Arbeiter waren die größten Verlierer im Vorjahr: 120.000 haben ihre Beschäftigung verloren.
Die Krise am Arbeitsmarkt hat alle Gruppen stark getroffen, einen eklatanten Unterschied aber gibt es: Die Beschäftigungsverluste sind zuletzt nur noch auf Arbeiter entfallen. Angestellte profitieren viel stärker von der Kurzarbeit.
Mit dem Ende des ersten Pandemiejahres wird es nun möglich, eine Zwischenbilanz über die wirtschaftlichen Folgen der Krise zu ziehen. Dringend nötig ist das vor allem am Arbeitsmarkt, wo Pandemie und Lockdowns tiefe Spuren hinterlassen haben.
Die Zahl der Jobsuchenden ist von Ost bis West und quer über die wichtigen Branchen gestiegen. Es gibt schon Unterschiede, Tirol ist von der Arbeitsmarktkrise schwerer betroffen als Niederösterreich, bei Akademikern war der Anstieg etwas niedriger als bei Menschen mit Lehrausbildung. Doch alles in allem ist das Bild: Erwischt hat es alle.
Eine von Arbeitsmarktexperten des Forschungsinstituts Wifo für den STANDARD erstellte Auswertung ermöglicht einen anderen Blick auf die Entwicklung. Dieser zeigt, es gab sehr wohl eine deutliche Trennlinie, was Betroffenheit angeht: Netto-Beschäftigungsverluste, also unter Aufrechnung der Zu- und Abgänge, gab es zuletzt nur mehr unter Arbeitern. Im Dezember 2020 hatten im Vergleich zum Vorjahr 120.000 Arbeiter ihre Beschäftigung verloren. Bei Angestellten gab es 10.000 Beschäftigte mehr, die Zahl der Beamten ging um 9000 zurück.
Die Beschäftigungsentwicklung ermöglicht eine andere Analyse als die AMS-Statistik zu Jobsuchenden. So tauchen nicht alle Menschen, die ihren Job verlieren, in der Arbeitslosenstatistik auf. Wer als Saisonarbeiter zu kurz versichert war oder im Ausland wohnt, hat keinen Anspruch
beim AMS. Sieht man sich nun die Entwicklung Monat für Monat an, dann gibt es seit der ersten Phase der Pandemie in der Gruppe der Angestellten gar keine NettoBeschäftigungsverluste mehr.
Arbeiter und Angestellte sind fast überall gleichgestellt, die sozialversicherungsrechtliche Einstufung sagt heute nichts mehr über Qualifikationen oder Bezahlung aus. Eine Differenz gibt es: Kündigungsfristen.
Den Rahmen für Arbeiter gibt bis heute die „Gewerbeordnung von 1859“vor. Dort ist festgelegt, dass
Arbeiter binnen einer Kündigungsfrist von zwei Wochen gekündigt werden können. Kollektivverträge können das auch anders regeln: So gilt für Bauarbeiter, die noch nicht lang im Betrieb sind, eine Kündigungsfrist von fünf Tagen ab Ende der Arbeitswoche. In der Gebäudereinigung ist die Frist für Arbeiter ab dem zweiten Jahr im Betrieb eine Woche. In der Gastro sind es bei unbefristeten Verträgen zwei Wochen.
Die Spannen sind deutlich kürzer, als es Gesetz und Kollektivverträge für Angestellte vorgeben: Hier gilt eine Frist von mindesten sechs Wochen. Warum aber die großen Unterschiede bei der Entwicklung am Jobmarkt?
Der Wifo-Ökonom Helmut Mahringer nennt eine Reihe von Ursachen. Viele Angestellte sind in die im Vergleich zum Arbeitslosengeld besser bezahlte Kurzarbeit geschickt worden, während sich das Betriebe bei Arbeitern, von denen man sich schnell trennen kann, seltener angetan haben. Dieses Bild zeigte sich auch schon in früheren Krisen, so Mahringer. Arbeiter sind generell weniger stabil beschäftigt, wenn auch der Unterschied diesmal wegen des starken Einbruchs größer ist. Eine Rolle spielt auch, dass mit dem Tourismus diesmal ein Sektor hart getroffen wurde, wo der Anteil der Arbeiter sehr hoch ist.
Geplant war, dass die Kündigungsfristen von Arbeitern und Angestellten per Gesetz mit 1. 1. 2021 angeglichen werden. Daraus wird nichts, mit Stimmen von ÖVP, Grünen und der oppositionellen SPÖ wurde im November eine Verschiebung dieser Regeln auf Juli fixiert.