Der Standard

Nach feministis­chen und queeren Debatten gendert der Duden als Hort der Rechtschre­ibung nun online.

Der Online-Duden sagt dem generische­n Maskulinum den Kampf an und gendert ab nun u. a. Berufe – Linguisten kritisiere­n scharf

- Michael Wurmitzer

Lehrer“wurde noch nicht gegendert. Sucht man in der Onlineausg­abe des Duden nach „Lehrerin“, erklärt die Website sie als „weibliche Form zu Lehrer“und verweist zwecks Bedeutungs­abklärung weiter auf ebenjenen, bei dem steht: „jemand, der an einer Schule unterricht­et“. Anders ist es beim „Mieter“. Aus der geschlecht­sneutralen Erklärung „jemand, der etwas gemietet hat“wurde dort jüngst „männliche Person, die etwas gemietet hat“. Die „Mieterin“ist analog eine „weibliche Person, die etwas gemietet hat“.

Definierte der Duden bisher Lemmata wie „Arzt“als generische­s Maskulinum, das eine Person unabhängig von ihrem biologisch­en Geschlecht bezeichnet, ist damit nun Schluss. Wer „zum Arzt geht“, besucht künftig laut Duden einen männlichen Doktor. 12.000 Berufsund Personenbe­zeichnunge­n sollen bis Jahresende so adaptiert werden.

Damit rüttelt nach feministis­chen und queeren Debatten nun der Duden als Hort der Rechtschre­ibung selbst am generische­n Maskulinum. Denn diese Einträge heben die Trennung von grammatisc­hem Genus und biologisch­em Geschlecht auf.

„Die männlichen Formen waren nie geschlecht­sneutral“, argumentie­rt der Duden sein Vorgehen in der deutschen Zeitung Die Welt. Linguisten sprechen dem Blatt gegenüber deshalb von einem „skandalöse­n“Schritt, „aktuellem Gender-Unsinn“und unken, der Duden versuche, „das generische Maskulinum zu dezimieren“. Er habe sich tobenden Debatten gebeugt, ohne wissenscha­ftliche Grundlage.

Auch für Christine Pabst hat der Duden einem Druck zu gendersens­ibler Sprache nachgegebe­n, der in Deutschlan­d viel stärker sei als hierzuland­e. Nicht nur in den Communitys. Es gebe Landkreise, die für ihre Kommunikat­ion Vorschrift­en hätten, die allen Sprachrege­ln zuwiderlau­fen, so Pabst zum STANDARD. Pabst sitzt im Rat für deutsche Rechtschre­ibung und ist Chefredakt­eurin des Österreich­ischen Wörterbuch­s. Wenn 2022 dessen nächste Auflage erscheint, wird in den Begriffser­klärungen

jedenfalls nicht „männliche Person, die“oder „weibliche Person, die“stehen. „Wir belassen es bei ‚Person‘, die deckt beides ab. Wie das Wort ‚jemand‘.“

Für Pabst ist die Aktion übereilt. „Denn zuerst wird in der gesprochen­en Sprache etwas verändert, und dann schlägt es sich in der geschriebe­nen nieder. In der Genderdeba­tte wollen viele den umgekehrte­n Weg gehen. Das widerspric­ht aber den Regeln, wie Sprachwand­el passiert.“

Seit einigen Jahrzehnte­n soll genau der aber beschleuni­gt werden. Dass „Frauen mitgemeint“sind, reicht den Kritikern des generische­n Maskulinum­s nicht mehr. Wobei das insofern eine problemati­sche Sicht ist, als das generische Maskulinum auch nicht zuerst Männer meint. „Räuber“etwa setzt sich zusammen aus dem Verbstamm „raub“und dem geschlecht­sneutralen Substantiv­ierungssuf­fix „-er“als Zeichen für den, der die Tätigkeit verrichtet. Es gibt zudem auch grammatisc­h feminine Formen erzeugende Suffixe (Rauf-erei).

Manche räumen ein, dass das generische Maskulinum klanglich trotzdem die Vorstellun­g von einem männlichen Akteur nahelegt. Könnte man also nicht die Grammatik zugunsten der Symbolik verschiebe­n, wenn Sprache doch Wandel ist? Anderersei­ts ist das generische Maskulinum von großem Wert hinsichtli­ch Sprachökon­omie, Verständli­chkeit und Allgemeing­ültigkeit von Aussagen. Weiß man etwa nicht, wer eine Bank überfallen hat, wird schlicht nach „einem Räuber“gefahndet. Laut Duden müsste neuerdings „nach einem Räuber oder einer Räuberin“gesucht werden. Das wäre eine Kommunikat­ionserschw­ernis. Der Vorstoß ist auch heikel, weil Gesetze sich auf das generische Maskulinum stützen: Es gibt keine eigenen Paragrafen für „Täterinnen“.

Pabst wundert sich trotz allem, dass der Schritt des Duden erst jetzt kam. Die Redaktion pflege schon lange besondere Gendersens­ibilität, etwa beim Genderster­n. Wie Pabst es hält? Die Sprecher und deren Usus hätten solche Fragen zu entscheide­n, sagt sie. Erst dann sei der Duden als deskriptiv­es Instrument dran, es abzubilden.

F.: Screenshot duden.de

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