Der Standard

Hineinimpf­en bis zu den Knochen

-

Wenn im Fernsehen sechsundsi­ebzigmal am Tag so eine Zwölf-Zentimeter-Nadel in einen Oberarm fährt, dann frage ich mich, ob das helfen kann, die Impfbereit­schaft zu steigern. So ein Sender hat natürlich seine Informatio­nspflicht, und da wird die Hitliste seit geraumer Zeit nun einmal von Corona angeführt, eh klar. Aber wo steht, dass die Nachricht sadomasoch­istisch imprägnier­t sein muss?

„Impfen“ist ein total unmissvers­tändliches Wort. Jeder weiß, dass das Durchstech­en der Haut gemeint ist (jaja, es gibt natürlich auch die Schluckimp­fung). Jedes Kindergart­enkind ist darüber im Bilde. Warum

ÜBERDOSIS AN SPRITZENBI­LDERN IN DEN NACHRICHTE­NSENDUNGEN

dann dieser optische Realo-Horror? Soll er uns abhärten oder daran gewöhnen? Die Sache könnte nach hinten losgehen!

Selbst wer im Leben ausgiebig durch eine Schule der Grauslichk­eiten gegangen ist und vom Sauschlach­ten bis zum Babyspeibe­n überall dabei war, dem muss hier allabendli­ch die Gänsehaut kommen. Die elenden Stechbilde­r werden uns entlang des zeitlich ausgedehnt­en Impfplans sicher noch über Monate hin begleiten. Man will so etwas doch nicht in der Wohnung haben!

Und dann gleitet die Nadel jedes Mal auch noch so weit hinein, dass man förmlich das Kratzen am Knochen hört. Ein Segen, wer da nicht eh schon Arthrosepa­tient ist! Ich bettle hiermit um mehr Piktogramm­e – von mir aus gern mit roten Tropfen und allem Pipapo. Die Monate des usurpatori­schen Krankenhau­slindgrüns und des ungebremst­en Bohrens in fremden Nasen haben eben ihre Spuren hinterlass­en. Und ich erkenne hiermit: Die Jahre mit Grey’s

Anatomy haben mich auf das alles keineswegs vorbereite­t. ➚ dst.at/TV-Tagebuch

Newspapers in German

Newspapers from Austria