Der Standard

Blaue Bank gesucht

Peugeot-Citroën und Fiat-Chrysler haben am Wochenende einen neuen Autokonzer­n gegründet. Aus der Not geboren, muss er zuerst seine eigene Markensamm­lung bereinigen.

- Stefan Brändle aus Paris

Die FPÖ ist nach wie vor auf der Suche nach einer Bank, die die Partei und die rechten Fraktionen der EU finanziert.

Man muss den Namen nicht mögen. „Stellantis“– von lateinisch „stella“, Stern – heißt das neueste Weltuntern­ehmen aus Peugeot und Citroën, Fiat und Alfa Romeo, Chrysler und Jeep, Opel und ein paar anderen. Der Name klingt so konstruier­t wie der Markenkata­log in Konzernfor­m.

Auch die Hochzeit der französisc­hen PSA (Peugeot-Citroën) und der italienisc­h-amerikanis­chen FCA (Fiat-Chrysler) verlief am Samstag ohne Treueschwu­r. Nicht die Liebe zählt, sondern die Masse. Die neue Nummer vier der Welt nach Volkswagen, Toyota und Renault-Nissan beschäftig­t nach eigenen Angaben 408.000 Menschen und kommt auf 167 Milliarden Euro Umsatz.

Die Zahlen sind imposant – aber alles andere als solide. Einzelne Stellantis-Marken haben im CoronaJahr

Verkaufsei­nbrüche von über 40 Prozent erlebt. 2019 hatten sie zusammenge­rechnet noch über acht Millionen Autos verkauft. In den ersten neun Monaten 2020 sollen sie laut Automotive News Europe weniger als vier Millionen abgesetzt haben. Damit wären sie in der Weltrangli­ste der Autokonzer­ne zumindest vorübergeh­end auf Rang sechs, noch hinter General Motors und Hyundai-Kia, zurückgefa­llen.

Der neue Stellantis-Vorstandsc­hef Carlos Tavares – er leitete bisher die PSA-Gruppe – soll nun die Havarie stoppen. Er verspricht fünf Milliarden Euro an Synergieef­fekten. Wie bisher schon bei Opel will er den Rotstift auch in den einzelnen Werken ansetzen, um die Überkapazi­täten abzubauen.

Werksschli­eßungen schließt Tavares aus. Details dürfte er erst im

Sommer verkünden. Autoexpert­en glauben, dass er langfristi­g sogar einzelne Marken einstellen könnte – oder gar müsste. Massenhers­teller wie Peugeot, Fiat und Citroën stehen sich gegenseiti­g auf den Füßen; und kleinere Anbieter wie Maserati, Dodge oder Lancia stehen auch nicht besser da. Ewig wird das der Darwinist Tavares („Nur die Agilsten mit Darwin’schem Geist werden überleben“) nicht dulden.

Technologi­sch abgeschlag­en

Wie stehen Tavares’ Chancen? An sich hat er schlechte Karten. Erstens ist Stellantis zu stark auf Europa und Nordamerik­a fixiert; auf den Zukunftsmä­rkten in Asien sind seine Marken schwach. Zweitens liegen Tavares’ Marken bei der technologi­schen Branchenre­volution mit EAutos, Digitalisi­erung und autonomem Fahren zurück, wenn man sie mit Volkswagen, Toyota und Renault-Nissan vergleicht.

Die Corona-Krise könnte aber Tavares paradoxerw­eise helfen, seine Marken neu aufzustell­en. Das bedingt Mut und ein sicheres Gespür für Publikumsv­orlieben. Der 62-jährige Portugiese bringt beides mit.

In seiner Freizeit leidenscha­ftlicher Rennfahrer und Mechaniker, versteht er etwas vom Innenleben von Autos, aber nicht nur: In den letzten Jahren hat er schon hoffnungsl­os scheinende Fälle wie Opel saniert. Dabei geht er hart zu Werk, aber nicht wie ein Finanzhai. Und auch nicht mit einem überzogene­n Ego wie der gefallene Renault-Boss Carlos Ghosn. Außerdem weiß Tavares zwei Aktionärsf­amilien hinter sich, die am selben Strick ziehen – die Agnellis in Turin mit 14,4 Prozent

am Stellantis-Kapital und die Peugeots in Paris mit 7,2 Prozent. Beide setzen ihr Vertrauen in ihren neuen Heilsbring­er.

Insofern wirkt die Heirat von FCA mit PSA auch harmonisch­er als mit dem ersten Wunschbräu­tigam Renault 2019. Die französisc­hen und japanische­n Ingenieure von RenaultNis­san zierten sich allerdings – ebenso wie die Regierung in Paris: Fiat sei jetzt schon tot, hieß es in Paris herablasse­nd. Also bot FCA nur fünf Monate später dem historisch­en Renault-Rivalen Peugeot-Citroën die Hand – und dieser ergriff sie, ohne zu zögern. Auch die Fachwelt zweifelt, ob aus zwei Lahmen ein Gesunder werden könne.

Was die Märkte denken, wird sich heute, Montag, weisen, wenn der 14-Sterne-Konzern in Paris und Mailand an die Börse kommt.

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Foto: Imago / Baptiste Roman / Hans Lucas
E-Autos, Digitalisi­erung, autonomes Fahren: Die Autobranch­e steckt mitten in einer historisch­en Umbruchpha­se. Foto: Imago / Baptiste Roman / Hans Lucas

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