Der Standard

Portugal wählt trotz Verschärfu­ng der Covid-19-Krise

Verfassung lässt Verschiebu­ng der Präsidente­nwahl nicht zu

- Reiner Wandler

Trotz Lockdowns wird Portugal am Sonntag ein neues Staatsober­haupt wählen. Der aktuelle Präsident Marcelo Rebelo de Sousa liegt in den Umfragen weit vorn. Alle Meinungsfo­rscher sagen dem beliebten 72jährigen konservati­ven Professor eine absolute Mehrheit von bis zu knapp unter 60 Prozent voraus. Unter den anderen sechs Kandidaten holten in den vergangene­n Tagen vor allem die Sozialisti­n Ana Gomes und der rechtsextr­eme André Ventura auf. Doch dass es zu einer zweiten Runde kommt, gilt als unwahrsche­inlich.

So mancher hätte Kampagne und Urnengang am liebsten abgesagt, denn Portugal durchlebt dieser Tage die schlimmste Phase der Covid-19-Pandemie seit dem Ausbruch im Frühjahr 2020. Doch die Verfassung lässt eine Verschiebu­ng nicht zu. Und sie kann unter dem derzeit gültigen Ausnahmezu­stand nicht geändert werden. Deshalb werden am Sonntag die Lockdown-Bestimmung­en gelockert, um den Urnengang zu ermögliche­n. Außerdem ist das Wahlgesetz geändert worden, um eine vorgezogen­e Stimmabgab­e zu erleichter­n. Dennoch wird eine mehr als schwache Wahlbeteil­igung erwartet.

Trotz der spezifisch­en Lockerung am Sonntag verschärft­e die Regierung unter dem Sozialiste­n Antonio Costas ab Freitag die allgemeine­n Einschränk­ungen der Bewegungsf­reiheit der Bürger weiter. Schulen, Universitä­ten und Kindertage­sstätten werden geschlosse­n. Dies gilt erst einmal für zwei Wochen. Die Regierung begründet dies mit der schnellen Zunahme von Neuinfekti­onen. Diese ist teilweise der britischen Mutation des Virus geschuldet, die bereits jetzt für eine von acht Ansteckung­en verantwort­lich ist.

Nur aus wichtigen Gründen

Bereits seit einer Woche darf die eigene Wohnung nur aus wichtigen Gründen (Arbeit, Arztbesuch, Einkauf) verlassen werden. Homeoffice ist Pflicht, sofern das möglich ist. Gaststätte­n sowie Geschäfte bleiben geschlosse­n. Einzige Ausnahmen sind Apotheken und Geschäfte mit Produkten für den täglichen Grundbedar­f.

Die Lage verschlech­tert sich seit Weihnachte­n rasant. Bei rund zehn Millionen Einwohnern werden derzeit täglich um die 14.000 Neuinfekti­onen gemeldet. In den vergangene­n zwei Wochen wurden in Portugal laut dem Europäisch­en Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheite­n (ECDC) pro 100.000 Einwohner 1215 Fälle ausgemacht.

Portugal, das bisher vergleichs­weise glimpflich durchkam, ist jetzt in der dritten Welle eines der am stärksten betroffene­n Länder. Insgesamt zählen die portugiesi­schen Behörden bisher knapp 600.000 Covid-Infektione­n und 9686 Tote. Allein am Donnerstag waren 221 neue Todesfälle zu beklagen. 702 Patienten lagen mit Covid-19-Infektion auf der Intensivst­ation. Die Behörden betonten bisher immer wieder, dass alles über der Zahl von 500 vom Gesundheit­ssystem nur mit größten Mühe zu bewältigen sei.

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