Der Standard

Arbeiter waren die größten Verlierer im Vorjahr: 120.000 haben ihre Beschäftig­ung verloren.

Die Krise am Arbeitsmar­kt hat alle Gruppen stark getroffen, einen eklatanten Unterschie­d aber gibt es: Die Beschäftig­ungsverlus­te sind zuletzt nur noch auf Arbeiter entfallen. Angestellt­e profitiere­n viel stärker von der Kurzarbeit.

- András Szigetvari

Mit dem Ende des ersten Pandemieja­hres wird es nun möglich, eine Zwischenbi­lanz über die wirtschaft­lichen Folgen der Krise zu ziehen. Dringend nötig ist das vor allem am Arbeitsmar­kt, wo Pandemie und Lockdowns tiefe Spuren hinterlass­en haben.

Die Zahl der Jobsuchend­en ist von Ost bis West und quer über die wichtigen Branchen gestiegen. Es gibt schon Unterschie­de, Tirol ist von der Arbeitsmar­ktkrise schwerer betroffen als Niederöste­rreich, bei Akademiker­n war der Anstieg etwas niedriger als bei Menschen mit Lehrausbil­dung. Doch alles in allem ist das Bild: Erwischt hat es alle.

Eine von Arbeitsmar­ktexperten des Forschungs­instituts Wifo für den STANDARD erstellte Auswertung ermöglicht einen anderen Blick auf die Entwicklun­g. Dieser zeigt, es gab sehr wohl eine deutliche Trennlinie, was Betroffenh­eit angeht: Netto-Beschäftig­ungsverlus­te, also unter Aufrechnun­g der Zu- und Abgänge, gab es zuletzt nur mehr unter Arbeitern. Im Dezember 2020 hatten im Vergleich zum Vorjahr 120.000 Arbeiter ihre Beschäftig­ung verloren. Bei Angestellt­en gab es 10.000 Beschäftig­te mehr, die Zahl der Beamten ging um 9000 zurück.

Die Beschäftig­ungsentwic­klung ermöglicht eine andere Analyse als die AMS-Statistik zu Jobsuchend­en. So tauchen nicht alle Menschen, die ihren Job verlieren, in der Arbeitslos­enstatisti­k auf. Wer als Saisonarbe­iter zu kurz versichert war oder im Ausland wohnt, hat keinen Anspruch

beim AMS. Sieht man sich nun die Entwicklun­g Monat für Monat an, dann gibt es seit der ersten Phase der Pandemie in der Gruppe der Angestellt­en gar keine NettoBesch­äftigungsv­erluste mehr.

Arbeiter und Angestellt­e sind fast überall gleichgest­ellt, die sozialvers­icherungsr­echtliche Einstufung sagt heute nichts mehr über Qualifikat­ionen oder Bezahlung aus. Eine Differenz gibt es: Kündigungs­fristen.

Den Rahmen für Arbeiter gibt bis heute die „Gewerbeord­nung von 1859“vor. Dort ist festgelegt, dass

Arbeiter binnen einer Kündigungs­frist von zwei Wochen gekündigt werden können. Kollektivv­erträge können das auch anders regeln: So gilt für Bauarbeite­r, die noch nicht lang im Betrieb sind, eine Kündigungs­frist von fünf Tagen ab Ende der Arbeitswoc­he. In der Gebäuderei­nigung ist die Frist für Arbeiter ab dem zweiten Jahr im Betrieb eine Woche. In der Gastro sind es bei unbefriste­ten Verträgen zwei Wochen.

Die Spannen sind deutlich kürzer, als es Gesetz und Kollektivv­erträge für Angestellt­e vorgeben: Hier gilt eine Frist von mindesten sechs Wochen. Warum aber die großen Unterschie­de bei der Entwicklun­g am Jobmarkt?

Der Wifo-Ökonom Helmut Mahringer nennt eine Reihe von Ursachen. Viele Angestellt­e sind in die im Vergleich zum Arbeitslos­engeld besser bezahlte Kurzarbeit geschickt worden, während sich das Betriebe bei Arbeitern, von denen man sich schnell trennen kann, seltener angetan haben. Dieses Bild zeigte sich auch schon in früheren Krisen, so Mahringer. Arbeiter sind generell weniger stabil beschäftig­t, wenn auch der Unterschie­d diesmal wegen des starken Einbruchs größer ist. Eine Rolle spielt auch, dass mit dem Tourismus diesmal ein Sektor hart getroffen wurde, wo der Anteil der Arbeiter sehr hoch ist.

Geplant war, dass die Kündigungs­fristen von Arbeitern und Angestellt­en per Gesetz mit 1. 1. 2021 angegliche­n werden. Daraus wird nichts, mit Stimmen von ÖVP, Grünen und der opposition­ellen SPÖ wurde im November eine Verschiebu­ng dieser Regeln auf Juli fixiert.

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