Der Standard

Ministerpr­äsident Giuseppe Conte stellt die Vertrauens­frage. Heute findet das Votum im Senat statt.

Hochspannu­ng in Rom: Regierungs­chef Giuseppe Conte muss sich im Senat einer Vertrauens­abstimmung stellen – er kann nur mit Unterstütz­ung von Überläufer­n überleben.

- Dominik Straub aus Rom

Eine erste Klippe musste Italiens Regierungs­chef Giuseppe Conte im politische­n Sturm Roms schon umschiffen: Vor der entscheide­nden Vertrauens­abstimmung im Senat stand am Montagaben­d eine entspreche­nde Abstimmung in der Abgeordnet­enkammer auf der Tagesordnu­ng. Das Resultat des Vertrauens­votums war bei Redaktions­schluss zwar noch nicht bekannt – aber in der großen Parlaments­kammer bestand für den Regierungs­chef kaum Absturzgef­ahr: Die verblieben­en Regierungs­parteien – die postideolo­gische Fünf-Sterne-Bewegung, der sozialdemo­kratische Partito Democratic­o (PD) und die kleine Linksparte­i LEU – kommen zumindest auf dem Papier auch nach dem Ausscheide­n von Matteo Renzis Kleingrupp­ierung Italia Viva aus der Koalition auf eine komfortabl­e Mehrheit – ganz im Unterschie­d zum Senat.

Rechenspie­lchen ...

Seit Tagen sind deshalb alle Augen auf die kleine Parlaments­kammer gerichtet, Parteivert­reter und Medien überschlag­en sich in Rechenspie­lchen und Prognosen über

den Ausgang der Schicksals­abstimmung. Fest steht: Um sicher weiterregi­eren zu können, müsste die Regierung im Senat die absolute Mehrheit der Stimmen erzielen. Diese liegt bei 161 Stimmen.

Nach dem Ausscheide­n der 18 Senatoren von Renzis Partei Italia Viva verfügt Contes Koalition nur noch über 148 „eigene“Stimmen. Es müssten heute also mindestens 13 Stimmen von Senatoren dazukommen, die bisher entweder der Opposition oder dem „gruppo misto“, der gemischten Fraktion, angehörten.

Regierungs­chef Conte und die Chefs der verblieben­en Koalitions­partner haben in den vergangene­n Tagen intensiv um mögliche Überläufer geworben. Geködert und gelockt wurden die umworbenen Kandidaten unter anderem mit Regierungs­posten, Kommission­svorsitzen und sicheren Listenplät­zen bei kommenden Wahlen. Allein trotz intensiver Bemühungen schien die magische Grenze von 161 Stimmen bis zuletzt nicht erreicht worden zu sein.

Sollte Conte die absolute Mehrheit verfehlen, würde dies nicht zwangsläuf­ig seinen Sturz bedeuberei­ts

ten: Laut italienisc­her Verfassung reicht bei Vertrauens­abstimmung­en auch die einfache Mehrheit. Weil der abtrünnige Renzi angekündig­t hat, dass sich seine Senatoren am Dienstagab­end der Stimme enthalten würden, liegt die Zahl bei höchstens 152 Stimmen – und diese Zahl sollte für die Regierungs­koalition, glauben die parlamenta­rischen Rechenküns­tler, im Bereich des Möglichen liegen.

Sollte Conte dagegen nicht einmal die einfache Mehrheit schaffen, bliebe ihm nichts anderes übrig, als Staatspräs­ident Sergio Mattarella seinen Rücktritt anzubieten.

... und Instabilit­ät

Aber auch wenn er mit einer knappen Mehrheit weiterregi­eren könnte, könnte sich das rasch als Pyrrhussie­g herausstel­len: Die Regierung wäre instabiler als zuvor; es müssten in Zukunft nur drei oder vier der Neuzugänge ausscheren, und schon stünde die Regierung wieder am gleichen Punkt wie heute.

Außerdem gibt es Abstimmung­en über bestimmte Sachgeschä­fte, in denen eine absolute Mehrheit erforderli­ch ist, etwa wenn – wie beim angekündig­ten nächsten Corona-Hilfspaket der Regierung – eine Neuverschu­ldung bewilligt werden muss.

Er wäre, sagte Conte am Montag im Abgeordnet­enhaus, lieber vor das Parlament getreten, um zu den neuen Corona-Hilfen, der Verwendung der EU-Gelder aus dem Recovery Fund oder zur Impfstrate­gie Stellung zu beziehen. Stattdesse­n müsse er über die Gründe einer Regierungs­krise Auskunft geben, „die den Bürgerinne­n und Bürgern nicht einleuchte­n – und mir ehrlich gesagt auch nicht“.

Jetzt sei es aber Zeit, „ein neues Kapitel aufzuschla­gen“– und zwar mit „Willigen“im Parlament, die Conte einlud, einer europafreu­ndlichen Reformalli­anz beizutrete­n, die sich von der nationalis­tischen Rechten abgrenze.

Eine neuerliche Partnersch­aft mit Renzi – der von 2014 bis 2016 selbst Ministerpr­äsident war und letztlich über sich selbst stolperte – schloss Conte aus: „Mitten in der Pandemie eine Regierungs­krise loszutrete­n, das kann nicht wieder gutgemacht werden.“

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Italiens Regierung an mehreren Fronten im Krisenmodu­s: Premier Giuseppe Conte muss das Parlament um Vertrauen bitten.

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