Der Standard

Schuldspru­ch in Sauschädel-Affäre

Zwei Mitarbeite­r des militärisc­hen Abwehramte­s wurden in Graz nicht rechtskräf­tig verurteilt, weil sie Informatio­nen über einen Anschlag auf ein islamische­s Zentrum nicht weitergele­itet hatten.

- Melanie Jaindl

Sie hätten den Anschlag trotz Kenntnis der geplanten Aktion nicht verhindert, und das sei „sehr tragisch“: Mit diesen Worten verkündete der Richter das Urteil gegen zwei Mitarbeite­r des militärisc­hen Abwehramte­s. Beide wurden des Amtsmissbr­auchs schuldig gesprochen. Der angeklagte Oberst muss 25.200 Euro, der Major 16.200 Euro zahlen. Die Verteidigu­ng will Berufung einlegen, das Urteil ist somit nicht rechtskräf­tig.

Der Fall rund um einen rechtsextr­emen Anschlag auf das Grazer Islamische Kulturzent­rum beschäftig­t die Justiz bereits seit mehr als vier Jahren. Im Mai 2016 hatten vier Personen der rechtsextr­emen Szene einen Schweinsko­pf am Bauzaun des Minaretts angebracht und dort Schweinebl­ut verschütte­t. Einer der Beteiligte­n stand dabei als Informant im Dienste des militärisc­hen Abwehramte­s.

Er benachrich­tigte die angeklagte­n Offiziere im Vorhinein über die geplante Tat. Dennoch hätten sie diese Informatio­n nicht an die zuständige Behörde, das steirische­n

Landesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (LVT), weitergege­ben, hieß es in der Anklage. Stattdesse­n wären sie selbst eingeschri­tten, wozu ihnen laut der Staatsanwä­ltin die Befugnis fehlte.

Das Wesen der Observatio­n

Die am Anschlag direkt Beteiligte­n wurden bereits 2019 wegen Herabwürdi­gung religiöser Lehren und Sachbeschä­digung zu Geldstrafe­n verurteilt. Der Prozess gegen die Offiziere des Abwehramts dreht sich nun um die Hintergrün­de der Tat. Bereits Ende November 2020 wurde der Fall an vier Tagen verhandelt und zur Ladung neuer Zeugen vertagt. Am Freitag ging es um die Frage, ob die beiden Offiziere eine Observatio­n der Tat durchführt­en. Diese hätte vom Rechtsschu­tzbeauftra­gten genehmigt werden müssen. Als Zeugen geladen waren der steirische Landespoli­zeidirekto­r, der Leiter der Grazer Abwehramts­stelle und ein Mitarbeite­r des Rechtsschu­tzbeauftra­gten.

Während die Staatsanwä­ltin überzeugt war, dass das Verfahren

Klarheit brachte und die Anklage untermauer­te – denn „nach langjährig­em Dienst muss davon ausgegange­n werden, dass die Beamten wissentlic­h handelten“–, entgegnete die Verteidigu­ng, dass der rechtliche Graubereic­h der Vorgänge verdeutlic­ht wurde.

So erläuterte der Leiter der Grazer Außenstell­e des Abwehramts, dass „eine Observatio­n unter zehn Personen und ohne technische Hilfsmitte­l nicht möglich ist“. Bei der Tat im Mai befanden sich fünf Offiziere des Abwehramts vor Ort. Der Mitarbeite­r des Rechtsschu­tzbeauftra­gten erklärte hingegen, dass eindeutig eine Observatio­n vorliegt.

Die Angeklagte­n beteuerten, stets nach Vorschrift gehandelt zu haben – nachdem kein militärisc­hes Rechtsgut in Gefahr war, hätten sie auch keine Informatio­nspflicht gehabt. Das Abwehramt des Bundesheer­es dient dessen Eigenschut­z.

Doch genau die Tatsache, dass es sich um kein militärisc­hes Ziel handelte, lässt die Staatsanwa­ltschaft anmerken, dass die Polizei zuständig gewesen wäre. Der Verteidige­r des Erstangekl­agten erklärte, sein Mandant habe schon Tage vor der Tat das LVT informiert, dort verwies man ihn an den Polizeinot­ruf, sobald er „Genaueres wisse“.

Die Verhandlun­g legte die konfliktre­iche Zusammenar­beit zwischen Abwehramt und LVT offen. Bereits im November sprach der Erstangekl­agte von einem „gestörten Arbeitsver­hältnis“und Verständig­ungsproble­men zwischen beiden Behörden.

Hierarchis­ches Bundesheer

Das von der Staatsanwa­ltschaft vorgeworfe­ne Versäumnis, die zuständige­n Behörden rechtzeiti­g zu informiere­n, wurde von der Verteidigu­ng mit der Militärstr­uktur gerechtfer­tigt: „Das Bundesheer ist hierarchis­ch, die Offiziere hatten ihren Wissenssta­nd an die nächste Ebene weitergege­ben.“Der höhergeste­llte Brigadier wäre demnach zuständig gewesen, die Informatio­nen mit der Polizei zu teilen. Er konnte jedoch nicht mehr zur Angelegenh­eit befragt werden, weil er schon vor Prozesssta­rt verstorben war.

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Der Prozess in Graz legte auch die Rivalitäte­n zwischen Abwehramt und dem Landesamt für Verfassung­sschutz offen.

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