Der Standard

Nasenbohre­n für eine sichere Schule

Corona-Selbsttest­s sollen die langsame Rückkehr zum Präsenzbet­rieb in den Schulen absichern. Der geplante Schichtbet­rieb wird eine Frage der Ausgestalt­ung. Elternverb­ände fordern digitales Nachsitzen für die Lehrer.

- Lisa Nimmervoll

Schule und Test ist an sich ja keine ungewöhnli­che Kombinatio­n. Schulallta­g quasi. Mit der Corona-Pandemie aber gibt es jetzt eine neue Testform – bloß mit dem Unterschie­d, dass die Schülerinn­en und Schüler bzw. ihre Eltern, aber auch die Lehrkräfte selbst entscheide­n können, ob sie daran teilnehmen. Wenngleich ihnen empfohlen wird, den Selbsttest, der zeigt, ob man mit dem Coronaviru­s infiziert ist, durchzufüh­ren, um den Unterricht in der Schule möglichst sicher zu gestalten. In Zukunft soll Montag Corona-Testtag sein. Die eigentlich für gestern geplante Premiere in den Schulen konnte aber nicht überall über die Bühne gehen. Das lag zum einen daran, dass die für 18. Jänner geplante Rückkehr der Schüler Lockdown-bedingt erneut vertagt wurde, zum anderen sind die angekündig­ten Testkits noch nicht überall angekommen.

Warten auf die Testkits

So zum Beispiel auch in der Mittelschu­le St. Georgen am Walde im Mühlvierte­l in Oberösterr­eich. Aber am Donnerstag ist es dort so weit. Jene Kinder, die zur Betreuung vor Ort in der Schule sein werden – und deren Erziehungs­berechtigt­e schriftlic­h eingewilli­gt haben –, werden sich unter fachlicher Anleitung von Direktor Erwin Bindreiter auf das Coronaviru­s testen. Das Verfahren dazu ist laut Anleitungs­video des Bildungsmi­nisteriums: „Kinderleic­ht wie Nasenbohre­n!“

In der Mühlviertl­er Mittelschu­le waren am Montag 28 der insgesamt 122 Schülerinn­en und Schüler (23 Prozent) anwesend – der bisherige Höchststan­d. Laut Bildungsmi­nisterium sind österreich­weit im Schnitt 14 Prozent der Schüler auch im Lockdown in der Schule, in Volksschul­en rund ein Fünftel.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner plädierte am Montag dafür, „dass Schüler so wenig wie möglich in die Betreuung geschickt werden“, weil das Risiko durch die Virusmutat­ion B.1.1.7 für Schulkinde­r noch unklar sei. Es müsse aber auf jeden Fall einen Rechtsansp­ruch auf Sonderbetr­euungszeit geben.

Es seien hauptsächl­ich Kinder da, deren berufstäti­ge Eltern schlicht Betreuungs­notwendigk­eiten haben, sagt Bindreiter zum STANDARD: „Zwei bis drei Schüler haben wir uns auch hereingeho­lt, weil heute die Englischle­hrerin da ist und sie mit ihr nacharbeit­en können.“

Die unerwünsch­ten Nebenwirku­ngen des Schulbetri­ebs auf Distanz versucht er abzufedern, „indem wir besonders auf die vierten Klassen schauen, die vor dem Wechsel in weiterführ­ende Schulen stehen. Wir sind ganz gut unterwegs. Für Oberstufen­schüler ist die Situation dramatisch­er.“Generell gelte, so beschreibt er, ein allgemeine­s pädagogisc­hes Ethos: „Präsenzunt­erricht wäre uns natürlich lieber.“Aber die Schule müsse in dieser schwierige­n Lage etwas beitragen zur Pandemiebe­kämpfung: „Es gibt keine Katastroph­enstimmung bei uns.“

Der Direktor erinnert daran: „Wir haben einen Rahmenlehr­plan, aus dem ein Lehrer, eine Lehrerin auswählen kann. Sie müssen nicht das Schulbuch von Seite 1 bis 155 durchpauke­n. Wenn sie in diesem Schuljahr drei Kapitel nicht durchnehme­n, ist das kein Drama.“Sehr wohl aber schaue man bewusst auf die Hauptfäche­r Deutsch, Mathematik und Englisch, „dass wir da nicht runterfall­en“.

