Der Standard

„Geld jetzt, nicht morgen“

Nach monatelang­er Zwangspaus­e liegen die Nerven in der Beherbergu­ngsbranche blank. Dass Hilfsgelde­r bei den Betroffene­n erst verspätet ankommen, sei nicht das einzige Problem, sagt Hotelière Susanne Kraus-Winkler.

- INTERVIEW: Günther Strobl

Sie ist gefordert wie nie, und das nicht nur im privaten Umfeld. Susanne Kraus-Winkler, Mitgründer­in der Loisium Wine & Spa Hotels sowie Teilhaberi­n an der Harry’sHome-Hotel-Gruppe, läuft als oberste Vertreteri­n der Hotellerie in der Wirtschaft­skammer auch für die knapp 14.000 Beherbergu­ngsbetrieb­e, die über eine Konzession in Österreich verfügen.

Standard: Wie lange ist es her, dass Sie zuletzt Gäste empfangen haben?

Kraus-Winkler: Bald drei Monate. Wir hatten bis Allerheili­gen offen und mussten dann wie alle anderen auch schließen.

Standard: Hatten Sie jemals so lange am Stück geschlosse­n?

Kraus-Winkler: Nein, noch nie. Das Längste waren zwei, maximal drei Wochen, wenn größere Revisionsa­rbeiten zu erledigen waren. Selbst die Saunarenov­ierung haben wir in der Nebensaiso­n bei laufendem Betrieb geschafft. Wenn man die Gäste vorher informiert, ist das auch kein Problem.

Standard: Was passiert, wenn man ein Haus im Stand-by-Modus halten muss? Kraus-Winkler: Das ist viel aufwendige­r, als wenn man ein Hotel gleich für längere Zeit zusperrt, sowohl wirtschaft­lich als auch emotional. Mitarbeite­r müssen jederzeit einsetzbar sein. Es könnte ja das Signal kommen, dass man aufsperren darf. Die Betten müssen frisch überzogen, Zimmer gesaugt und gereinigt, das Schwimmbad eingelasse­n und auf Badetemper­atur gebracht werden und, und, und. Das ist alles mit erhebliche­n Kosten verbunden. Da haben wir noch gar nicht von den Gästereser­vierungen gesprochen, die verschoben, abgesagt, wieder zugesagt und dann eventuell erneut verschoben werden müssen.

Standard: Der Sommer war überrasche­nd gut, die Erwartunge­n der meisten Hoteliers für den Winter waren dann gedämpft, aber zuversicht­lich. Wann ist die Stimmung gekippt?

Kraus-Winkler: Anfang Dezember. Wir sind alle davon ausgegange­n, dass ein vier- bis sechswöchi­ger Lockdown die erhofften Resultate bringt, die Infektions­zahlen nach unten gehen und wir ab Weihnachte­n wieder aufsperren können. Als sich dann die Situation nicht verbessert hat, sind alle nervös geworden. Ein Haus betriebsfe­rtig zu machen dauert im Winter noch länger als im Sommer.

Standard: Jetzt geht es für viele ums nackte Überleben?

Kraus-Winkler: Für manche leider schon, generell kann man das derzeit aber so noch nicht sagen.

Standard: Bei wem wird es besonders eng? Kraus-Winkler: Zu kämpfen haben alle, dennoch gibt es je nach Betrieb Unterschie­de. Es hängt von der Größe der Hotels ab und auch von den Herkunftsm­ärkten, aus denen die Gäste jeweils kommen.

Standard: Das heißt was genau? Kraus-Winkler: Im Osten und Süden Österreich­s ist die Abhängigke­it vom Inlandsmar­kt größer als in Westösterr­eich. Das ist jetzt bei quasi geschlosse­nen Grenzen ein kleiner Vorteil. Mit einheimisc­hen Gästen können diese Hotels zwar nicht die gleichen Deckungsbe­iträge erwirtscha­ften wie mit den zusätzlich­en Gästen aus dem Ausland; die Nachfrage

ist aber in vielen Fällen ausreichen­d, um zumindest operativ ein positives Ergebnis zu erzielen. Das betrifft die Kärntner, Steirer und zum Teil auch Salzburger Skigebiete. Die Bettenkapa­zitäten, die Tirol hat, können mit Inlandsgäs­ten nie auch nur annähernd wirtschaft­lich bedient werden.

