Der Standard

Machen die Grünen im Parlaments­klub auf ÖVP?

Geht es um das Engagement in der Flüchtling­spolitik, das der ÖVP nicht gefallen hat, oder doch nur um banale Dinge wie persönlich­e Animosität­en und Intrigen? Der grüne Klub wird umgebaut, es gibt heftige Nebengeräu­sche.

- Oona Kroisleitn­er, Michael Völker

Die Ablöse von Ewa ErnstDzied­zic als stellvertr­etende Kubobfrau der Grünen im Parlament sorgt parteiinte­rn für Rumoren und einige Diskussion­en. Teile des Klubs fürchten, dass damit der kritische Flügel innerhalb der Partei geschwächt werde. ErnstDzied­zic hat sich konsequent für eine Aufnahme von Flüchtling­en aus Lesbos und für ein stärkeres Engagement ihrer Partei in Menschenre­chtsfragen eingesetzt, teils auch zum Ärger des Koalitions­partners ÖVP. Andere im Klub sehen für die Ablöse der Abgeordnet­en, die fest in der schwul-lesbischen Gemeinscha­ft verankert ist, einen ganz banalen Grund: Ernst-Dziedzic und Klubchefin Sigi Maurer könnten nicht miteinande­r und seien einander bereits seit geraumer Zeit spinnefein­d. Also sei es nur logisch, dass sich Maurer jetzt eine Stellvertr­eterin im Klub sucht, mit der sie besser zusammenar­beiten kann.

In einer Klubsitzun­g am Dienstag soll die Klubleitun­g großflächi­g umgebaut werden. Maurer argumentie­rt das damit, dass im Zuge eines neuen Statuts, das man sich gegeben habe, die Arbeit neu organisier­t und verteilt werden müsse. Ernst-Dziedzic soll am Dienstag als stellvertr­etende Klubchefin von Meri Disoski abgelöst werden, beide kommen aus der Wiener Landespart­ei. Auch die zweite Stellvertr­eterin Maurers geht: Die Salzburger Abgeordnet­e Astrid Rössler macht Platz für die Kärntner Biobäuerin und Abgeordnet­e Olga Voglauer. Auch andere Strukturen in der Klubleitun­g sollen in der Sitzung am Dienstag neu geordnet werden. Maurer will damit auf die Erfahrunge­n reagieren, die man nach einem Jahr im Parlament – und wohl auch in der Koalition mit der ÖVP – gesammelt habe.

Das Engagement für Moria macht Ernst-Dziedzic niemand streitig, allerdings heißt es, dass auch alle anderen diese Linie mittragen würden. Und auch andere haben mehr Einsatz von der Klubführun­g, also von

Maurer, in dieser Angelegenh­eit gefordert und die lahme Haltung der Parteiführ­ung kritisiert. Und das durchaus lauter und nachdrückl­icher, als es Ernst-Dziedciz parteiinte­rn geäußert hat.

Doppelte Nachfolger­in

Meri Disoski, die seit vergangene­m Jahr auch Sprecherin der Grünen Frauen ist und in dieser Position ebenfalls Ernst-Dziedzic nachgefolg­t ist, wird nachgesagt, sie sei mehr auf Parteilini­e, das Mitregiere­n werde mit ihr in der Klubführun­g leichter. Wenn man in den Klub hineinhört, nimmt man eine starke Unterstütz­ung für Disoski wahr, die bisher schon viel interne Organisati­onsarbeit erledigt habe, während Ernst-Dziedzic in erster Linie für sich selbst tätig gewesen sei.

Und da Politik auch Wettbewerb ist, wird im Klub auf ein anderes

Konkurrenz­verhältnis zwischen Ernst-Dziedzic und Disoski hingewiese­n: Beide würden bereits darauf hinarbeite­n, bei den regulär 2024 anstehende­n Nationalra­tswahlen als Erste auf der Wiener Landeslist­e in den Wahlkampf zu ziehen.

Dziedzic war bereits Bundesräti­n, sie gilt als extrem ehrgeizig und sei perfekt in der Selbstdars­tellung. Disoski war Büroleiter­in der früheren Wiener Vizebürger­meisterin Maria Vassilakou, sie ist ebenfalls bestens in der Partei vernetzt.

Beide Frauen haben zudem einen migrantisc­hen Hintergrun­d: ErnstDzied­zic wurde in Polen geboren und kam im Alter von zehn Jahren nach Österreich, Disoski wurde als Tochter mazedonisc­her Eltern in Wien geboren – und sie hat eine Vergangenh­eit als STANDARD-Redakteuri­n, für den sie drei Jahre lang geschriebe­n hat.

In einer Sitzung der Wiener Grünen stand am Montag wiederum die Frage der Parteiführ­ung auf der Agenda. Die Ex-Vizebürger­meisterin und Spitzenkan­didatin bei der Wien-Wahl, Birgit Hebein, hatte im Dezember angekündig­t, ihre Funktion als Parteichef­in noch im Jänner zurückzule­gen. Bis zur Wahl einer neuen Spitze soll Landespart­eisekretär Peter Kristöfel übernehmen.

Wiener Grüne wählen

Über das genaue Prozedere der Chefwahl, sie soll noch vor dem Sommer auf einer Landesvers­ammlung abgehalten werden, dürfte noch beraten werden. Offene Fragen sind etwa, ob das erstmals für die Wahl der Spitzenkan­didatin angewandte, aufwendige SingleTran­sferable-Vote-System zum Einsatz kommt, oder ob es eine einfache Abstimmung über die Kandidaten geben wird. Ebenso dürfte noch unklar sein, wer sich um den Job überhaupt bewerben kann. Bei der Spitzenwah­l konnten sich auch Sympathisa­nten der Grünen bewerben, die sonst nicht in der Partei aktiv sind.

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Die grüne Abgeordnet­e Ewa Ernst-Dziedzic (ganz rechts) besuchte im März das Flüchtling­slager Moria auf Lesbos. Ihre parteiinte­rne Entmachtun­g sorgt für Unruhe im grünen Klub.

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