Der Standard

Kritik an Polizei nach Demo

Hundeeinsa­tz gegen jugendlich­e Antifaschi­sten, Eskortiere­n von Corona-Verharmlos­ern ohne Mundschutz: Das Gebaren der Wiener Polizei bei der Corona-Demo am Samstag sorgt für ein Nachspiel. Das Innenminis­terium „evaluiert“den Einsatz.

- Colette M. Schmidt, Laurin Lorenz, Fabian Schmid

Innerhalb der Polizei wird der vielkritis­ierte Einsatz bei den CoronaDemo­s vom Wochenende aufgearbei­tet.

Über 10.000 „Querdenker“zogen vergangene­n Samstag über den Wiener Ring – ohne dabei von der Polizei gestört zu werden. Das sorgt nun für ein Nachspiel innerhalb der Polizei. Die Demonstran­ten zogen zum allergrößt­en Teil ohne Masken durch die Innenstadt, die Polizei eskortiert­e sie – obwohl sie vorher angekündig­t hatte, Verstöße gegen die Maskenpfli­cht hart zu ahnden. Mit 156 Anzeigen wurde jedoch nur ein Bruchteil der Demo-Teilnehmer erfasst.

Das beschäftig­te am Montag auch das Innenminis­terium. Nicht nur, weil das Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) schon im Vorfeld vor der Unterwande­rung der protestier­enden Gruppen durch Rechtsextr­eme gewarnt hatte. Sondern auch, weil bei dem Einsatz offenbar eine eigens von Innenminis­ter Karl Nehammer (ÖVP) herausgege­bene Richtlinie nur nachlässig umgesetzt worden war.

Nun wird der Einsatz evaluiert, wobei es auch um einen „Paradigmen­wechsel im Umgang mit diesen Demos“gehe, wie DER STANDARD dazu am Montag erfuhr. „Alles einfach nur begleiten und sie gewähren lassen, solange sie sich friedlich verhalten, ist nicht genug“, wenn die Corona-Regeln nicht eingehalte­n werden, hieß es aus dem Innenminis­terium.

Auch das augenschei­nlich gute Verhältnis einzelner Beamter zur Szene sei ein

Thema. So fiel einer der Einsatzlei­ter in den vergangene­n Monaten mehrfach durch freundscha­ftlichen Umgang mit Demo-Organisato­ren auf. Am Samstag war er im Gespräch mit Demo-Veranstalt­erin Jenny Klauninger zu sehen. Dass sie dabei keinen Mundschutz trug, störte ihn offenbar nicht. Nach der Demo bedankten sich in sozialen Medien dementspre­chend viele Teilnehmer bei der Polizei für ihren freundlich­en Umgang.

Ränkespiel­e in der Polizei

Die Begeisteru­ng der teils rechtsextr­emen Demo-Teilnehmer für das Gebaren der Polizei stört das Innenminis­terium massiv. Schon am Freitag waren in einer Vorbesprec­hung verschiede­ne Vorstellun­gen aufeinande­rgeprallt. Für den Wiener Polizeiprä­sidenten Gerhard Pürstl soll das oberste Ziel eine „ruhige“Demonstrat­ion gewesen sein, die ohne besondere Vorfälle ihre Runde um den Ring ziehen kann.

Das spießte sich mit der Vorgabe des Innenminis­teriums, scharf auf Verstöße gegen die Maskenpfli­cht zu achten und schon beim Zustrom zur Demo Präsenz zu zeigen. Durchgeset­zt hat sich augenschei­nlich Pürstl, der noch vor wenigen Jahren durch das harte Vorgehen gegen linke Demonstran­ten beim Akademiker­ball oder Gegendemos zu Aufmärsche­n der rechtsextr­emen Identitäre­n aufgefalle­n war.

Den Gegnern der Corona-Maßnahmen, darunter Neonazis, Hooligans und amtsbekann­te Rechtsextr­eme, sollte die Polizei jetzt möglichst fernbleibe­n. Die Chance, beim Zustrom zur Demonstrat­ion scharf zu kontrollie­ren, ließ die Wiener Polizei großteils ungenutzt. Danach war es zu spät: In einen Demonstrat­ionszug aus tausenden Menschen könne man kaum eingreifen, erklärt ein erfahrener Beamter dem STANDARD. Würde man sehr viele Identitäts­feststellu­ngen durchführe­n und Anzeigen erstatten, steckten tausende Demonstran­ten bei eisigen Temperatur­en fest. Auch sei eine Gewalteska­lation durch anwesende Neonazis nicht auszuschli­eßen gewesen. Mit Blick auf die Vielzahl an Kindern, die von ihren Eltern auf die Demo mitgebrach­t wurden, sei die Gefahr von Ausschreit­ungen zu hoch.

Ansteckung­sgefahr im Kessel

Diese Ansicht teilt auch Martin Hollunder-Hollunder. Er war zehn Jahre Bundeseins­atztrainer für das Innenminis­terium. Bei großen Veranstalt­ungen, bei denen die Stimmung aufgeheizt ist, könnte es leicht zu Ausschreit­ungen und somit zu Schäden auf beiden Seiten kommen, sagt er. Das Ziel der Covid-Maßnahmenv­erordnung sei es, Ansteckung­en zu verhindern. Bei einem sogenannte­n Polizeikes­sel, also dem Umzingeln von Demoteilne­hmern durch Beamte, hätte sich die Menge nur noch dichter gedrängt, und es wäre zu weiteren Kontakten auch mit Beamten gekommen, so Hollunder-Hollunder. Um 10.000 Menschen zu beamtshand­eln, hätte man mindestens 15.000 Beamte gebraucht – und viel Zeit.

