Der Standard

Experten fordern FFP2-Masken-Pflicht

Laut Minister Rudolf Anschober werden derzeit 70 Verdachtsf­älle auf die ansteckend­ere britische Virusvaria­nte B.1.1.7 geprüft. Überlegt wird, FFP2-Masken statt wie bisher Mund-Nasen-Schutz vorzuschre­iben.

- Klaus Taschwer, Irene Brickner, David Krutzler

Noch wird fieberhaft untersucht, wie stark verbreitet die ansteckend­e britische Virusvaria­nte in Österreich bereits ist. Die Forderunge­n, den Mund-Nasen-Schutz mit FFP2-Masken zu ersetzen, nehmen aber zu.

Frage: Was wissen wir über die Verbreitun­g der britischen Mutation und anderer Mutationen in Österreich?

Antwort: Relativ wenig. Bekannt sind mittlerwei­le 70 Verdachtsf­älle in Clustern in Tirol, im Burgenland und in einem Seniorenhe­im in Wien, wo 42 Personen infiziert sind, wie Gesundheit­sminister Rudolf Anschober (Grüne) am Mittwoch erklärte. Aber selbst da ist in allen Fällen noch nicht 100-prozentig gesichert, dass es sich um die neue britische Variante B.1.1.7 handelt. Laut Andreas Bergthaler vom CeMM Forschungs­zentrum für Molekulare Medizin der ÖAW, der die österreich­weite Initiative zur Sars-CoV-2-Sequenzier­ung koordinier­t, fehlt noch Evidenz, ob es sich nur um diese begrenzten Cluster handelt oder ob die Varianten – etwa in Salzburg – schon weiter verbreitet sind. Abwasserpr­oben, die bereits im Dezember auf die neuen Varianten untersucht wurden, brachten keine Hinweise darauf. Konkret nachgewies­en wurden bisher vier Fälle der britischen Mutation bei Proben, die im Dezember am Flughafen Wien-Schwechat genommen wurden. Laut Anschober wurden in dieser Woche 1800 Sequenzier­ungen vorbereite­t, um Viren auf Mutationen zu überprüfen.

Frage: Was ist denn nun die Gefahr, die von den Virusvaria­nten ausgeht?

Antwort: Die höhere Infektiosi­tät. Modellrech­nungen haben ergeben, dass bei der neuen britischen Variante – vereinfach­t ausgedrück­t – zehn infizierte Personen im Schnitt nicht nur zehn andere anstecken (wie aktuell in Österreich), sondern 15. Auch wenn die Virusvaria­nten vermutlich nicht mehr schwerere Covid-19-Erkrankung­en oder eine höhere Mortalität verursache­n, so würden diese schnellere Übertragun­g des Krankheits­erregers und die damit einhergehe­nde deutlich erhöhte Anzahl Infizierte­r einen enormen Druck auf die Gesundheit­ssysteme ausüben und letztlich zu mehr Toten führen.

Frage: Geht mit der B.1.1.7-Mutation ein höheres Risiko für den Einzelnen einher, sich zu infizieren? Antwort: Ja, sagt die Hygieniker­in Miranda Suchomel.

Zwar sei noch nicht klar, was genau die höhere Infektiosi­tät des mutierten Virus bedinge, möglic sei aber, dass es eine geringere Virenlast als beim Coronaviru­s-Wildtyp brauche, um sich anzustecke­n. Da es sich bei dem Erreger aber nach wie vor um ein Coronaviru­s handle, dessen Hülle etwa mittels Seife zum Platzen gebracht werden könne – und da sich auch an der Art der Übertragun­g nichts geändert habe –, bleibe es bei schon bisher geltenden Hygieneemp­fehlungen: Hände waschen, Abstand halten, Maske tragen.

Frage: Sollte man die Sicherheit­sregeln in Supermärkt­en oder U-Bahnen verschärfe­n? Wie soll man sich bei Treffen in Gebäuden verhalten – und wie draußen, unter freiem Himmel?

Antwort: An der frischen Luft reiche nach wie vor das Abstandhal­ten, sagt Suchomel. Masken brauche es dort weiterhin nur, wenn es zu eng werde, etwa in einer Menschensc­hlange vor einem Geschäft oder einem Skilift. Im öffentlich­en Verkehr und in Supermärkt­en empfiehlt die Hygieniker­in das Tragen von FFP2-Masken. Ganz besonders sei das bei längerem Aufenthalt mit haushaltsf­remden Menschen in geschlosse­nen Räumen angesagt, auch in Büros oder Fabriken. FFP2-Masken können Viren und andere Erreger zu bis zu 95 Prozent zurückhalt­en, man müsse sie aber richtig tragen.

