Produktionsengpass bei Impfstoff trifft auch Österreich
Laut Regierung 20 Prozent weniger Dosen Pfizer will Lieferung im Februar nachholen
Wien/Brüssel – Der Lieferengpass des Impfstoffherstellers Pfizer trifft auch Österreich. Kurzzeitig werden ein Fünftel weniger Dosen für Corona-Schutzimpfungen zur Verfügung stehen als geplant. Die Lieferung werde zwar im Februar nachgeholt, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Montag, dennoch sei das „nicht wünschenswert“, man müsse nun die „Strategie adaptieren“.
In den Bundesländern zeigte man sich von der Neuigkeit überrascht – auch wenn schon am Wochenende eine Nachricht vom Sonderbeauftragten des Gesundheitsministeriums an die Länder gegangen war, die den Engpass thematisiert hatte. Einige Bundesländer werden nun weniger Erstimpfungen vergeben, damit sichergestellt ist, dass jene, die bereits geimpft wurden, ihre zweite Impfung bekommen. Die Steiermark rechnet mit einer Verzögerung des nächsten Impfdurchgangs um etwa eine Woche.
Auch wegen dieser Unsicherheiten pocht Kurz nun auf eine rasche Zulassung des Impfstoffs von Astra Zeneca. Sollte das nicht gelingen, „würde mir irgendwann der Geduldsfaden reißen“, sagte der Kanzler im Gespräch mit Puls 4. Im ersten Quartal sollte Österreich zwei Millionen Dosen erhalten. Im Interview räumt Kurz außerdem ein, dass andere Staaten mit ihren Bestellungen rückblickend gesehen schneller gewesen seien als Österreich, das sich der gemeinsamen EU-Impfstoffstrategie angeschlossen hatte. Das sei aber nicht vorhersehbar gewesen.
Astra Zeneca liefert Daten
Eben diese Zulassung wackelt nun jedoch. Grund dafür ist, wie DER STANDARD erfuhr, eine unklare Datenlage darüber, wie gut der Impfstoff bei älteren Personen wirkt. Diese soll für manche Experten der Zulassungsbehörde EMA nicht ausreichend sein. Laut einem Experten, der in die Umsetzung der europäischen Impfstrategie involviert ist, gibt es diesbezüglich „großes Kopfzerbrechen überall“.
Astra Zeneca selbst betonte, dass der Impfstoff in allen Altersgruppen wirksam sei, und kündigte an, weitere Daten zu liefern. Sollte es zu einer Teilzulassung, etwa nur für Personen unter 55 Jahren, kommen, wäre das imagetechnisch wohl ein Problem für die österreichische Regierung: Immerhin ist der Impfstoff von Astra Zeneca jener, mit dem die breite Bevölkerung durchgeimpft werden sollte. (red)
Jede Woche zählt, betonte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nach einer Videokonferenz mit den sogenannten „First Mover“-Ländern am Montag. Darum könne es mit der Zulassung des Impfstoffs der Firma Astra Zeneca nicht schnell genug gehen. Gemeinsam mit Dänemark und Griechenland wolle Kurz also in der EU darauf drängen, dass die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) den Impfstoff rasch und unbürokratisch zulässt.
Doch im Hintergrund macht sich Sorge breit, wenn es um die Verfügbarkeit der Covid-Impfstoffe geht. Wie DER STANDARD erfuhr, ist derzeit fraglich, ob der ersehnte Impfstoff von Astra Zeneca tatsächlich die volle Zulassung bekommen kann.
Lieferengpässe bei Pfizer
Dazu – das könnte ein Grund für die Eile des Kanzlers sein – kommen Lieferprobleme bei dem bereits zugelassenen Impfstoff von Pfizer. Kurzfristig werden ungefähr 20 Prozent weniger Impfstoff für Österreich zur Verfügung stehen, die Lieferung solle aber im Februar nachgeholt werden, sagte Kurz. Das sei „nicht wünschenswert“, aber „wir müssen unsere Strategie adaptieren“.
Doch was bedeutet Pfizers Lieferengpass für den heimischen Impfplan? In vielen Bundesländern zeigte man sich über die Kunde überrascht. Aus Salzburg etwa heißt es, man habe selbst erst am Montagvormittag aus den Medien vom Engpass erfahren – auch wenn der Corona-Sonderbeauftragte des Gesundheitsministeriums schon am Freitag die Länder per E-Mail über eine vorübergehende Knappheit informiert hatte. Er ging gar davon aus, dass die Liefermenge von Pfizer diese Woche um 40 Prozent einbrechen wird.
Über das Wochenende erfuhr das Büro von Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker
(SPÖ) dann, dass es doch „nur“ein Minus von 20 Prozent sein soll, das in den Kalenderwochen sieben und acht wieder aufgeschlagen werden soll. In Wien entfallen diese Woche 3500 Pfizer-Impfdosen. Man löst das Problem, indem es in dieser und in der nächsten Woche weniger Erstimpfungen geben wird. Wichtiger sei es, die Zweitstiche zu garantieren, die drei Wochen später erfolgen müssen, erklärt ein Sprecher Hackers. So wird auch das SPÖ-geführte Burgenland verfahren, auch aus Kärnten – dort werden 1100 Dosen fehlen – sind ähnliche Pläne zu hören. Aus Tirol heißt es, wichtig sei nun, dass die zweiten Impfungen nach den bisher stattgefundenen Erstimpfungen gesichert seien, so ein Sprecher.
