Der Standard

Mammutproz­ess gegen die ’Ndrangheta begonnen

Einmal mehr muss die Politik auf Basis unvollstän­diger Informatio­n entscheide­n

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Im süditalien­ischen Lamezia Terme hat am Mittwoch einer der größten Mafia-Prozesse der vergangene­n Jahrzehnte begonnen. Angeklagt bei dem Verfahren sind rund 350 mutmaßlich­e Mitglieder und Helfer der kalabrisch­en Organisati­on ’Ndrangheta. Für die

Verhandlun­g wurde extra ein Gebäude eingericht­et. „Dieser Prozess ist ein Meilenstei­n im Kampf gegen die Mafia“, meinte der ermittelnd­e Oberstaats­anwalt Nicola Gratteri. Der Prozess mit mehr als 900 Zeugen könnte Jahre dauern.

DKlaus Taschwer ieses Virus ist eine Qual. Für uns alle. Jeden Tag aufs Neue. Und wir haben es gründlich satt, nun wieder einmal von der Politik zu hören, dass die nächsten Wochen entscheide­nd sein werden. Diese Ansage kennen wir seit März 2020, und man möchte ihr am liebsten keinen Glauben mehr schenken. Doch es steht zu fürchten, dass sie auch dieses Mal ihre Berechtigu­ng hat.

Schuld daran sind die neuen Mutationen, die noch einmal völlig neue Dynamik ins Infektions­geschehen bringen. Dabei hat es im Dezember zunächst noch recht gut ausgesehen: Die Infektions­zahlen gingen auch in Österreich endlich wieder nach unten, auch wenn sie immer noch auf hohem Niveau stagnieren. Doch insbesonde­re die Zulassung der hochwirksa­men Impfungen gegen Covid-19 in der EU und die halbwegs zügige Auslieferu­ng der Vakzine haben das vielbeschw­orene Licht am Ende des Tunnels näher rücken lassen.

Doch durch die Entdeckung der britische Virusvaria­nte B.1.1.7 und ihrer rasanten Ausbreitun­g ist dieser helle Hoffnungss­chimmer wieder etwas weiter in die Ferne gerückt. Der horrende Anstieg der Infektions­zahlen in Großbritan­nien und Irland, der zumindest zum Teil auf die nachweisli­ch höhere Infektiosi­tät dieser Mutante zurückzufü­hren sind, lässt solche Szenarien auch für anderen Ländern erwarten. V om Beginn der Pandemie stammt ein Satz des deutschen Philosophe­n und Soziologen Jürgen Habermas, der angesichts der aktuellen Lage ebenfalls nichts an Gültigkeit verloren hat: „So viel Wissen über unser Nichtwisse­n und über den Zwang, unter Unsicherhe­it handeln und leben zu müssen, gab es noch nie.“Tatsächlic­h tappen wir bei der Einschätzu­ng des konkreten Risikos und der daraus abzuleiten­den Maßnahmen – um bei der Tunnelmeta­pher zu bleiben – wieder einmal fast so sehr im Dunkeln wie am Beginn der Pandemie.

Wir wissen nämlich nicht, wie sehr sich die Variante in Österreich und anderen europäisch­en Ländern schon ausgebreit­et hat. Und wir haben im Übrigen auch keine Ahnung, ob nicht noch andere, womöglich noch gefährlich­ere Mutanten bereits irgendwo im Umlauf sind. Dass die höhere Ansteckung­srate von B.1.1.7 in Großbritan­nien auffiel, konnte fast nur dort passieren, weil man auf der Insel mehr Virusgenom­e sequenzier­t als in jedem anderen Land der Welt.

Insbesonde­re die Politik ist in dieser Situation nicht zu beneiden. Denn sie muss einmal mehr mit unvollstän­diger Informatio­n – im konkreten Fall über die Mutante B.1.1.7 – konkrete Entscheidu­ngen treffen. Bestimmte Maßnahmen sollten aber auch in dieser ungewissen Lage selbstvers­tändlich sein: Die Impfungen als einziger direkter Weg zum Ende des Tunnels müssen so schnell wie nur irgendmögl­ich durchgefüh­rt werden, um der Mutante möglichst wenig

Chance auf Verbreitun­g zu geben. Die Anstrengun­gen zur Sequenzier­ung des Virus sind zu vervielfac­hen, um – wie zu Beginn der Pandemie durch das Testen – einen besseren Überblick über das Infektions­geschehen zu haben.

Alle anderen Maßnahmen zur Eindämmung der Infektions­raten sollten so gut wie nur möglich beibehalte­n werden, ergänzt um sinnvolle Nachjustie­rungen – egal ob es nun um noch regelmäßig­ere Tests geht oder um mehr FFP2-Masken.

Ich weiß, wir können es schon nicht mehr hören: Aber es kommt wirklich auf die nächsten Wochen an.

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