ÖVP fordert erneut Untersuchung der Korruptionsbehörde
Wien – Die türkise Justizsprecherin Michaela Steinacker hat die Wirtschaftsund Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wegen der Causa Stadterweiterungsfonds scharf kritisiert. Diese Woche wurde bekannt, dass die Freisprüche gegen drei Sektionschefs im Innenministerium, die jahrelang im Visier der WKStA gestanden waren, rechtskräftig wurden. Steinacker sprach von stets „haltlosen Vorwürfen“, sie will eine Untersuchung der WKStA anregen.
Die Oberstaatsanwaltschaft Wien nahm die WKStA in Schutz. Die Angriffe der ÖVP auf die Behörde haben eine lange Geschichte. Diese beklagt, in die Politik hineingezogen zu werden, liefert ihren Gegnern mit Fehlern jedoch selbst Munition. (red)
Im medialen und politischen Dauerfeuer rund um türkis-blaue Korruptionsvorwürfe steht die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) mittendrin. Sie fühlt sich von der Obrigkeit gegängelt, liefert ihren Kritikern aber regelmäßig Munition. Eine kritische Bestandsaufnahme.
Für manche ist sie die Hoffnungsträgerin für politische Veränderung, für andere eine verschworene und anklagewütige Behörde außer Rand und Band. Die objektiv, ruhig ermittelnde Institution, die sie sein will, ist die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, kurz WKStA, für kaum jemanden. Das ist auch nachvollziehbar: „Eine Antikorruptionsbehörde, die Everybody’s Darling ist, kann ihren Job nicht gut machen“, erklärte einer ihrer Oberstaatsanwälte vor dem Ibiza-U-Ausschuss. Ein anderer nennt die von der WKStA geführten Verfahren die „Nagelprobe des Rechtsstaats“, weil man „regelmäßig auch gegen die mächtigsten, reichsten, am besten vernetzten Personen dieser Republik“ermittle.
Zurzeit im Visier der WKStA: ehemalige Vizekanzler wie Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Josef Pröll (ÖVP), Ex-Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP), der einstige blaue Klubobmann Johann Gudenus, Raiffeisen-Manager, der Chef der staatlichen Beteiligungsholding und so weiter und so fort – für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.
Ermittlungen der WKStA haben hochpolitische Konsequenzen, auch wenn diese von ihr nicht intendiert sind. Das sieht man daran, dass sich die FPÖ strikt auf die Seite der Antikorruptionsbehörde stellt, obwohl diese sogar gegen FPÖ-Chef Norbert Hofer ermittelt. Auch die Neos und die SPÖ lassen kein schlechtes Wort über die WKStA fallen. Das mag mit einem Ideal von Rechtsstaatlichkeit und sauberer Politik zu tun haben. Fakt ist aber auch, dass die Verfahren der WKStA derzeit vor allem der mächtigen ÖVP schaden.
Der Ibiza-Untersuchungsausschuss, der sich stark auf Ermittlungsakten der WKStA stützt, machte rasch ein „System Kurz“zum Thema. Zusehends ging es um den türkisen Teil der ÖVP-FPÖ-Koalition; um deren Spender und Protegés. Gleichzeitig zeigt der U-Ausschuss einmal mehr, dass kaum eine
andere Behörde ohne Konflikte mit den Korruptionsjägern auskommt: weder die für die WKStA ermittelnde Polizei in Form der Soko Tape noch die Weisungsbefugten im Justizministerium und auch nicht die Staatsanwaltschaft (StA) Wien, die sich im Ibiza-Verfahren um die Hintermänner des Videos kümmert. Wochenlang hatten Soko und StA Wien schon eine Kopie der Aufnahmen, ehe die WKStA durch Medien von diesem Fund erfuhr. Eifer und Übereifer
Konfliktscheu ist die WKStA nicht. Sobald sie eine Befangenheit oder Interventionen wittert, schlägt sie laut Alarm – das liegt aber auch in ihrer DNA. Oft hat sie gute Argumente: Dass bei der Soko Tape ein Ermittler eine zentrale Rolle spielte, der zuvor aufmunternde SMS an Strache geschrieben hatte, wird mittlerweile selbst von der Polizei als Fehler eingeräumt. Verschärft wird dieser Umstand dadurch, dass der Polizist auch noch bei der ÖVP aktiv war und laut WKStA in der „Schredderaffäre“Ermittlungsanordnungen der Staatsanwaltschaft gegen einen Mitarbeiter von Kanzler Kurz ignorierte.
Für Entsetzen – unter anderem im Justizministerium und in Medienredaktionen – sorgte zuletzt die WKStA selbst, die wegen ungenauer Formulierungen in einem Artikel eine Presse-Journalistin bei der Staatsanwaltschaft angezeigt hat. Und noch vor zwei Jahren war die Korruptionsbehörde rundum unter Beschuss, weil sie sich vom damaligen Innenministerium unter Herbert Kickl (FPÖ) zu einer rechtswidrigen Razzia im Verfassungsschutz instrumentalisieren ließ. Damals im BVT-U-Ausschuss mit heftiger Kritik an der WKStA: die Abgeordnete Alma Zadić von der Liste Jetzt.
