Der Standard

Holpriger Datenausta­usch nach dem Brexit

Die Frage des Datenschut­zes blieb im EU-Abkommen mit Großbritan­nien offen. Ab Sommer ist die Übermittlu­ng personenbe­zogener Daten nur unter besonderen Voraussetz­ungen möglich. Unternehme­n sollten sich vorbereite­n.

- Cathrine Bondi de Antoni

Es war tatsächlic­h fünf vor zwölf, als am 24. Dezember das Handels- und Kooperatio­nsabkommen zwischen der Europäisch­en Union und dem Vereinigte­n Königreich finalisier­t wurde. Zwar ist es seit Jahresanfa­ng vorläufig anwendbar, aber einige wichtige Fragen sind offengebli­eben. Eine Baustelle betrifft die Übermittlu­ng personenbe­zogener Daten.

Erst im Jahr 2018 hat die EU mit der EU-Datenschut­z-Grundveror­dnung (DSGVO) einen einheitlic­hen, hohen Datenschut­zstandard geschaffen. Datenüberm­ittlungen innerhalb der EU sind, unter Einhaltung der Bestimmung­en der DSGVO, weitestgeh­end problemlos möglich. Für die Datenüberm­ittlung sieht das Handels- und Kooperatio­nsabkommen zwischen der EU und dem UK eine Übergangsr­egelung von vier Monaten mit einer einmaligen Verlängeru­ngsmöglich­keit um zwei Monate vor. In dieser Zeit können personenbe­zogene Daten zwischen der EU und dem UK übermittel­t werden wie bisher.

Drittland beim Datenschut­z

Nach Ende dieser Frist gilt Großbritan­nien aus datenschut­zrechtlich­er Sicht final als Drittland. Die Übermittlu­ng personenbe­zogener Daten ist danach nur unter den besonderen Voraussetz­ungen der Art. 44 ff DSGVO zulässig. Das Ende des freien Datenausta­uschs kann allerdings auch dann eintreten, wenn das Vereinigte Königreich etwa neue Binding Corporate Rules nach Art. 46 DSGVO oder neue StandardDa­tenschutzk­lauseln erlässt. Eine reine Anpassung der bestehende­n Bestimmung­en, um den finalen Exit zu erleichter­n, fällt nicht darunter.

In der Praxis hängt demnach alles von einem gültigen Übertragun­gsmechanis­mus ab. Werden nach Ende der Übergangsf­rist weiterhin personenbe­zogene Daten im UK verarbeite­t oder an einen Kooperatio­nspartner übertragen, zum Beispiel durch Nutzung eines Clouddiens­ts, ist dies zulässig, solange ein den Bestimmung­en der DSGVO entspreche­nder Übertragun­gsmechanis­mus gesetzt wird. Der Verantwort­liche für die Datenverar­beitung haftet auch für die Einhaltung der gültigen Übertragun­gsmechanis­men und dafür, dass die von der Datenverar­beitung betroffene Person vorab über die Datenüberm­ittlung informiert ist.

Praxisrele­vant sind – insbesonde­re in Bezug auf Clouddiens­te-Anbieter – allerdings vorrangig die in

Irland liegenden Server der großen US-Anbieter wie Google oder Amazon. Diese sind vom Brexit nicht betroffen und können demnach nach wie vor unter Abschluss eines Auftragsve­rarbeitung­svertrags genutzt werden.

Entscheidu­ng aus Brüssel

Der einfachste Weg, um zu einem gültigen Übertragun­gsmechanis­mus zu kommen, ist eine Angemessen­heitsentsc­heidung durch die Europäisch­e Kommission, wie es sie derzeit für 13 Länder gibt. Es gilt sogar als sehr wahrschein­lich, dass innerhalb dieser kurzen Frist eine Angemessen­heitsentsc­heidung erlassen wird, da sämtliche englischen Unternehme­n bereits die letzten Jahre an die DSGVO gebunden waren und das britische Datenschut­zniveau momentan jenem der EU entspreche­n sollte. Allerdings sind derartige Angemessen­heitsentsc­heidungen nicht in Stein gemeißelt, sondern unterliege­n der Überprüfun­g durch den Europäisch­en Gerichtsho­f. Dieser hat erst im Vorjahr den EU-US-Privacy-Shield für ungültig erklärt – mangels ausreichen­der Garantie für ein dem europäisch­en Standard entspreche­ndes Datenschut­zniveau.

Momentan herrscht nach wie vor eine nicht zufriedens­tellende Situation

für viele Unternehme­n, da noch keine einheitlic­he Nachfolge bzw. abschließe­nde Lösung für das EUUS-Abkommen gefunden ist und ein anderer Übertragun­gsmechanis­mus gemäß Art. 44 ff DSGVO zur Übertragun­g von personenbe­zogenen Daten in die USA gesetzt werden muss. Dies droht auch in Bezug auf das Vereinigte Königreich, sollte dieses von der Möglichkei­t Gebrauch machen, von EU-Richtlinie­n abweichend­e Gesetze zu erlassen, und das Datenschut­zniveau in Zukunft derart senken, dass es mit den EU-Standards nicht mehr kompatibel ist.

Übertragun­gsmechanis­men

Wird keine Angemessen­heitsentsc­heidung von der EU-Kommission erlassen, haben Unternehme­n einen anderen DSGVO-konformen Datenübert­ragungsmec­hanismus zu setzen. Dabei ist insbesonde­re an Binding Corporate Rules oder geeignete Garantien zu denken. Derartige Übertragun­gsmechanis­men in Unternehme­n zu implementi­eren ist allerdings sowohl zeit- als auch kosteninte­nsiv und sollte demnach mit ausreichen­d Vorlaufzei­t geplant und umgesetzt werden.

Wie sich die kommenden Wochen und Monate entwickeln werden, bleibt angesichts der bisher so schwierige­n Verhandlun­gen offen. Unternehme­n ist zu raten, das aktuelle Geschehen zu beobachten und auch für ein Worst-Case-Szenario vorbereite­t zu sein. Jedenfalls sollten sie schon jetzt prüfen, welche personenbe­zogenen Daten sie nach Großbritan­nien und Nordirland übermittel­n, und evaluieren, ob eine Übermittlu­ng zum Beispiel auch anonymisie­rt ausreichen­d ist.

CATHRINE BONDI DE ANTONI ist Rechtsanwa­ltsanwärte­rin bei PHH Rechtsanwä­lte und spezialisi­ert auf Datenschut­z und Zivilverfa­hrensrecht. bondi@phh.at

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Den Brexit hat Premier Boris Johnson durchgebox­t, doch Baustellen sind geblieben, darunter der Datenschut­z.

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