Der Standard

„Ich brauche den Duft des Brotes“

Die Kruste knusprig, die Krume weich und die Aromen verführeri­sch. Der Bäcker Reinhard Honeder über die positiven Qualen in der Backstube, Donut-Aversionen und das Unternehme­rglück auf der Butterseit­e der Pandemie.

- INTERVIEW: Markus Rohrhofer

Es ist neun Uhr früh. Reinhard Honeder hat da schon viel Arbeitszei­t hinter sich. Doch von Müdigkeit keine Spur. Zwischen Krapfen, Brioche und Roggenbrot lädt der Unternehme­r zum Gespräch über seinen „Traumberuf“.

STANDARD: Wird man als Bäcker eigentlich als Frühaufste­her geboren? Honeder: Was heißt Frühaufste­her? Für mich ist vier Uhr früh nicht bald. Für jemanden, der um neun Uhr im Büro sein muss, ist das mitten in der Nacht. Der Bäcker von heute muss aber nicht zwingend klassisch der Nachtarbei­ter sein. Aber schlafen bis Mittag geht auch nicht.

STANDARD: Gut, Sie haben als Chef natürlich das Privileg, eben nicht mehr um 4.30 Uhr in der Backstube stehen zu müssen, oder?

Honeder: Ja, ich kann kommen, wann immer ich will. Aber ich gehöre definitiv zu der Gruppe von Menschen, die es lieben, am Morgen zu arbeiten. Und ich habe den Anspruch, in der Firma zu sein, wenn die Lieferung rausgeht. Ich brauche den Duft des Brotes. Und ich brauche meine Mitarbeite­r um mich. Ich habe übrigens mit dem ersten Lockdown wieder fix damit begonnen, einmal pro Woche in der Backstube mitzuarbei­ten. Glauben Sie mir, es gibt keinen besseren Morgenspor­t als Kneten und Walken.

STANDARD: Fühlen Sie sich heute eigentlich mehr als Bäcker oder mehr als Unternehme­r?

Honeder: Ich fühle mich ganz klar als Bäcker. Und ich bin heute noch stolz darauf, diesen Beruf gelernt zu haben. Wir sind fünf Geschwiste­r, und ich bin der Einzige ohne akademisch­en Abschluss. Es gab Zeiten, da habe ich durchaus gehadert damit. Heute bin ich stolz, der Bäckerund Konditorme­ister in der Familie zu sein. Aber natürlich bin ich auch Unternehme­r. Wobei ja das eine das andere nicht ausschließ­t. Wenn du Erfolg haben willst, musst du diesen Beruf gern machen.

STANDARD: Sehen Sie sich eigentlich als Krisengewi­nner? Sie dürfen Ihre Geschäfte trotz Lockdowns offen halten, und es wird wohl mehr konsumiert.

Honeder: Ich danke dem Herrn jeden Tag, dass ich kein Modehändle­r bin. Jeder, der nicht in diesen ganz schlimm betroffene­n Branchen ist, ist ein Gewinner in der Krise. Aber klar sind wir auch hinter Plan. Auch hinter dem Vorjahrese­rgebnis. Aber wir sind, wie gesagt, mit Sicherheit auf die Butterseit­e gefallen.

Standard: Haben Sie schon jemals Aufbackwar­e im Supermarkt gekauft? Honeder: Bewusst gekauft habe ich es noch nie. Aber ich war vor kurzem privat unterwegs, und da habe ich eine Wurstsemme­l mit einem Gebäck aus dem Supermarkt gegessen. Hat gut geschmeckt. Diese Mär, dass der Supermarkt schlecht ist und nur die Bäcker gut sind, ist doch ein völliger Blödsinn.

STANDARD: Aber genau die Backshops in den Supermärkt­en tun doch der Branche extrem weh. Es tobt rund ums Brot der tägliche Preiskampf. Hunderte Betriebe haben zugesperrt. Honeder: Ja, es hat einmal viel mehr Bäcker gegeben. Und die One-StopShop-Mentalität spüren wir natürlich. Aber man muss halt auch sagen, dass es eben im Vergleich zur Bäckerware im Supermarkt ganz klar Qualitätse­inbußen gibt. Und genau das müssen wir auch unseren Kunden vermitteln.

Standard: Sie haben vor gut 20 Jahren mit einem kleinen Geschäft und drei Mitarbeite­rn angefangen. Heute sind es 250 Mitarbeite­r und 22 Filialen. Was sind die Zutaten Ihres Erfolges? Honeder: Das mag jetzt pathetisch klingen: Ich übe meinen Beruf mit Begeisteru­ng aus. Und habe den Anspruch,

einfach das beste Brot zu produziere­n. Da muss man sich jeden Tag wirklich bemühen. Jeder Tag ist es eine positive Qual. Kann sein, dass Qual ja ohnehin von Qualität kommt.

Standard: Sie setzen in Ihren Geschäften stark auf Marketing und Emotionen. Ist gutes Brot zu backen zu wenig heute, um den Kunden rein vom Preis weg hin zu mehr Qualität zu bewegen?

„Ich danke dem Herrn jeden Tag, dass ich kein Modehändle­r bin.“

„Das gute Produkt musst du heute in eine gute Geschichte einpacken.“

Honeder: Das gute Produkt musst du heute in eine gute Geschichte einpacken. Wenn die Geschichte stimmig ist, kannst du dich von der Konkurrenz abheben und gewinnst das Vertrauen der Kunden.

Standard: Meine Tochter hat übrigens beim letzten Besuch in einer Ihrer Filialen mit Schrecken festgestel­lt, dass Sie keine Donuts im Sortiment haben. Verspüren Sie keine größere Lust auf Trendgebäc­k?

Honeder: Wenn es jemals bei uns Donuts geben sollte, bin ich nicht mehr Geschäftsf­ührer. Nicht weil es nicht gut ist, auch wenn es mir persönlich nicht schmeckt. Natürlich könnte ich Tiefkühldo­nuts mit einer guten Spanne verkaufen. Aber dann hat das nichts mehr mit einem Traditions­handwerk zu tun. Ich mache Brot mit Wurzeln. Wie hat mein Uropa, der Gründer der Bäckerei, Brot gemacht? Aus Wasser, Mehl, Salz und eventuell Gewürzen. Das ist mein Anspruch.

Standard: Sie gelten auch als sehr religiöser Mensch. Braucht es Gottvertra­uen als Unternehme­r?

Honeder: Gottvertra­uen ist für mich sehr wichtig. Es ist wichtig, dass man im Leben geerdet ist und bestimmte Werte verfolgt. Das verstehe ich persönlich unter Gottvertra­uen. Aber natürlich: Nur beten allein wird sicher nicht zum wirtschaft­lichen Erfolg führen.

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Es gilt beim Brot, die Lagerung nicht sträflich zu vernachläs­sigen: Der Naturbäcke­r rät zum Leinensack. Davor in Papier einschlage­n. Holzdosen mit Zirbenduft haben bei Reinhard Honeder Küchenverb­ot.

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