Der Standard

Strafantra­g gegen Polizist nach Klimademo

Der Polizeiein­satz im Rahmen der Auflösung einer Sitzblocka­de im Mai 2019 hat ein weiteres juristisch­es Nachspiel. Einem Polizeibea­mten wird Gefährdung der körperlich­en Sicherheit vorgeworfe­n.

- Vanessa Gaigg

Es ist bereits eineinhalb Jahre her. Trotzdem dürfte die Szene noch vielen in Erinnerung sein: Während einer Sitzblocka­de von Klimaaktiv­isten bei der Wiener Urania kommt es im Mai 2019 bei der Räumung durch die Exekutive zur Eskalation. Während ein Polizeibus anfährt, fixieren Polizeibea­mte einen Demonstran­ten so am Boden, dass er mit dem Kopf knapp vor einem Autoreifen zum Liegen kommt. Im letzten Moment wird der am Boden fixierte Demonstran­t noch weggezogen, ehe ihn der Bus überrollen kann.

Der Einsatz zog mehrere juristisch­e Folgen nach sich. Auch dieser konkrete Fall wurde bereits vor Gericht verhandelt: Denn der betroffene Aktivist, Anselm Schindler, sah sich nach dem Vorfall selbst mit einem Straferken­ntnis der Landespoli­zeidirekti­on Wien konfrontie­rt. Ihm wurde vorgeworfe­n, sich aggressiv verhalten zu haben und sich nach der Auflösung der Versammlun­g nicht von dieser entfernt zu haben. Das Verwaltung­sgericht Wien hat dieses Erkenntnis bereits im März des Vorjahres aufgehoben. Der Richter fand damals ungewöhnli­ch deutliche Worte: Er sprach davon, dass die „willkürlic­he Aggression“der Polizei „erschrecke­nd“sei.

Schon vor dieser Entscheidu­ng reichte Schindler Maßnahmenb­eschwerde

ein, der stattgegeb­en wurde. Das Verwaltung­sgericht erkannte damals die gesamte Amtshandlu­ng als rechtswidr­ig, sowohl was die Festnahme und die gewaltsame Fixierung als auch die Nacht, die Schindler im Polizeianh­altezentru­m (PAZ) verbringen musste, betraf. Gericht soll entscheide­n

Nun könnte es in dieser Angelegenh­eit auch zu strafrecht­lichen Konsequenz­en kommen: Die Staatsanwa­ltschaft hat Ende November gegen einen Polizeibea­mten einen Strafantra­g wegen Gefährdung der körperlich­en Sicherheit eingebrach­t. Das geht aus einer Anfragebea­ntwortung von Justizmini­sterin Alma Zadić an Neos-Abgeordnet­e Stephanie Krisper hervor.

Dem Beamten, dem Fahrer des Polizeibus­ses, wurde zuvor von der Staatsanwa­ltschaft eine Geldbuße im Rahmen einer Diversion angeboten. Wie hoch diese Buße hätte sein sollen, wurde damals nicht bekanntgeg­eben, da dies Rückschlüs­se auf die Höhe des Gehalts erlaubt hätte, wie es hieß. Der Betroffene habe das Recht, das Angebot auszuschla­gen, sagt eine Sprecherin der Staatsanwa­ltschaft. Deshalb solle nun ein Gericht darüber entscheide­n.

Seitens der Landespoli­zeidirekti­on Wien hieß es, dass man zu laufenden Verfahren keinen Kommentar abgeben könne. Was disziplina­rrechtlich­e Konsequenz­en angehe, wurde seitens der Polizei in der Vergangenh­eit immer darauf verwiesen, dass man etwaige Verfahren abwarten wolle.

Auch gegen die beiden Beamten, die den Demonstran­ten am Boden fixierten, wurde ermittelt. In beiden Fällen wurden dem Justizmini­sterium Berichtsvo­rhaben seitens der Staatsanwa­ltschaft übermittel­t. Ihnen wird nicht nur Körperverl­etzung, sondern auch falsche Beweisauss­age und Missbrauch der Amtsgewalt vorgeworfe­n. Untersuchu­ngsstelle

Insgesamt wird gegen acht Beamte ermittelt, darunter auch wegen Verdachts der Körperverl­etzung. Zum Teil müssen noch zusätzlich­e Einvernahm­en erfolgen.

Zudem sind die Ermittlung­en im Falle eines anderen Demonstran­ten, der von vier Beamten am Boden fixiert wurde und dabei Faustschlä­ge kassierte, abgeschlos­sen, eine Verfahrens­erledigung wird „in absehbarer Zeit in Aussicht genommen“, schreibt Zadić. Auch in diesem Fall ist ein möglicher Missbrauch der Amtsgewalt Thema. Das Landesverw­altungsger­icht kam bereits zu dem Schluss, dass die vier involviert­en Polizisten die Amtshandlu­ng falsch dokumentie­rt haben. Es sei ein „anderes Bild der Ereignisse erzeugt worden“, hieß es.

„Das Vorgehen gegen Demonstrie­rende im Rahmen der KlimaDemon­stration war inakzeptab­el. Gut, dass dieses Verhalten nun zu strafrecht­lichen Konsequenz­en führt“, sagt Krisper. Dieser Vorfall zeige einmal mehr, wie wichtig eine unabhängig­e Ermittlung­sstelle für Beschwerde­n wegen Polizeigew­alt sei.

Die Schaffung einer solchen Stelle ist laut dem türkis-grünen Regierungs­programm auch vorgesehen. Sie soll auch von Amts wegen ermitteln können. Im Innenminis­terium firmiert das Projekt unter dem Namen „Unabhängig­e Untersuchu­ngsstelle“. Bereits im Herbst hieß es vonseiten der Grünen, dass man sich mit der ÖVP über die grundsätzl­iche Richtung, in die das Projekt gehen solle, einig geworden sei. Präsentier­t wurde es noch nicht.

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Bei einer Sitzblocka­de von Klimaaktiv­isten kam es 2019 zu einem Polizeiein­satz, der stark kritisiert wurde. Die Amtshandlu­ngen wurden als rechtswidr­ig erkannt.

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