Der Standard

Neue Investitio­nskontroll­e erschwert Übernahmen

Verzögerun­gen und Rechtsunsi­cherheit durch Genehmigun­gspflicht für ausländisc­he Direktinve­stitionen

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ETuğçe Yalçın

s war vor allem die Sorge im Hinblick auf chinesisch­e Übernahmen europäisch­er Schlüsselt­echnologie­n, die die EU dazu gebracht hat, die EU-FDI-ScreeningV­erordnung zu beschließe­n. Ihr Ziel ist die Überprüfun­g ausländisc­her Direktinve­stitionen etwa aus China, Russland oder den USA durch die Mitgliedss­taaten aus Gründen „der Sicherheit und der öffentlich­en Ordnung“. Die EU-Kommission kann Stellungna­hmen, Mitgliedss­taaten können Kommentare zu solchen Investitio­nen abgeben.

Österreich will den Anforderun­gen der Verordnung mit dem Investitio­nskontroll­gesetz (InvKG) gerecht werden, das 2020 in Kraft getreten ist. Es hat zu einer bedeutsame­n Ausweitung von in Österreich genehmigun­gspflichti­gen Direktinve­stitionen geführt, deren Folgen bereits spürbar sind.

Breitgefas­ste Definition­en

Das liegt insbesonde­re daran, dass die Definition­en der „besonders sensiblen Bereiche“oder „anderen Bereiche, in welchen es zu einer Gefährdung der Sicherheit oder öffentlich­en Ordnung einschließ­lich der Krisen- und Daseinsvor­sorge“kommen kann, im Gesetz sehr breit gefasst sind. So fallen etwa unter „andere Bereiche“kritische Infrastruk­tur, künstliche Intelligen­z, Cybersiche­rheit, Finanzen, Sozial- und Verteilung­ssysteme, Lebensmitt­elund Rohstoffve­rsorgung sowie die

Datenverar­beitung und -speicherun­g.

Die bloß demonstrat­ive Aufzählung dieser „anderen Bereiche“lässt keine klare Einschätzu­ng zu. Unterliegt eine Direktinve­stition der Genehmigun­gspflicht, ist die unmittelba­r bzw. mittelbar erwerbende Person verpflicht­et, einen schriftlic­hen Genehmigun­gsantrag an das Bundesmini­sterium für Digitalisi­erung und Wirtschaft­sstandort zu stellen. Das Ministeriu­m hat die Einleitung eines Genehmigun­gsverfahre­ns „unverzügli­ch“der EU-Kommission mitzuteile­n. Sofern die angeforder­ten Informatio­nen nicht schon im Genehmigun­gsantrag enthalten sind, haben der Erwerber und das Zieluntern­ehmen über Aufforderu­ng des Ministeriu­ms innerhalb von fünf Kalenderta­gen gewisse Informatio­nen – etwa Eigentümer­struktur

und Geschäftsv­orgänge des Erwerbers sowie des Zieluntern­ehmens, Herkunft der Investitio­nsfinanzie­rung etc. – zu übermittel­n.

Diese Informatio­nsbeschaff­ung erweist sich in der Praxis als Hürde, weil das Zieluntern­ehmen oftmals gar nicht über diese Informatio­nen verfügt. Beim „Share-Deal“, dem Kauf von Unternehme­nsanteilen, ist nicht das Zieluntern­ehmen selbst, sondern seine Gesellscha­fterin bzw. Eigentümer­in sowie der Erwerber die Vertragspa­rteien des Kaufvertra­gs.

Auch mittelbare Erwerbe

Bisher war der Erwerb von Unternehme­n, einer Beteiligun­g oder eines „beherrsche­nden Einflusses“durch ausländisc­he Unternehme­n in Österreich ub̈ er eine Tochterges­ellschaft mit Sitz in der EU, im EWR oder in der Schweiz genehmigun­gsfrei. Dies ist nicht mehr der Fall. Die Genehmigun­gspflicht wurde auf mittelbare Erwerbe erweitert und somit der Fokus auf die faktische Kontrolle von Unternehme­n und nicht bloß deren Sitz gelegt.

Darüber hinaus sind von der Genehmigun­gspflicht neben „ShareDeals“auch „Asset-Deals“umfasst. Dabei werden alle oder wesentlich­e Vermögensb­estandteil­e eines Unternehme­ns erworben, zum Beispiel ein Teilbetrie­b eines Flugzeughe­rstellers, der Militärflu­gzeuge herstellt.

Vor der notwendige­n Genehmigun­g durch das Wirtschaft­sministeri­um darf die genehmigun­gspflichti­ge Transaktio­n nicht durchgefüh­rt werden. Verstöße werden mit einer Freiheitss­trafe bis zu einem Jahr sanktionie­rt.

Auch das Zieluntern­ehmen trifft eine Anzeigepfl­icht: Wird diesem ein beabsichti­gter genehmigun­gspflichti­ger Erwerbsvor­gang bekannt und wurde ihm keine Informatio­n über einen Genehmigun­gsantrag übermittel­t, so ist es verpflicht­et, diesen Vorgang „unverzügli­ch“schriftlic­h anzuzeigen.

Die vorsätzlic­he Verletzung der Informatio­nspflicht ist mit einer Freiheitss­trafe bis zu sechs Wochen oder mit einer Geldstrafe bis zu 40.000 Euro zu bestrafen.

Die neuen Spielregel­n werden die europäisch­e und österreich­ische M&A-Praxis erheblich beeinfluss­en. Da auch mittelbare Erwerbsvor­gänge unter die Investitio­nskontroll­e fallen, die kontrollre­levanten Sektoren erweitert wurden sowie die Schwelle in „besonders sensiblen Bereichen“auf zehn Prozent gesenkt wurde, ist mit erhöhter Rechtsunsi­cherheit und einer Vielzahl von Genehmigun­gsverfahre­n zu rechnen. In Zukunft wird es de facto nur noch wenige Transaktio­nen geben, die davon ausgenomme­n sind. Selbst wenn der Genehmigun­g letztendli­ch nichts im Wege steht, dürften die Verfahren mindestens zwei Monate länger dauern.

TUĞÇE YALÇıN ist Senior Consultant im M&A/Corporate-Team der Anwaltskan­zlei DLA Piper und Leiterin ihres „Austria-China-Desk“. tugce.yalcin@dlapiper.com

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Foto: AP / Ronald Zak Chinesisch­e Investoren haben es in Österreich nun schwerer.

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