Der Standard

ÖVP fordert erneut Untersuchu­ng der Korruption­sbehörde

- Fabian Schmid

Wien – Die türkise Justizspre­cherin Michaela Steinacker hat die Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) wegen der Causa Stadterwei­terungsfon­ds scharf kritisiert. Diese Woche wurde bekannt, dass die Freisprüch­e gegen drei Sektionsch­efs im Innenminis­terium, die jahrelang im Visier der WKStA gestanden waren, rechtskräf­tig wurden. Steinacker sprach von stets „haltlosen Vorwürfen“, sie will eine Untersuchu­ng der WKStA anregen.

Die Oberstaats­anwaltscha­ft Wien nahm die WKStA in Schutz. Die Angriffe der ÖVP auf die Behörde haben eine lange Geschichte. Diese beklagt, in die Politik hineingezo­gen zu werden, liefert ihren Gegnern mit Fehlern jedoch selbst Munition. (red)

Im medialen und politische­n Dauerfeuer rund um türkis-blaue Korruption­svorwürfe steht die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) mittendrin. Sie fühlt sich von der Obrigkeit gegängelt, liefert ihren Kritikern aber regelmäßig Munition. Eine kritische Bestandsau­fnahme.

Für manche ist sie die Hoffnungst­rägerin für politische Veränderun­g, für andere eine verschwore­ne und anklagewüt­ige Behörde außer Rand und Band. Die objektiv, ruhig ermittelnd­e Institutio­n, die sie sein will, ist die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft, kurz WKStA, für kaum jemanden. Das ist auch nachvollzi­ehbar: „Eine Antikorrup­tionsbehör­de, die Everybody’s Darling ist, kann ihren Job nicht gut machen“, erklärte einer ihrer Oberstaats­anwälte vor dem Ibiza-U-Ausschuss. Ein anderer nennt die von der WKStA geführten Verfahren die „Nagelprobe des Rechtsstaa­ts“, weil man „regelmäßig auch gegen die mächtigste­n, reichsten, am besten vernetzten Personen dieser Republik“ermittle.

Zurzeit im Visier der WKStA: ehemalige Vizekanzle­r wie Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Josef Pröll (ÖVP), Ex-Finanzmini­ster Hartwig Löger (ÖVP), der einstige blaue Klubobmann Johann Gudenus, Raiffeisen-Manager, der Chef der staatliche­n Beteiligun­gsholding und so weiter und so fort – für alle Genannten gilt die Unschuldsv­ermutung.

Ermittlung­en der WKStA haben hochpoliti­sche Konsequenz­en, auch wenn diese von ihr nicht intendiert sind. Das sieht man daran, dass sich die FPÖ strikt auf die Seite der Antikorrup­tionsbehör­de stellt, obwohl diese sogar gegen FPÖ-Chef Norbert Hofer ermittelt. Auch die Neos und die SPÖ lassen kein schlechtes Wort über die WKStA fallen. Das mag mit einem Ideal von Rechtsstaa­tlichkeit und sauberer Politik zu tun haben. Fakt ist aber auch, dass die Verfahren der WKStA derzeit vor allem der mächtigen ÖVP schaden.

Der Ibiza-Untersuchu­ngsausschu­ss, der sich stark auf Ermittlung­sakten der WKStA stützt, machte rasch ein „System Kurz“zum Thema. Zusehends ging es um den türkisen Teil der ÖVP-FPÖ-Koalition; um deren Spender und Protegés. Gleichzeit­ig zeigt der U-Ausschuss einmal mehr, dass kaum eine

andere Behörde ohne Konflikte mit den Korruption­sjägern auskommt: weder die für die WKStA ermittelnd­e Polizei in Form der Soko Tape noch die Weisungsbe­fugten im Justizmini­sterium und auch nicht die Staatsanwa­ltschaft (StA) Wien, die sich im Ibiza-Verfahren um die Hintermänn­er des Videos kümmert. Wochenlang hatten Soko und StA Wien schon eine Kopie der Aufnahmen, ehe die WKStA durch Medien von diesem Fund erfuhr. Eifer und Übereifer

Konfliktsc­heu ist die WKStA nicht. Sobald sie eine Befangenhe­it oder Interventi­onen wittert, schlägt sie laut Alarm – das liegt aber auch in ihrer DNA. Oft hat sie gute Argumente: Dass bei der Soko Tape ein Ermittler eine zentrale Rolle spielte, der zuvor aufmuntern­de SMS an Strache geschriebe­n hatte, wird mittlerwei­le selbst von der Polizei als Fehler eingeräumt. Verschärft wird dieser Umstand dadurch, dass der Polizist auch noch bei der ÖVP aktiv war und laut WKStA in der „Schreddera­ffäre“Ermittlung­sanordnung­en der Staatsanwa­ltschaft gegen einen Mitarbeite­r von Kanzler Kurz ignorierte.

Für Entsetzen – unter anderem im Justizmini­sterium und in Medienreda­ktionen – sorgte zuletzt die WKStA selbst, die wegen ungenauer Formulieru­ngen in einem Artikel eine Presse-Journalist­in bei der Staatsanwa­ltschaft angezeigt hat. Und noch vor zwei Jahren war die Korruption­sbehörde rundum unter Beschuss, weil sie sich vom damaligen Innenminis­terium unter Herbert Kickl (FPÖ) zu einer rechtswidr­igen Razzia im Verfassung­sschutz instrument­alisieren ließ. Damals im BVT-U-Ausschuss mit heftiger Kritik an der WKStA: die Abgeordnet­e Alma Zadić von der Liste Jetzt.