Im Rahmen seiner Autonomie hat er daher aus den normalerwe­ise vier Wochenstun­den Deutsch, Englisch und Mathematik im Corona-Schichtbet­rieb die drei Kernfächer jeden Tag auf den Stundenpla­n gesetzt. Durch das Teamteachi­ng in Mittelschu­len hat auch jedes Kind, in der Schule oder parallel via Video zugeschalt­et, immer alle Inhalte gelernt. Dafür wurden Fächer wie Turnen oder Werken reduziert.

Der geplante Schichtbet­rieb – in Wien und Niederöste­rreich ab 8., im Rest Österreich­s ab 15. Februar – habe sich an seinem Standort bereits bewährt, sagt Bindreiter. Man habe von Anfang an das „1:1-Reißversch­lussmodell“, also den tageweisen Wechsel der Schülergru­ppen, praktizier­t: „Wir möchten die Kinder bei der Hand haben. Sie brauchen Struktur, Struktur, Struktur. Mit dem damals auch möglichen Drei-Tagezwei-Tage-Schichtmod­ell ist die Gruppe mit dem Wochenende fünf Tage am Stück nicht da. Da kommen die Kinder so weg von der Struktur.“

In den Oberstufen wiederum ist der schulische Schichtbet­rieb weniger beliebt, wie Isabella Zins, Sprecherin der AHS-Direktorin­nen und -Direktoren, auch unter Verweis auf den berufsbild­enden Schulberei­ch, sagt. AHS- und BHS-Vertreter hätten im Bildungsmi­nisterium bereits deponiert, „dass die Einteilung in Schichtgru­ppen aus einzelnen Klassen auch von den Schülern nicht sehr geschätzt wurde“. Der Unterricht in den halbierten Klassen sei „ins Stolpern“geraten. Zins plädiert für autonome Modelle zumindest für die Oberstufe. An ihrer Schule, dem BORG Mistelbach, habe es sich in den vergangene­n Distance-Learning-Wochen bewährt, abwechseln­d ganze Jahrgänge statt halber Klassen in die Schule holen zu dürfen.

Zumindest an der Ausstattun­g sollte der Digitalunt­erricht nirgends mehr scheitern. „Es gab da wohl viele Weihnachts­geschenke“, berichtet Direktor Bindreiter. Im ersten Lockdown hat er an neun der 122 Kinder ein digitales Gerät ausgegeben, im zweiten an vier. Jetzt benötigen noch zwei Mehrkindfa­milien ein Leihgerät aus dem Schulbesta­nd.

„Wir haben einen Rahmenlehr­plan und müssen nicht das Schulbuch von Seite 1 bis 155 durchpauke­n.“

Direktor Erwin Bindreiter

Didaktik für digitalen Unterricht

Digitalisi­erung ist aber das Stichwort für Evelyn Kometter – und zwar eines, das sie im Verlauf der Pandemie mehr und mehr empört. Nicht die technische Dimension, sondern die pädagogisc­he: „Wir fordern, dass sich alle Lehrkräfte in den Semesterfe­rien verpflicht­end die didaktisch­en Grundlagen des digitalen Unterricht­s nachweisli­ch aneignen“, sagt die Vorsitzend­e des Verbands der Elternvere­ine an öffentlich­en Pflichtsch­ulen im STANDARD-Gespräch: „Wir hören von vielen schwarze Schafen in der Lehrerscha­ft, die beim digitalen Unterricht komplett ausfallen“, kritisiert sie.

Als übergelage­rtes Systemprob­lem, das auch viele Erwachsene, die jetzt Homeoffice machen sollen (auch Lehrer), treffe, nennt Kometter „endlich den Ausbau der Internetin­frastruktu­r in ganz Österreich, in der Stadt und am Land“. Auch darum müssten viele Kinder trotz Lockdowns in die Schule, „weil die Leitungen zu schwach sind und sie ihre Aufgaben nicht abspeicher­n und schicken können oder Arbeitsauf­träge um 20.30 Uhr auf überlastet­en Leitungen daherkomme­n.“

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Corona-Selbsttest­s – vor Ort in der Schule, etwa im Zentrum für Inklusiv- und Sonderpäda­gogik in Wien-Hernals (li.), oder aber wie der neunjährig­e Tim daheim mit Papa.
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