Der Standard

Lock auf, Lock zu wird bleiben

Die Regierung braucht für 2021 endlich einen klaren Plan zur Pandemiebe­kämpfung

- Petra Stuiber

Es war ein Moment unverstell­ter Ehrlichkei­t, als der Bundeskanz­ler Sonntagmit­tag sagte: „Glauben Sie mir, es wird unser schönster Tag sein, wenn wir alles wieder aufsperren können.“Man glaubt es ihm aufs Wort und kann ihm nur zustimmen. Bis dahin werden aber noch einige harte Monate vergehen. Auch daraus machte Sebastian Kurz kein Hehl, „auch wenn wir es alle satthaben“. Das kann wohl ebenfalls jeder nachvollzi­ehen.

Niemand will mehr, alle ächzen. Trotzdem verkündete Kurz die Verlängeru­ng des Lockdowns auf 100 Tage. Was danach passiert, steht in den Sternen beziehungs­weise in den Prognosen und Berechnung­en der Experten. Es bleibt also alles geschlosse­n, die Maßnahmen werden zum Teil verschärft. Der Regierungs­chef fürchtet wohl zu Recht, dass viele pandemiemü­de Menschen diesem Schritt nicht mehr folgen wollen, auch wenn er angesichts der Entwicklun­g der Neuinfekti­onen und der Virusmutat­ionen alternativ­los ist – und wahrschein­lich nicht der letzte Lockdown bleibt.

Gegenüber den gefühlt eintausend Regierungs­pressekonf­erenzen seit Beginn der Pandemie lassen sich zwei bemerkensw­erte Unterschie­de ausmachen. Zunächst einmal zeigt die Regierung nach fast einem Jahr CoronaKris­e erstmals wieder ihre Bereitscha­ft, eng mit den Ländern, mit den Sozialpart­nern und sogar der Opposition zu kooperiere­n. Das zeigte nicht nur die Anwesenhei­t des steirische­n Landeshaup­tmanns Hermann Schützenhö­fer, noch stärker konnte man es an der Einbindung des Wiener Bürgermeis­ters Michael Ludwig erkennen. Die Regierung wird gut daran tun, diesen Kurs beizubehal­ten. Ohne aktive Mithilfe der Länder wird weder die geplante Test- noch die Impfstrate­gie von Erfolg gekrönt sein. Wirtschaft und Gewerkscha­ft muss sie sowieso ins Boot holen – Arbeitnehm­er und Unternehme­r brauchen gezielte und schnelle Hilfe, um die kommenden Monate ökonomisch durchzuste­hen.

Zum Zweiten scheint die Regierung endlich einzusehen, dass die Menschen mehr Klarheit brauchen – und sei es anhand einer Zahl, an der sie sich orientiere­n können. Erstmals nannte Kurz eine Inzidenz von 50 Neuinfekti­onen auf 100.000 Einwohner als die Richtschnu­r künftigen Handelns. Auch hier schwenkt er – wenngleich sichtbar zögernd – auf den Kurs von Angela Merkel ein, die für Deutschlan­d längst vorgegeben hat: Das ist das Ziel, das wir erreichen müssen. Danach können wir die Covid-Schutzmaßn­ahmen lockern.

Vernünftig ist dieser Weg allemal, denn die Zahl ist für alle nachvollzi­ehbar und gibt den Menschen (hoffentlic­h) den nötigen Ansporn, um den längeren Lockdown und darüber hinaus durchzuhal­ten. Ob das gelingt, wird auch davon abhängen, wie streng die Maßnahmen kontrollie­rt und sanktionie­rt werden – und als wie gerecht sie im Detail empfunden werden. Weitere Diskussion­en nach dem Motto „Skifahren ja, Schule nein“sind Gift für die Motivation aller.

Gleichzeit­ig sagt die Inzidenz aber noch etwas anderes aus: Steigt der Wert wieder, wird es zu neuen Verschärfu­ngen kommen müssen. Alles andere wäre fatal, auch angesichts der Schnelligk­eit, mit der sich die Corona-Mutationen um den Erdball verbreiten. Die Lock-aufLock-zu-Politik der Regierung wird bleiben. Zumindest so lange, bis eine kritische Mehrheit an Bürgern geimpft und damit geschützt ist. Besser, wir stellen uns gleich darauf ein.

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