Als grüne Justizministerin stellte sich Zadić hingegen von Beginn an schützend vor die WKStA. Die türkis-grüne Koalition war erst wenige Wochen alt, als Kurz in einem Hintergrundgespräch heftige Angriffe gegen die Korruptionsbehörde
ritt, unter anderem wegen der Casinos-Ermittlungen und der Schredderaffäre. Seither wird von der ÖVP gegen die WKStA getrommelt, auch wegen der sehr langen Dauer von Verfahren. Bis zum ersten nichtrechtskräftigen Urteil dauerte es in der Causa Buwog über ein Jahrzehnt.
Dass Zadić im Sommer 2020 Sektionschef Christian Pilnacek nach vielen Beschwerden auch durch die WKStA aus der Weisungskette entfernte, sorgte koalitionsintern für größere Verwerfungen als bisher bekannt. Mit Blick auf die BVT-Affäre raunte man in der ÖVP sogar, dass sich Zadić als „neuer Herbert Kickl“entpuppe, der kurzen Prozess mit vermeintlich türkisen Beamten mache. Aber ist Pilnacek überhaupt „ÖVP“-nah? Der Ärger mit den Weisungen
Schon lange vor der Ibiza-Affäre hatte die WKStA dem Sektionschef unterstellt, Korruptionsverfahren gegen primär ÖVP-nahe Politiker und Beamte abdrehen zu wollen. In dieser Lesart interpretiert die Behörde auch die Affäre rund um das BVT, obwohl sie damals – wie der unabhängige Verfahrensrichter im U-Ausschuss schrieb – von der FPÖ instrumentalisiert worden sei.
Fakt ist dennoch, dass rund um prominente Causen wie Eurofighter oder Stadterweiterungsfonds, in denen gegen drei Sektionschefs im Innenministerium ermittelt wurde (drei rechtskräftige Freisprüche), eine Vielzahl von Weisungen auf die WKStA einprasselte – die deren Vorhaben durchkreuzten. In einer internen Dienstbesprechung am 1. April 2019 mit Pilnacek setzte sich die WKStA „zur Wehr“, indem sie ihn und Johann Fuchs, Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, aufnahm und danach anzeigte. Es folgte eine Gegenanzeige – ein noch nie dagewesener, in aller Öffentlichkeit ausgetragener Konflikt. Beide Anzeigen verliefen im Sand, hinterließen aber Spuren. In E-Mails überlegten Fuchs und Pilnacek, wie man der WKStA medial schaden könnte. Der damalige Justizminister Josef Moser (ÖVP) rief eine Mediation ein, die, wenn überhaupt, nur kurzzeitig Früchte trug.
Rund um die Ibiza-Affäre poppten die alten Animositäten wieder auf, es folgten Anzeigen gegen Fuchs und Pilnacek. Wieder befindet sich die WKStA also inmitten eines politischen Wirbelsturms. Recht ist das den wenigsten Mitarbeitern der Korruptionsbehörde. Man habe kein Interesse daran, Öl ins Feuer zu gießen, müsse zur Kenntnis gebrachtes mögliches Fehlverhalten aber anzeigen, heißt es. Man werde „ständig“in die Politik reingezogen, obwohl man eigentlich nur ermitteln wolle. Politisch thematisiert und medial aufgegriffen würden meist zwei, drei Großverfahren mit prominenten Beschuldigten, während die überwiegende Mehrheit der Ermittlungen, die reibungslos laufen, ignoriert wird.
Dazu kommt, dass der WKStA eine Armada an Anwälten und PR-Agenturen gegenübersteht, die mittels sogenannter „Ligitation PR“Ermittlungen beeinflussen wollen. Erst diese Woche kam bei der Staatsanwaltschaft Wien eine neue anonyme Anzeige mit Vorwürfen gegen einen Oberstaatsanwalt der WKStA an.
Gegenseitige Anzeigen, teils berechtigte Kritik der WKStA, teils überschießender Eifer: Eine hochexplosive Gemengelage, die auch Zadić bisher nicht entschärfen konnte. Aktionen wie das Anzeigen von Journalisten helfen dem Plädoyer für mehr Unabhängigkeit nicht. Die Behörde muss heikle Ermittlungsschritte seit der BVT-Affäre drei Tage im Vorhinein an Mitglieder der Weisungskette melden, das wird auch so bleiben.
Einer Großreform der WKStA erteilte Zadić jedenfalls eine Absage. Wenn, dann soll die Behörde noch mehr Ressourcen erhalten, um Großverfahren zügiger abwickeln zu können. Dass dadurch der Druck auf die WKStA sinken wird, ist zu bezweifeln – vor allem weil die Causen Casinos und Ibiza und andere sich daraus ergebende Verdachtsmomente noch lange nicht fertigermittelt sind.