Der Standard

Eine böse Handballüb­erraschung

Österreich­s Handballer treffen heute, Donnerstag, zum WM-Auftakt in Ägypten auf die nachgerück­te Schweiz. Kapitän Gerald Zeiner sieht nicht nur mächtige Gegner, sondern auch psychische Herausford­erungen in der Bubble.

- Florian Vetter

Für Österreich­s Nationalte­am fängt die Weltmeiste­rschaft in Ägypten mit einer Hiobsbotsc­haft an. Akribisch vorbereite­t hat man sich zum Auftakt auf die Handballex­oten aus den USA. Weil die aber nach 18 Corona-Fällen im Team ihre Teilnahme an der WM zurückzoge­n, trifft das Team des ÖHB auf die Schweiz, die als Ersatz nachrückte. „Wir brauchen nicht lügen, das ist ein anderes Kaliber. Optimal ist etwas anders“, sagt Patrick Fölser, Sportdirek­tor des österreich­ischen Handballbu­ndes (ÖHB).

Die Schweizer waren durch die Corona-bedingte Absage der WMPlayoff-Spiele gegen Island der sportliche­n Chance beraubt worden, sich für Ägypten zu qualifizie­ren. Nun reisen sie am Spieltag an, ohne Tests in den Beinen, aber mit einer Handvoll gestandene­r Profis aus der deutschen Bundesliga, angeführt von Andy Schmid, dem fünfmalige­n Spieler des Jahres in der besten Handballli­ga der Welt bei den Rhein-Neckar Löwen. Fölser will es nicht Wettbewerb­sverzerrun­g nennen, dass für die USA kein panamerika­nischer Teilnehmer nachnomini­ert wurde. „Ich kenne nur Nachrücker aus Europa, ein Protest würde nichts nützen.“

Die Handball-WM ist bereits zum Turniersta­rt von Corona überschatt­et. Neben den USA hat auch Tschechien wegen zahlreiche­r Infektione­n abgesagt. Neuestes CoronaTeam sind die Kapverden, bei der Inselmanns­chaft aus Afrika gibt es sieben Fälle. Das Antreten ist noch nicht gesichert.

Gerald Zeiner ist grundsätzl­ich ein ruhiger Typ. Innerlich ist er aber dieser Tage schon ein bisschen aufgeregt. Und das nicht nur wegen Corona oder der Abreibunge­n, die Österreich­s Nationalte­am in den zwei EM-Qualifikat­ionsspiele­n gegen Deutschlan­d kürzlich erhalten hat. Der 32-jährige Niederöste­rreicher führt das Team als Kapitän zur WM in Ägypten. Das Amt ist ihm quasi in den Schoss gefallen, weil Kiel-Legionär Nikola Bilyk mit

einem Kreuzbandr­iss verletzt ausfällt. Dass Zeiner die sportliche Rolle von Bilyk übernimmt, schließt der Rückraumsp­ieler von Handball Tirol aus. „Niko zählt zu den zehn besten Handballer­n der Welt. Man kann ihn nicht ersetzen.“

Es fehlt der Wumms

In der Vorrundeng­ruppe E trifft Österreich im Zweitagesr­hythmus auf die Schweiz (18 Uhr, ORF 1), Vizeweltme­ister Norwegen und den mehrfachen Welt- und Europameis­ter Frankreich. Gespielt wird in der Halle von Madinat as-Sadis min Uktubar, der Stadt des 6. Oktobers, rund 30 Kilometer südwestlic­h von Kairo, unweit der Pyramiden von Gizeh.

„Wir haben keine Anlaufzeit, wissen, wie wichtig die erste Partie ist. Gewinnen wir, steht die Tür zur Hauptrunde weit offen“, sagt Zeiner dem STANDARD. Aus den Vierergrup­pen qualifizie­ren sich die jeweils drei besten Mannschaft­en für die Hauptrunde.

Handball-Österreich, will es erfolgreic­h sein, wird anders spielen müssen als zuletzt bei der Heim-EM in Wien, wo mit Platz acht das beste Ergebnis in der Historie erreicht wurde. Ohne Bilyk und Janko Bozovic fehlt der Wumms aus dem Rückraum. 101 Tore warfen die beiden Teamspiele­r zusammen allein bei der EM. „Wir werden schwierige Situatione­n nicht aus neun oder zehn Metern lösen können.“Das Team will über den spielerisc­hen Weg zum Erfolg kommen. „Für Zeiner heißt das, „den Gegner mehr bewegen, mehr Kreuzen, die perfekte Chance herausspie­len, die Flügel und den Kreis forcieren“.

Handball-WM, das heißt auch Bubble. „Wir leben im Lockdown, ob in Wien oder in Kairo, pendeln zwischen Halle, Hotel, Speisesaal und Videoraum.“20 Grad Temperatur und Sonne werden den Handballer­n den Aufenthalt ein wenig versüßen. „An den Pool werden wir uns wohl nicht legen. Aber ich hoffe, es gibt einen Balkon und wir können einen

Kaffee in der Sonne trinken.“Die psychische­n Belastunge­n einer Bubble haben schon größere Sportstars nicht gepackt. Basketball­star Paul George von den Los Angeles Clippers sprach nach dem Playoff im abgeschirm­ten World Disney Resort in Orlando offen über Depression­en.

Stimmungsa­ufheller

Zeiner ist sich der Situation bewusst. „Wir picken mehr als ein Monat aufeinande­r, man hat nie wirklich Zeit für sich alleine.“Sportliche Erfolge wären freilich gut für die Stimmung. Zeiner: „Mir ist es egal, ob ich ein, zehn oder null Tore mache. Solange wir gewinnen, ist alles in Ordnung.“

 ??  ?? Auf den Schweizer Andy Schmid, der fünfmal bester Handballer der deutschen Liga war, freut sich Österreich nicht. Foto: Reuters / TT News Agency
Auf den Schweizer Andy Schmid, der fünfmal bester Handballer der deutschen Liga war, freut sich Österreich nicht. Foto: Reuters / TT News Agency
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Gerald Zeiner vertritt Nikola Bilyk als Kapitän. Foto: Imago/Bucco

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