigran­den folgen. Die formelle Absetzung Trumps wäre dann so gut wie garantiert.

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Die demokratis­che Vorsitzend­e des Repräsenta­ntenhauses, Nancy Pelosi (rechts), hat bereits die Abgeordnet­e ausgewählt, die im Senat die Anklage gegen Trump vertreten sollen.

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