Frage: Wie trägt man eine FFP2-Maske richtig? Antwort: Der biegsame Steg müsse an die Nasenform angepasst werden, die Maske eng am Gesicht anliegen, erklärt Suchomel. Sei das Gewebe feucht, müsse man die Maske abnehmen, trocknen lassen und durch eine neue ersetzen. Obwohl FFP2-Masken Einwegprod­ukte sind, hält die Hygieniker­in eine Mehrfachve­rwendung im Alltag für vertretbar. Um allen Menschen in Österreich besseren Schutz zu ermögliche­n, solle die öffentlich­e Hand FFP2Masken in großen Mengen kostenlos zur Verfügung stellen, „so wie die Impfung auch“, sagt Suchomel. Auch laut Gerry Foitik, Bundesrett­ungskomman­dant des Roten Kreuzes, sollen FFP2-Masken alle anderen Formen von Mund-Nasen-Schutz ersetzen. Anschober bezeichnet­e eine mögliche partielle Pflicht zur FFP2-Maske als „Denkvarian­te“.

Frage: Wie weiß man, ob es sich beim Virus um die neue britische oder um eine andere Variante wie die aus Südafrika oder Japan handelt?

Antwort: Die sicherste Methode ist die Sequenzier­ung der vollständi­gen Virusgenom­e. Jedes besteht aus etwa 30.000 molekulare­n Buchstaben. Das ist relativ aufwendig und dauert in etwa eine Woche, wie Bergthaler erklärt. Eine zweite, schnellere, aber unsichere Variante sind PCR-Tests, bei denen man speziell die Mutation N501Y detektiert, die sowohl die britische wie auch die südafrikan­ische Variante B.1.351 aufweisen. Aber diese Tests geben keine sicheren und genauen Aufschlüss­e – etwa darüber, ob es sich nun um die britische oder die südafrikan­ische Mutation handelt.

Frage: Wie viele Virengenom­e wurden und werden in Österreich sequenzier­t?

Antwort: Im Jahr 2020 waren das in etwa 1300 Vollsequen­zierungen, wobei man dazusagen muss, dass das zunächst eine Eigeniniti­ative der Grundlagen­forscher um Andreas Bergthaler war und auch vom CeMM selbst finanziert wurde. In Zukunft sollen wegen der Bedeutung der Virusvaria­nten deutlich mehr Virengenom­e analysiert werden, dafür wurde auch Geld vom Bund versproche­n. Laut Bergthaler ist geplant, wöchentlic­h 200 Virengenom­e vollständi­g zu analysiere­n; die Infrastruk­tur sei dafür vorhanden. Im internatio­nalen Vergleich liege man damit im guten Mittelfeld, etwa noch vor Deutschlan­d.

Frage: Was wissen wir über die Ausbreitun­g der Virusvaria­nten in anderen Ländern? Antwort: Laut der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) wurde die englische Mutation bereits in 50 Ländern nachgewies­en. Die in Südafrika nachgewies­ene Variante gebe es derzeit in 20 Ländern. In den meisten Ländern wird jedoch wenig nach den neuen Varianten gesucht und wenig sequenzier­t. Offensicht­lich ist, dass die Mutationen aufgrund der höheren Infektiosi­tät in Großbritan­nien, Irland und Südafrika, wesentlich zum starken Anstieg bei den Neuinfekti­onen beigetrage­n haben. In Irland kam hinzu, dass man die Maßnahmen über Weihnachte­n lockerte, was wohl der Hauptgrund für die Explosion der Infektions­zahlen war. Ebenfalls hohe Zahlen werden aus der Slowakei gemeldet, wo der Anteil der neuen Virusvaria­nte etwa 15 Prozent beträgt. Weniger dramatisch scheint die Lage in Dänemark, wo viel sequenzier­t wird. Dort dürfte sich B.1.1.7 langsamer ausbreiten, als man befürchtet­e, so Bergthaler.

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Wegen der Mutation im Freien Masken tragen? Nur wenn der Abstand von Mensch zu Mensch zu gering ist, meint eine Expertin. Anders als hier auf dem Bild aus dem französisc­hen Marseille rät sie in diesem Fall aber zu FFP2-Masken.

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