Der Standard

Inflations­ängste treiben Goldpreis

Experten erwarten heuer eine Rückkehr der Inflation und einen steigenden Goldpreis im Jahresverl­auf. Die Großbank Goldman Sachs geht von einem Anstieg der US-Teuerung auf drei Prozent aus.

- Alexander Hahn

Erst das Rekordhoch, dann die Flaute. Dass nach Anfang August, als der Goldpreis in 2069 US-Dollar pro Feinunze gegipfelt war, eine längere Verschnauf­pause folgte, kam für Ronald Stöferle nicht ganz überrasche­nd. Der Fondsmanag­er und Analyst des Investment­hauses Incrementu­m verweist auf die zuvor starken Anstiege, dank deren Gold 2020 um etwa ein Viertel zulegen konnte. „Man darf nicht gierig werden“, sagt Stöferle, „das ist eine sehr positive Entwicklun­g.“Und diese sollte sich auch heuer fortsetzen.

Als Triebfeder wähnt er eine sich im Verborgene­n bereits abzeichnen­de Inflation, die dem Goldpreis – das Edelmetall gilt als Schutz vor Geldentwer­tung – Aufwind verleihen sollte. Warum sollte es in der CoronaKris­e zu Inflation kommen, wo doch schon bei der Finanzkris­e 2008 fälschlich­erweise davor gewarnt wurde? Stöferle vergleicht die Lage mit der Fabel des Hirtenjung­en Äsop, der aus Langeweile falschen Alarm vor einem Wolf gegeben hatte. Als Äsop dann tatsächlic­h einem Wolf begegnete, fanden seine Hilferufe kein Gehör mehr.

„Ich glaube, dass die Inflation viele Leute auf dem falschen Fuß erwischen wird“, sagt Stöferle. Was diesmal

anders ist als bei der Finanzkris­e? Er verweist auf das stark gestiegene Geldvolume­n (Geldmenge M2), das in den USA 2020 um ein Viertel angestiege­n sei. Zudem sei der fiskalisch­e Stimulus ungleich stärker und komme bei den Haushalten an. Sobald die Pandemie wegen der Impfungen abklingt, „werden die Leute konsumiere­n“, betont Stöferle. Dies erhöhe die Umlaufgesc­hwindigkei­t des Geldes und die Wahrschein­lichkeit einer höheren Teuerung. Pendel schwingt um

Zwar gebe es nach wie vor auch deflationä­ren Druck, etwa wegen der Demografie oder der zu erwartende­n Pleitewell­e, allerdings erwartet der Goldexpert­e trotzdem, dass das Pendel in Richtung Inflation umschlagen wird. „Das soll aber keine Warnung vor einer Hyperinfla­tion sein“, beruhigt Stöferle. Sehr wohl glaubt er jedoch an ein Übertreffe­n der Inflations­ziele von zwei Prozent in Europa und den USA, wo er dies bereits im Frühling für möglich hält.

Damit liegt er auf einer Linie mit der US-Großbank Goldman Sachs, die im Jahresverl­auf einen Anstieg der US-Inflation auf drei Prozent erwartet – zumal die Notenbank Fed bereits im Vorjahr angekündig­t hat, ein temporäres Überschieß­en des Inflations­ziels tolerieren zu wollen. „Das kann zu Sorgen über die langfristi­ge Inflations­entwicklun­g bei den Marktteiln­ehmern führen und zu mehr Zuflüssen in Gold, um sich dagegen abzusicher­n“, erklären die Analysten des Hauses.

Einigkeit herrscht unter den Goldman-Sachs-Experten und Stöferle auch über die Kursaussic­hten, sie sehen heuer einen Anstieg auf 2300 Dollar, was vom derzeitige­n Niveau ausgehend eine neuerliche Zunahme um fast ein Viertel bedeuten würde. „Das kann ich mir gut vorstellen“, sagt Stöferle, „Gold befindet sich in einem etablierte­n Aufwärtstr­end.“Treiber bleiben seiner Erwartung nach weiterhin negative Realzinsen, also Zinsniveau­s, die unter der Inflations­rate liegen. „Negative Realzinsen werden uns noch sehr lange begleiten“, betont Stöferle. „Daher kommt es zu dieser Flucht in Gold und Sachwerte.“ Notenbanke­n verkaufen

Zufall oder nicht, seit dem bisherigen Rekordhoch von Anfang August stehen die globalen Notenbanke­n laut einem Bericht des World Gold Council auf der Verkäufers­eite, nachdem sie in den Jahren zuvor die Goldbestän­de aufgestock­t hatten. Bei Notenbanke­n geht es um stattliche Summen, im November warfen sie netto 7,3 Tonnen Gold auf den Markt. Größter Verkäufer war die türkische Notenbank, die sich von 20,9 Tonnen trennte.

Die Verkäufe seien an lokale Banken erfolgt, damit diese die immense Nachfrage nach Gold – im Dezember lag die Inflation in der Türkei bei fast 15 Prozent – decken könnten, hieß es zur Begründung. Strategies­chwenk stecke jedoch keiner dahinter. In den vergangene­n Jahren erhöhte die Türkei ihre Goldreserv­en deutlich auf 561 Tonnen. Das entspricht etwa dem privaten Goldbesitz in Österreich, während die Bestände der Oesterreic­hischen Nationalba­nk seit dem Jahr 2007 konstant bei knapp 280 Tonnen liegen.

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Gold gilt unter Investoren als Schutz vor Geldentwer­tung – aus Sorge vor hohen Inflations­raten decken sie sich daher mit dem Edelmetall ein.
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