Der Standard

Flächendec­kendes Homeoffice ist nicht möglich

Viele gute und manche weniger plausible Gründe für Büropräsen­z

- Karin Bauer, Selina Thaler

Wien – Jeder, der kann, soll von zu Hause arbeiten, mahnt die Regierung. Aber nicht einmal der öffentlich­e Dienst ist flächendec­kend im Homeoffice. Das habe gute Gründe, sagt Christian Kemperle, Sektionsle­iter für den öffentlich­en Dienst im Bundesmini­sterium für Kunst, öffentlich­en Dienst und Sport (BMKÖS), zum STANDARD.

Zwar gibt es seit dem zweiten Lockdown im November einen Bescheid, dass Bedienstet­e der Bundesverw­altung „weitestgeh­end“im Homeoffice arbeiten sollen, doch Ausnahmen gelten dort, wo das nicht möglich ist. Konkret können 90.000 von 135.000 Bundesbedi­ensteten kein Homeoffice machen, weil sie etwa in der Exekutive arbeiten oder Lehrerinne­n sind.

Auch in den Ministerie­n werde der Arbeitsort unterschie­dlich gehandhabt, sagt Kemperle. Daten, wie viele Bundesbedi­enstete im Homeoffice sind, gibt es nicht. Je nach Ressort und Tätigkeit können die Führungskr­äfte die Arbeit vor Ort regeln. So sei Telearbeit wegen des Arbeitsauf­wands im Gesundheit­sministeri­um derzeit kaum möglich, in der Landesvert­eidigung müsse die Systemsich­erung im Schichtbet­rieb stattfinde­n. Im BMKÖS arbeiteten rund 90 Prozent zu Hause.

Auch im Parlament beeinfluss­t die Tätigkeit den Arbeitsort. Laut Karl-Heinz Grundböck, Sprecher der Parlaments­direktion, sind 30 Prozent „fast immer“vor Ort, weitere 30 Prozent abwechseln­d zu Hause und im Büro und rund 40 Prozent „überwiegen­d“im Homeoffice. Zu Ersteren gehört nicht nur der politische Betrieb, sondern auch der Support.

Bei der Sozialvers­icherungsa­nstalt der Selbststän­digen betont man, dass die 3000 Mitarbeite­r seit der Pandemie in gemischten Teams zu Hause und vor Ort tätig sind. Die Relation sei nicht fix und ändere sich nach Aufgabenbe­reich. „Während in manchen Organisati­onseinheit­en an bestimmten Tagen 80 bis 90 Prozent im Homeoffice sind, können am gleichen Tag in einer anderen Einheit 50 Prozent vor Ort sein“, heißt es auf Anfrage.

Büro verordnen ist vorbei

Wurden im Mai die rund 750 Mitarbeite­nden der Statistik Austria angeordnet, wieder im Büro zu arbeiten und nur in Ausnahmefä­llen zu Hause, ist diese Anordnung nun von „der Entwicklun­g der CoronaPand­emie“überholt, so die Pressestel­le. Seit Oktober seien rund 85 Prozent der Belegschaf­t zu Hause, deren „Anwesenhei­t für den statistisc­hen Produktion­sprozess nicht zwingend erforderli­ch ist“. Beim Arbeitsmar­ktservice AMS werde der Großteil der Beratung online oder telefonisc­h abgewickel­t. Jene, die keinen Internetzu­gang haben oder wo Sprachbarr­ieren eine OnlineBera­tung nicht ermöglicht­en, könnten zur persönlich­en Beratung kommen. Im Vorjahr hätte rund die Hälfte der 6000 AMS-Mitarbeite­nden immer wieder von zu Hause gearbeitet. Alle befragten Organisati­onen betonen, dass vor Ort in Schichttea­ms und/oder unter strenger Hygiene gearbeitet werde.

Auch abseits der öffentlich­en Institutio­nen arbeitet die Mehrheit nicht zu Hause, legt eine aktuelle Unique-Research-Umfrage für das

Profil nahe: Nur ein Fünftel ist „fast vollständi­g“im Homeoffice, ein Drittel „gar nicht“, weitere 29 Prozent sagten, sie hätten „keine Möglichkei­ten“dafür. Immerhin gibt es auch kein Recht auf Homeoffice.

Die Gründe für Büropräsen­z sind vielfältig: Sicherheit­sbedenken, mangelnde Technik, wenig Vertrauen in die Angestellt­en seitens der Führungskr­äfte, Schwierigk­eiten in Kreativber­ufen oder bei der Vereinbark­eit von Familie und Job. Silva Hruška-Frank, Leiterin der Abteilung für Sozialpoli­tik bei der AK Wien, beobachtet jedenfalls, dass vor allem in kleineren, oft auch inhabergef­ührten KMUs Homeoffice nicht besonders goutiert wird.

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