Der Standard

Die Tücken des Brexits im Online-Shop

Britische Produkte bleiben auch nach dem Brexit zollfrei – aber nicht steuerfrei. Wer bei britischen Online-Shops kauft, wird vom Paketboten oft erneut zur Kasse gebeten. Viele Konsumente­n wissen nichts von den Einfuhrste­uern.

- Aloysius Widmann

Wer viel im Internet bestellt, weiß, welche Vorfreude der nahende Lieferterm­in bringt. Kommt das Packerl aus England, liefert der Bote neuerdings oft eine Rechnung mit – oft so saftig, dass die Freude vergeht.

So ergangen ist es Sabrina S., die im Internet Tee bestellt hat. Und zwar aus London, der Kapitale des Teetrinker­lands Großbritan­nien, das unlängst die Europäisch­e Union verließ. Mitsamt Speditions­kosten zahlte S. etwas mehr als 60 Euro. Dass der Paketbote bei der Übergabe der Lieferung noch einmal beinahe 34 Euro an Einfuhrums­atzsteuer (EUSt) von ihr verlangen würde, wusste sie nicht. Der Lieferdien­st verrechnet­e zudem eine Gebühr für die Abwicklung. Unterm Strich gab S. mehr als 100 Euro aus. Gerechnet hatte sie mit knapp über 60.

Wie S. geht es zahlreiche­n Konsumente­n in Österreich, seit die Brexit-Übergangsp­hase vorbei und der in letzter Minute ausgehande­lte Deal provisoris­ch in Kraft ist. Zwar konnten die Brexit-Verhandler verhindern, dass für britische Produkte Zölle eingeführt wurden. Einfuhrsch­ranken gibt es dennoch seit 1. Jänner. Auf vielen Online-Shops erfährt man das höchstens, wenn man das Kleingedru­ckte durchgeht.

Seit Anfang des Jahres ist auf Importe aus dem Königreich – mit Ausnahme Nordirland­s – die Einfuhrums­atzsteuer fällig. Wer Waren im Wert von mehr als 150 Euro von der Insel bestellt, sollte zudem genau auf deren Herkunft achten. Denn zollfrei sind nur Produkte, die zum größten Teil in Großbritan­nien gefertigt wurden. Wer bei einem britischen Online-Händler beispielsw­eise einen chinesisch­en Saugrobote­r kauft, muss mit Zöllen rechnen.

Dass Sabrina S. fast die Hälfte des Einkaufspr­eises an Einfuhrste­uer berappen musste, liegt nicht an einem exorbitant hohen Steuersatz. 20 Prozent des Zollwertes stellt das Zollamt für Einfuhren auf dem Postweg in Rechnung. Was viele nicht wissen: Der Zollwert ist nicht immer gleich dem Preis, den ein Produkt im Online-Shop kostet. Verborgene Kosten

Wer wie S. ein Packerl Tee aus London bestellt, kauft mehr als nur getrocknet­e Blätter. Der Tee wird verpackt und versandt, die Lieferung womöglich versichert. Die Bemessungs­grundlage für die Einfuhrste­uer hängt zusätzlich davon ab, wo das Produkt hergestell­t wurde. Von der EUSt befreit sind Importe aus sämtlichen Drittlände­rn, die weniger als 22 Euro kosten – aber nur noch bis zum 1. Juli.

Allerlei Kosten können also in den Zollwert reinspiele­n, Frachtkost­en werden angerechne­t, beim Zoll anteilig bis zur EU-Grenze; bei der Einfuhrste­uer bis zur Lieferadre­sse. Setzen die Behörden wie bei Sabrina S. hohe Frachtkost­en an, treibt das die Steuerschu­ld in die Höhe. Experten empfehlen jedenfalls, sich vor dem Kauf über alle möglichen Kosten zu informiere­n. Es lohne sich auch beim Zollamt nachzufrag­en, wenn die verrechnet­en Kosten unplausibe­l hoch wirken.

Die Höhe der Abgaben bestimmt die Zollbehörd­e. Paketboten werden nur zu Zolleintre­ibern an der Haustür, weil die Lieferdien­ste die Abgaben für ihre Kunden beim Zollamt vorstrecke­n.

Für die Lieferdien­ste wie die Post bedeutet der Brexit zwar mehr Zettelwirt­schaft an der Grenze. Einen insgesamt größeren Aufwand als bisher fürchtet man aber nicht. Kamen zuletzt rund 500 Packerl pro Tag nach Österreich, erwartet die Post künftig maximal 400 am Tag. Dass sich Sendungen zuletzt an der britischen Grenze stauten, habe aber nichts mit dem Brexit zu tun, versichert ein

Post-Sprecher. Schuld an zum Teil massiv verzögerte­n Lieferunge­n seien die jüngsten Verkehrsbe­schränkung­en wegen der Pandemie.

Die österreich­ische Zollbehörd­e hingegen rechnet beim Onlinehand­el mit einem Anstieg des Arbeitsauf­wands um rund 25 Prozent. Die Ressourcen seien bereits aufgestock­t worden, heißt es vonseiten des Finanzmini­steriums. Man verspreche man sich aber eine baldige

Entlastung durch EU-weite digitale Plattforme­n, über die Warensendu­ngen zentral abgefertig­t werden können. Teure Retouren

Und wie sieht die Konsumenti­n den Brexit? So eine Qualität bekommt man in Österreich nicht, sagt Tee-Liebhaberi­n S., die ihren Londoner Tee-Lieferante­n wärmstens empfiehlt. Aber sie denkt auch, dass Kunden besser informiert werden sollten, welche Kosten im Online-Handel mit der Insel lauern.

Das Finanzmini­sterium empfiehlt auf seiner Homepage, sich sehr genau zu informiere­n. Die Ware soll zum Nettopreis gekauft werden, sonst zahlt man doppelt Steuer. Die Annahme von beschädigt­er Ware sollte man auf jeden Fall verweigern. Denn auch wenn der Online-Händler Rücksendun­gen entgegenni­mmt: Die Einfuhrste­uer wird nicht rückerstat­tet.

 ??  ?? Großbritan­nien ist nicht mehr Teil des europäisch­en Binnenmark­ts. Wer bei britischen Online-Shops einkauft, sollte sich informiere­n. Auch wenn keine Zölle fällig werden, kann die Einfuhr nach Österreich teuer werden.
Großbritan­nien ist nicht mehr Teil des europäisch­en Binnenmark­ts. Wer bei britischen Online-Shops einkauft, sollte sich informiere­n. Auch wenn keine Zölle fällig werden, kann die Einfuhr nach Österreich teuer werden.

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