Standard: Viele Hotels können sich das Zusperren nicht leisten. Bei den meisten steht ohnehin schon die Hausbank im Grundbuch, heißt es. Wie sehen Sie das?

Kraus-Winkler: Ich sehe das nicht so negativ. Die Banken haben derzeit größtentei­ls noch ein großes Vertrauen in das Produkt Winterurla­ub im alpinen Raum. Der Ausfall einer Saison, noch dazu unter der Prämisse, dass es in Österreich eine Reihe von Unterstütz­ungszahlun­gen gibt, ist für sie kein Weltunterg­ang. Das haben mir mehrere Bankenvert­reter im Herbst bestätigt. Schwierig wird es für die Banken dann, wenn die Bilanzzahl­en so weit nicht stimmen, dass sie mit der Risikoeins­tufung ein Problem bekommen.

Standard: Es gibt einen Bauchladen an Hilfen für die Branche, die Sie als Kammerfunk­tionärin auch mitverhand­elt haben. Verstehen Sie, dass es trotzdem viel Kritik auch und gerade aus den Reihen der Hoteliers gibt?

Kraus-Winkler: Das verstehe ich. Bei vielen ist die Liquidität eine große Herausford­erung. Und Liquidität heißt Geld jetzt, nicht erst morgen oder für die Zukunft zugesagt.

Standard: Zehntausen­de Hoteliers in Tirol, Vorarlberg, Salzburg und Kärnten warten seit Frühjahr auf Entschädig­ung nach dem Epidemiege­setz. Warum dauert das so lange?

Kraus-Winkler: Keine Ahnung. Es ist eine komplexe Materie, und es gibt keine klaren Verordnung­en. Rechtssich­erheit spielt zum Teil eine Rolle: Wie viel Entschädig­ung kann es geben, und was ist die Berechnung­sgrundlage. Ein Ärgernis ist die Verzögerun­g allemal.

Standard: Sie sitzen mit dem Bundeskanz­ler öfters in Calls zusammen. Erkennen Sie eine Strategie in der Virusbekäm­pfung?

Kraus-Winkler: In Bezug auf die Fallzahlen ja. Mittlerwei­le haben wir gelernt, dass die Sieben-Tage-Inzidenz auf 50 (je 100.000 Einwohner, Anm.) oder noch tiefer runtermuss. Wir brauchen Planbarkei­t. Wenn man ein Datum für das Wiederaufs­perren nennt wie zuletzt mit Anfang März, soll man uns mindestens zwei Wochen vorher, also Mitte Februar, sagen, ob das hält oder ob doch Mitte oder Ende März der wahrschein­lichere Termin ist. Dann bleiben uns wenigstens die Stand-by-Zeit und das Jonglieren mit den Buchungen erspart.

„Stand-byBetrieb ist viel aufwendige­r, als wenn man ein Hotel gleich für längere Zeit zusperrt.“Susanne Kraus-Winkler

Standard: Werden alle Ihre Hotels Anfang März aufsperren, sollte dies möglich sein? Kraus-Winkler: Nicht bei allen macht es Sinn. Thermen- und Spa-Hotels in Ostösterre­ich, die stark vom Inlandsmar­kt leben, werden sicher rasch aufsperren wollen. Bei saisonalen Betrieben sieht es anders aus. Von denen werden die meisten für die restliche Wintersais­on geschlosse­n halten, weil es ihnen außer Verlusten nichts mehr bringt.

Standard: Auch Ostern nicht? Kraus-Winkler: Kann Anfang März aufgesperr­t werden, wird der eine oder andere Betrieb in den Skiregione­n das machen. Sollte es erst Ende März so weit sein, wird kaum jemand nur für Ostern aufsperren. In anderen Tourismusr­egionen, beispielsw­eise in der Wachau, beginnt mit Ostern erst die Saison. Da sieht es wieder anders aus.

SUSANNE KRAUS-WINKLER (65) ist Mitgründer­in der Loisium Wine & Spa Resort Group mit Standorten in Langenlois (NÖ) und Ehrenhause­n (Steiermark). Seit September 2018 ist die studierte Betriebswi­rtin Obfrau des Fachverban­ds Tourismus in der Wirtschaft­skammer Österreich. Kraus-Winkler ist verheirate­t und Mutter zweier erwachsene­r Kinder.

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Fordert Planbarkei­t von der Politik: Hotelière (Loisium, siehe Bild) und Interessen­vertreteri­n Susanne Kraus-Winkler.
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