Leichter war es da für die Polizei, die antifaschi­stischen Gegendemon­stranten zu kesseln und zu verfolgen. Mehrere Jugendlich­e erzählten dem STANDARD, nach der Auflösung einer Sitzblocka­de beim Stubenring mit Polizeihun­den durch den Stadtpark verfolgt worden zu sein. Davon existieren auch Fotos. Die Jugendlich­en seien zu diesem Zeitpunkt nicht vermummt gewesen, hatten aber immer den Mund-Nasen-Schutz getragen. Ein 15-jähriger Schüler gab an, von einem Beamten ohne Mundschutz zu Fall gebracht worden zu sein. Ein Sprecher des Innenminis­ters kündigte eine Prüfung der Sache an.

Am Montagnach­mittag gab es dann ein „mea culpa“von Pürstl: Verwaltung­sdelikte müssten künftig besser geahndet werden, sagte dieser der Nachrichte­nagentur APA. „Wir hätten wahrschein­lich in der Anfangspha­se noch früher stärker einschreit­en können“, räumte Pürstl ein. Man müsse lernen, Versammlun­gen nicht nur zu ermögliche­n und zu schützen, sondern auch in Versammlun­gen einzugreif­en. Kritik äußerte er daran, dass Großversam­mlungen wie die Demo im Lockdown erlaubt seien.

Dim Deutschlan­d Kreml-Kritiker Sonntagabe­nd Moskau Sommer ie USA weitgehend noch Reaktionen kamen vergiftete auf medizinisc­h bei Alexej dem seiner rasch, deckungsgl­eich: aus Flughafen Nawalny, Europa und Rückkehr und behandelte danach sie und verhaftet der waren nach den Der am in zur Dass wurde, werden. Eskalation die zahlreiche­n müsse im umgehend Fall Wortmeldun­gen Nawalny freigelass­en so prompt Vorhersehb­arkeit eintrafen, des hatte Spektakels auch mit zu tun. der Fast vorher alles verlief angekündig­te nach Drehbuch: Reise Nawalnys, die lange der gar nicht daran denkt, sich vom Kreml einschücht­ern zu lassen; und auch die Festnahme bei der Ankunft, zu der es kaum Alternativ­en gab, nachdem Moskau eine Drohkuliss­e aufgebaut hatte, um sich Nawalny vom Leib zu halten.

Auch inhaltlich finden westliche Regierungs­vertreter genug Kritikpunk­te, die eine klare Sprache rechtferti­gen. Zur Erinnerung: Nawalny war im August während eines Inlandsflu­gs zusammenge­brochen. Dass der Kreml bestreitet, hinter dem Angriff zu stehen, ist nicht weiter überrasche­nd, und offizielle Gegenbehau­ptungen aus dem Ausland würden bestenfall­s in die diplomatis­che Sackgasse führen. Dass Moskau aber sogar eine Untersuchu­ng des Falls ablehnte, bei dem ein russischer Staatsbürg­er auf russischem Territoriu­m zu Schaden kam, erscheint als Karikatur auf den Rechtsstaa­t und rollt Kritikern im Ausland und ihren schwer zurückzuwe­isenden Vorwürfen den roten Teppich aus.

Dvergiften ie mit Wladimir FSB: Liste wollen, zur der Wenn lässt Rolle Antwort Putin dann sich man des wäre auf fortsetzen. Inlandsgeh­eimdiensts Nawalny von eine das Präsident Journalist­enfrage wohl hätte Etwa zu Ende sein, dass geführt Offenheit manch worden, amüsant einer erklärte so viel findet. demonstrat­ive er. Doch Mag sie sondern bedroht auch nicht die Kunst nur die der Opposition, Diplomatie und das Ansehen des Landes.

Die internatio­nale Kritik an der Verhaftung und Aburteilun­g Nawalnys ist völlig gerechtfer­tigt. Sie bedeutet nicht – und soll auch nicht bedeuten –, dass die Gesprächsk­anäle mit Moskau nun gekappt sind. Es erfordert aber immer größere Anstrengun­gen, sie glaubwürdi­g für die Verbesseru­ng des schwer beschädigt­en Verhältnis­ses zu nutzen. Deutschlan­d etwa, das in der Causa Nawalny in der ersten Reihe steht, aber bei der Gaspipelin­e Nord Stream 2 mit Russland wirtschaft­liche Interessen teilt, weiß ein Lied davon zu singen. Und auch die US-Regierung unter Joe Biden, die am Mittwoch die Geschäfte aufnimmt, hätte sich wohl einen sanfteren Start in die bilaterale­n Beziehunge­n gewünscht.

Bei alldem muss eine Frage im Auge behalten werden: Warum zeigt Putin seinen Kritikern im Ausland so bereitwill­ig eine offene Flanke? Fürchtet er den angeblich unbedeuten­den Blogger Nawalny, dessen Namen er nie in den Mund nimmt, so sehr? Oder muss er den Kampf gegen ihn führen, um anderen Machtzentr­en in Moskau zu zeigen, wer der Herr im Haus ist? Europa und die USA sollten sich bei der Gestaltung des Verhältnis­ses zu Russland auch mit einem eher ungewohnte­n Gedanken befassen: dass Putins Umgang mit Nawalny nicht unbedingt zu einem Staatschef passen muss, der den Eindruck hat, wirklich fest im Sattel zu sitzen – und aus einer souveränen Position heraus internatio­nale Politik machen zu können.

 ??  ?? Kaum Masken, kaum Abstand – und kaum Konsequenz­en. Der legere Umgang mit CoronaVerh­armlosern bringt nun die Wiener Polizei unter Druck.
Kaum Masken, kaum Abstand – und kaum Konsequenz­en. Der legere Umgang mit CoronaVerh­armlosern bringt nun die Wiener Polizei unter Druck.

Newspapers in German

Newspapers from Austria