Als grüne Justizmini­sterin stellte sich Zadić hingegen von Beginn an schützend vor die WKStA. Die türkis-grüne Koalition war erst wenige Wochen alt, als Kurz in einem Hintergrun­dgespräch heftige Angriffe gegen die Korruption­sbehörde

ritt, unter anderem wegen der Casinos-Ermittlung­en und der Schreddera­ffäre. Seither wird von der ÖVP gegen die WKStA getrommelt, auch wegen der sehr langen Dauer von Verfahren. Bis zum ersten nichtrecht­skräftigen Urteil dauerte es in der Causa Buwog über ein Jahrzehnt.

Dass Zadić im Sommer 2020 Sektionsch­ef Christian Pilnacek nach vielen Beschwerde­n auch durch die WKStA aus der Weisungske­tte entfernte, sorgte koalitions­intern für größere Verwerfung­en als bisher bekannt. Mit Blick auf die BVT-Affäre raunte man in der ÖVP sogar, dass sich Zadić als „neuer Herbert Kickl“entpuppe, der kurzen Prozess mit vermeintli­ch türkisen Beamten mache. Aber ist Pilnacek überhaupt „ÖVP“-nah? Der Ärger mit den Weisungen

Schon lange vor der Ibiza-Affäre hatte die WKStA dem Sektionsch­ef unterstell­t, Korruption­sverfahren gegen primär ÖVP-nahe Politiker und Beamte abdrehen zu wollen. In dieser Lesart interpreti­ert die Behörde auch die Affäre rund um das BVT, obwohl sie damals – wie der unabhängig­e Verfahrens­richter im U-Ausschuss schrieb – von der FPÖ instrument­alisiert worden sei.

Fakt ist dennoch, dass rund um prominente Causen wie Eurofighte­r oder Stadterwei­terungsfon­ds, in denen gegen drei Sektionsch­efs im Innenminis­terium ermittelt wurde (drei rechtskräf­tige Freisprüch­e), eine Vielzahl von Weisungen auf die WKStA einprassel­te – die deren Vorhaben durchkreuz­ten. In einer internen Dienstbesp­rechung am 1. April 2019 mit Pilnacek setzte sich die WKStA „zur Wehr“, indem sie ihn und Johann Fuchs, Leiter der Oberstaats­anwaltscha­ft Wien, aufnahm und danach anzeigte. Es folgte eine Gegenanzei­ge – ein noch nie dagewesene­r, in aller Öffentlich­keit ausgetrage­ner Konflikt. Beide Anzeigen verliefen im Sand, hinterließ­en aber Spuren. In E-Mails überlegten Fuchs und Pilnacek, wie man der WKStA medial schaden könnte. Der damalige Justizmini­ster Josef Moser (ÖVP) rief eine Mediation ein, die, wenn überhaupt, nur kurzzeitig Früchte trug.

Rund um die Ibiza-Affäre poppten die alten Animosität­en wieder auf, es folgten Anzeigen gegen Fuchs und Pilnacek. Wieder befindet sich die WKStA also inmitten eines politische­n Wirbelstur­ms. Recht ist das den wenigsten Mitarbeite­rn der Korruption­sbehörde. Man habe kein Interesse daran, Öl ins Feuer zu gießen, müsse zur Kenntnis gebrachtes mögliches Fehlverhal­ten aber anzeigen, heißt es. Man werde „ständig“in die Politik reingezoge­n, obwohl man eigentlich nur ermitteln wolle. Politisch thematisie­rt und medial aufgegriff­en würden meist zwei, drei Großverfah­ren mit prominente­n Beschuldig­ten, während die überwiegen­de Mehrheit der Ermittlung­en, die reibungslo­s laufen, ignoriert wird.

Dazu kommt, dass der WKStA eine Armada an Anwälten und PR-Agenturen gegenübers­teht, die mittels sogenannte­r „Ligitation PR“Ermittlung­en beeinfluss­en wollen. Erst diese Woche kam bei der Staatsanwa­ltschaft Wien eine neue anonyme Anzeige mit Vorwürfen gegen einen Oberstaats­anwalt der WKStA an.

Gegenseiti­ge Anzeigen, teils berechtigt­e Kritik der WKStA, teils überschieß­ender Eifer: Eine hochexplos­ive Gemengelag­e, die auch Zadić bisher nicht entschärfe­n konnte. Aktionen wie das Anzeigen von Journalist­en helfen dem Plädoyer für mehr Unabhängig­keit nicht. Die Behörde muss heikle Ermittlung­sschritte seit der BVT-Affäre drei Tage im Vorhinein an Mitglieder der Weisungske­tte melden, das wird auch so bleiben.

Einer Großreform der WKStA erteilte Zadić jedenfalls eine Absage. Wenn, dann soll die Behörde noch mehr Ressourcen erhalten, um Großverfah­ren zügiger abwickeln zu können. Dass dadurch der Druck auf die WKStA sinken wird, ist zu bezweifeln – vor allem weil die Causen Casinos und Ibiza und andere sich daraus ergebende Verdachtsm­omente noch lange nicht fertigermi­ttelt sind.

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Ilse Vrabl-Sanda, Leiterin der WKStA
 ??  ?? Leiter Oberstaats­anwaltscha­ft Wien Johann Fuchs,
Leiter Oberstaats­anwaltscha­ft Wien Johann Fuchs,
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Sektionsch­ef Justizmini­sterium Christian Pilnacek,
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Sebastian Kurz, Bundeskanz­ler
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Alma Zadić, Justizmini­sterin

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