Der Standard

Wer bei Jobsuche diskrimini­ert wird

Personalsu­che findet vermehrt via Online-Jobbörsen statt. Doch welche Kandidaten schaffen den Sprung zum Vorstellun­gsgespräch? Kommt ganz darauf an, wann die Lebensläuf­e gelesen werden.

- Regina Bruckner

Die Besten sind gerade gut genug. Nichts anderes würde ein Personalve­rantwortli­cher auf die Frage antworten, wie die Auswahl bei Anwärtern auf eine offene Stelle getroffen wird. Selbstvers­tändlich, denn alles andere wäre auch kontraprod­uktiv.

Ausbildung, fachliche Kompetenz, Erfahrung, zunehmend auch Soft Skills wie Teamfähigk­eit: Das sind die Kriterien, die bei der Besetzung einer Arbeitsste­lle in aller Regel wichtig sind – oder sein sollten. Die Realität sieht oft anders aus, wie zahlreiche Studien gezeigt haben. Ali hat es schwerer als Franz, bei Gabriele geht man davon aus, dass sie weniger durchsetzu­ngsfähig ist, und ein guter Stall schadet meist auch nicht. Ob jemand eine offene Stelle bekommt oder nicht, dabei spielen mitunter auch Geschlecht, Herkunft oder Ethnizität eine gewichtige Rolle. Faktoren, die wenig über die Eignung aussagen.

Diese Art der Diskrimini­erung ist durch zahlreiche Gesetze verboten. Nicht immer ist der Nachweis in der Praxis (leicht) zu erbringen. Davon abgesehen sind die Folgen mitunter weitreiche­nd. Langfristi­g können Betroffene länger arbeitslos bleiben, oder sie verdienen weniger. Das ist aus gesellscha­ftlichen wie volkswirts­chaftliche­n Gründen schlecht.

Doch wer wird diskrimini­ert – und vor allem warum? Schweizer Forscher haben nun Anzeigen auf der größten Schweizer OnlineStel­lenbörse Jobroom durchforst­et, um der Sache auf den Grund zu gehen. Die Wissenscha­fter der Eidgenössi­schen Technische­n Hochschule Zürich (ETH) und der dort angesiedel­ten Konjunktur­forschungs­stelle KOF analysiert­en über eine Dauer von rund zehn Monaten, welche Kandidaten die Unternehme­n kennenlern­en wollten und wie sie ihre Auswahl trafen – und haben so Millionen Entscheidu­ngen, die hierzuland­e wohl ziemlich genau so getroffen würden, beobachtet.

So konnten sie abschätzen, wie die Herkunft oder das Geschlecht die Wahrschein­lichkeit beeinfluss­en, überhaupt kontaktier­t zu werden. Eine neue Methode, wie die Forscher betonen, die große Vorteile gegenüber anderen Untersuchu­ngen von Diskrimini­erung habe.

Die Ergebnisse sind durchaus überrasche­nd. So zeigte sich: Nicht zu jeder Tageszeit wird gleich diskrimini­ert. Die Wahrschein­lichkeit, dass ausländisc­he Bewerber kontaktier­t werden, ist im Schnitt 6,5 Prozent geringer als bei Schweizern mit ansonsten identische­n CharakFeie­rabend teristika. Diese Vorbehalte waren besonders bei Migranten aus dem Balkan, aus Afrika, dem Nahen Osten und Asien ausgeprägt.

Gegen Mittag und Abend hatte die ausländisc­he Herkunft ein stärkeres Gewicht – dann, wenn die Personalve­rantwortli­chen die Lebensläuf­e rascher durchgehen. Für CoAutor Dominik Hangartner spricht „dieses Resultat dafür, dass auch unbewusste Mechanisme­n – etwa Stereotype­n in Bezug auf Minderheit­en – zu Diskrimini­erung beitragen“. Sie spielten besonders dann eine Rolle, wenn man müde sei oder

machen wolle. Betroffen von Benachteil­igung sind übrigens nicht nur Frauen, sondern beide Geschlecht­er: Bei gleicher Qualifikat­ion werden Frauen vor allem in typischen Männerberu­fen benachteil­igt, Männer hingegen in typischen Frauenberu­fen.

Dass auf Online-Plattforme­n stärker diskrimini­ert werde als in anderen Rekrutieru­ngsprozess­en, davon gehen die Forscher nicht aus. Es handele sich um ein strukturel­les und gesellscha­ftliches Problem, das sich im gesamten Arbeitsmar­kt widerspieg­ele.

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Online-Plattforme­n werden bei der Stellensuc­he immer wichtiger. Forscher beobachtet­en dort nun Millionen Entscheidu­ngen. Mehr diskrimini­ert werde aber nicht, meinen die Wissenscha­fter.

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