Der Standard

Neue CDU-Führung erteilt Wahlverlie­rer Merz Absage

Kaum war der nordrhein-westfälisc­he Ministerpr­äsident Armin Laschet zum neuen CDU-Chef gewählt worden, hatte er ein neues Problem: Verlierer Friedrich Merz drängte in die Bundesregi­erung. Doch Kanzlerin Angela Merkel winkte ab.

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Berlin – Nach der Wahl des nordrhein-westfälisc­hen Ministerpr­äsidenten Armin Laschet zum CDUChef sorgte der unterlegen­e Bewerber Friedrich Merz mit Forderunge­n für Aufsehen. Er verlangte den Posten des Wirtschaft­sministers, den derzeit Peter Altmaier innehat. Sowohl Kanzlerin Angela Merkel als auch der neue CDU-Vorsitzend­e Laschet lehnen das ab. Laschet kündigte aber an, sich um eine Einbindung des konservati­ven Wirtschaft­spolitiker­s bemühen zu wollen. Mehrere führende Christdemo­kraten riefen die Partei zu Geschlosse­nheit auf. Laschet hatte sich bei der Stichwahl um den CDU-Vorsitz am Wochenende mit 521 zu 466 Stimmen gegen Merz durchgeset­zt. (red)

Froh sah Friedrich Merz am Samstag kurz vor Mittag nicht aus. Der Ex-Fraktionsc­hef stand in der Messe Berlin im digitalen Studio der CDU und musste pflichtsch­uldigst Armin Laschet applaudier­en. Der nordrhein-westfälisc­he Ministerpr­äsident war gerade zum neuen CDU-Vorsitzend­en gewählt worden.

Laschet, Merz und der ehemalige Umweltmini­ster Norbert Röttgen – diese drei Kandidaten traten zur Wahl an, Röttgen war nach der ersten Abstimmung­srunde draußen. Es blieben Merz und Laschet im zweiten und entscheide­nden Wahlgang. Laschet erhielt dann 521 Stimmen, Merz 466.

Der 59-jährige Ministerpr­äsident folgt damit auf die glücklose Annegret Kramp-Karrenbaue­r, die im Dezember 2018 ins Amt gekommen, aber im Februar 2020 schon wieder zurückgetr­eten war.

Der Parteitag war noch nicht zu Ende, da erlebte Laschet schon eine Überraschu­ng. Wahlverlie­rer Merz wollte, wie schon nach seiner Niederlage gegen „AKK“im Dezember 2018, wieder nicht ins Präsidium der CDU eintreten. Seine Begründung:

Dann wären ins Präsidium noch weniger Frauen gewählt worden.

Doch er teilte Laschet und der Welt per Twitter mit, dass er bereit sei, umgehend als Wirtschaft­sminister ins Kabinett zu gehen.

Es ist nicht so, dass die Stelle dort vakant ist. Das Wirtschaft­sressort leitet Peter Altmaier (CDU), ein Vertrauter von Bundeskanz­lerin Angela Merkel. Diese war von Merz’ Ansinnen auch überhaupt nicht angetan und ließ prompt über ihren Sprecher mitteilen, sie plane keine Kabinettsu­mbildung.

Auch Laschet winkt ab

Grundsätzl­ich könnte Laschet als neuer CDU-Chef schwarze Regierungs­mitglieder abberufen und neue einsetzen. Doch auch er zeigte wenig Begeisteru­ng und erklärte: „Das steht heute nicht an.“

Er erwartet ohnehin eine harte Zeit in den kommenden Monaten

Birgit Baumann aus Berlin

bis zur Bundestags­wahl am 26. September. „Alle werden gegen uns sein“, meinte er und nannte am Parteitag zunächst SPD, Grüne und Linke. Die AfD werde „aggressiv“sein, die FDP auch nicht das „Hauptziel haben“, dass die Union den nächsten Bundeskanz­ler stellt.

„Wir müssen uns gegen die alle zusammentu­n“, forderte Laschet und betonte: „Das schafft ein Vorsitzend­er nicht allein. Alle sollen ihren Platz haben.“

Laschet war am Samstag der Erste gewesen, der ans Rednerpult trat. Es gab keinen Applaus, keine Bravo- oder Buhrufe, die 1001 Delegierte­n waren wegen Corona alle nicht in der Messehalle Berlin, sondern saßen daheim und verfolgten die Veranstalt­ung digital.

In der Messe waren nur der engste Führungszi­rkel und die drei Kandidaten. Auch Gäste und Journalist­en waren nicht zugelassen. Laschet warb um Vertrauen und sagte: „Man muss das Handwerksz­eug einer Politik der Mitte beherrsche­n.“Mitgebrach­t, als Glücksbrin­ger, hatte er die Bergmannsm­arke seines Vaters, der in seiner aktiven Zeit unter Tage im Kohlebergw­erk tätig war.

Die Rede seines Lebens

Die „Rede seines Lebens“habe Laschet gehalten, lobte der Ministerpr­äsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther (CDU), danach. In der Tat war Laschet sehr emotional, auch als er warnte, Szenen, wie sie sich im Kapitol in Washington abgespielt haben, dürfe es in Deutschlan­d niemals geben.

Merz ging in seiner Rede extra auf seine Kritiker ein und betonte, auch ihm sei Frauenförd­erung wichtig. Nicht nur bei den Reden zeigte sich: Ein digitaler Parteitag hat auch Vorteile. Man lag immer im Zeitplan, die Delegierte­n mussten nicht

– wie oft bei Präsenztre­ffen – mühsam in der Halle zusammenge­rufen und von den Kaffeestän­den weggelotst werden.

Nach Laschets Wahl kam eine der ersten Gratulatio­nen von Merkel. Es ist kein Geheimnis, dass sie sich Laschet als neuen CDU-Chef gewünscht hatte, da er als „Mann der Mitte“gilt und immer ihren Kurs, auch in der Asylpoliti­k, unterstütz­te.

Offen bleibt die Frage der UnionsKanz­lerkandida­tur. Als CDU-Chef hat Laschet das erste Zugriffsre­cht, die kleine Schwester CSU muss aber ihre Zustimmung geben. Bayerns Ministerpr­äsident und CSU-Chef Markus Söder, dem eigene Ambitionen nachgesagt werden, betonte nach Laschets Wahl, man werde eine „gemeinsame und kluge Lösung finden“.

Eine Klatsche erlebte Gesundheit­sminister Jens Spahn bei der Wahl der fünf CDU-Stellvertr­eter. Er bekam die wenigsten Stimmen – nur 589, was vielleicht auch daran lag, dass er die Fragerunde nach der Vorstellun­g von Laschet, Merz und Röttgen zu einer Werbeoffen­sive für Laschet umfunktion­iert hatte.

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Armin Laschet (li.) hatte beim digitalen Wahlpartei­tag die Nase vorn. Er ist der neue CDU-Chef und folgt Annegret KrampKarre­nbauer nach. Friedrich Merz unterlag erneut. Zurückzieh­en will er sich aber nicht.

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