In der Steiermark wiederum rechnet die Landesregierung wegen der Lieferschwierigkeiten bei Pfizer mit einem um eine Woche verzögerten Start der nächsten Impfwelle.
Sorge um Astra-Zeneca-Zulassung
Was den Impfstoff von Astra Zeneca betrifft, so zerbrechen sich in Brüssel wie in Wien Vertreter von Wissenschaft und Politik den Kopf über dessen Wirksamkeit bei älteren Personen. Der Zulassungsantrag der britisch-schwedischen Firma für den an der Universität Oxford entwickelten Impfstoff gegen Covid-19 ging am Dienstag vergangener Woche bei der EMA ein.
Doch in Brüssel geht die Sorge um, dass es bei der für 29. Jänner geplanten EU-Zulassung des dritten Covid-19-Impfstoffs Probleme geben könnte. Grund dafür ist ein Evidenzproblem. Manchen EMA-Experten reicht das Datenmaterial aus den Versuchsreihen im Herbst vorläufig nicht aus. Bei den über 65-Jährigen sei die Wirksamkeit nicht überzeugend geklärt, anders als bei den Produkten von Biontech und Moderna, die über 90 Prozent Wirksamkeit nachweisen konnten. Insgesamt weist der Astra-Zeneca-Impfstoff eine Wirksamkeit von 70 Prozent auf, was, etwa verglichen mit Grippevakzinen, ein sehr guter Wert ist.
„Großes Kopfzerbrechen“
Dem STANDARD wurde von einem hochrangigen Experten, der in die Umsetzung der europäischen Impfstrategie eingebunden ist, bestätigt, dass es diesbezüglich „großes Kopfzerbrechen überall“gebe. Bei Astra Zeneca gebe es Mängel bei der „belegbaren Wirksamkeit“bei Menschen über 65. Das müsse nicht mit einem höheren Risiko beim Verimpfen verbunden sein, doch der Schutz vor einer Corona-Infektion sei womöglich geringer.
Wie die Entscheidung der EMA ausfällt, ist im Moment offen. Für die Regierungschefs und die Kommissionspräsidentin würde sich bei nur teilweiser Zulassung ein politisches Problem ergeben. Zum einen spielt der Impfstoff von Astra Zeneca eine große Rolle in der EU-Impfstrategie. Schon am 27. August 2020 hat die Kommission 400 Millionen Dosen für alle 27 Mitgliedsländer gekauft.
Um auf Nummer sicher zu gehen, wird überlegt, den Astra-Zeneca-Impfstoff bei einer Zulassung durch die EMA nur in der Alterskategorie bis 55 Jahre zu bewilligen. Bei einer Teilzulassung wäre es aber schwierig, der breiten Bevölkerung zu erklären, dass es Impfstoffe unterschiedlicher Qualität gebe, hieß es gegenüber dem STANDARD aus Regierungskreisen in Wien.
Zudem könnte das Fragen aufwerfen, denn in Großbritannien zum Beispiel wird der Impfstoff im Rahmen einer Notzulassung in allen Altersgruppen angewendet.
Aus dem Gesundheitsministerium heißt es dazu, man dürfe nicht außer Acht lassen, dass das aber auch die Datenlage verbessern könnte. Man habe jedoch durch die beiden anderen bereits zugelassenen Impfstoff einen Puffer, um die Impfstrategie beizubehalten. Dennoch würde eine Teilzulassung das Tempo drosseln.
Sollte es zu der beschränkten EMA-Zulassung kommen, müsste es in der EU wahrscheinlich zu Umschichtungen bei den Impfplänen kommen. Über 55-Jährige müssten dann mit den verfügbaren Dosen von Biontech und Moderna geimpft werden. Sollte es keine Zulassung des Astra-Zeneca-Impfstoffes für über 55-Jährige oder für über 65-Jährige geben (eine Entscheidung steht noch aus), könnte das bedeuten, dass der bestellte Impfstoff zuerst bei Jüngeren zum Einsatz kommt, hieß es aus Ratskreisen.
Denkbar ist aber auch, dass die EMA die Zulassungsentscheidung Ende Jänner noch einmal verschiebt, bis Astra Zeneca mehr Daten zur Verfügung stellt, die zu liefern, habe die Firma zugesagt.
Daten werden nachgeliefert
Auf STANDARD-Anfrage hieß es von Astra Zeneca, in der im Fachjournal Lancet veröffentlichten Phase-III-Zulassungsstudie seien Personen aller Altersstufen über 18 eingeschlossen gewesen. „Alle zurzeit verfügbaren Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit für die ganze Population wurden bei der EMA eingereicht“, sagte Astra Zenecas Medical Director in Österreich, Botond Ponner.
Zudem hätten ebenfalls in Lancet veröffentlichte Ergebnisse der Phase-II/III-Studie mit AZD1222 gezeigt, dass das Vakzin „in allen Altersgruppen ähnlich robuste Immunantworten gegen Sars-CoV-2 hervorrief, wobei bei älteren Erwachsenen (56 bis 70 Jahre) sogar seltener und geringere lokale und systemische Reaktionen auftraten“.