Aufschrei statt Aufschlag
Österreichs Tennishallenbetreiber fordern eine Öffnung, sie fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. ÖTV-Sportdirektor Jürgen Melzer sind die Hände gebunden.
Knapp zwei Wochen ist es her, dass Sportminister Werner Kogler ein Aufsperren der Tennishallen in Aussicht gestellt hat. „Meine Überzeugung ist, dass man indoor beim Tennis eine Ausnahme machen, eine Lösung mit Hausverstand finden kann“, sagte Kogler. Passiert ist seitdem nichts. Indes wurde eine Interessensvertretung für Österreichs Tennis- und Racketsporthallen (ÖTR) gegründet, die auf die finanzielle Not der Hallenbetreiber aufmerksam macht.
„Warum soll die Ansteckungsgefahr auf einem 660 Quadratmeter großen Tennisplatz, auf dem nur bis zu vier Menschen spielen, größer sein als in einer Skigondel oder in Menschenschlangen vor Eislaufplätzen?“, fragt sich Renate Schiffer, Betreiberin der Europahalle, Österreichs größter Tennishalle in WienLiesing. Die Hilfsmaßnahmen der Politik sind laut Schiffer nicht zielführend. „Die Abonnement-Stunden
machen in einer wirtschaftlich geführten Racketsporthalle zwischen 60 und 80 Prozent des Winterumsatzes aus und werden in der Regel zwischen August und Oktober einbezahlt. Daher greifen die Umsatz-Ersatz-Maßnahmen der Regierung für die Folgemonate nicht.“
Schiffer ist im Vergleich zu anderen Hallenbetreibern in Österreich in der glücklichen Situation, eine Halle auf Eigengrund zu betreiben, zahlt keine Miete oder Pacht. „Mein Vater hat das für uns hart erarbeitet.“
Trotzdem wird sie nach dem nun verlängerten Lockdown ein Minus von mehr als 200.000 Euro in ihrer Bilanz stehen haben. Andere, kleinere Hallenbetreiber stehen vor dem finanziellen Ruin. Für manche lohnt sich das Aufsperren schon in normalen Zeiten nicht mehr. Die 57-jähsowohl rige Schiffer erzählt von Branchenkollegen, die Indoor-Tennisplätze zu Trampolinhallen oder Hundesportzentren umgebaut hätten.
Jürgen Melzer ist Sportdirektor des Österreichischen Tennisverbands (ÖTV), er versteht die Klagen der Hallenbetreiber. „Wenn ich den Schlüssel für die Hallen hätte, ich würde sie aufsperren. Aber die Politik macht uns die Tür nicht auf“, sagt Melzer zum STANDARD. Der ÖTV sei nicht untätig, vermittle im Hintergrund, habe Präventionskonzepte abgegeben. „Aber wir können nicht mehr, als glaubhaft machen, dass gespielt werden kann.“Sorgen macht dem 39-jährigen Ex-Profi, dass Sportinfrastruktur verlorengehen könnte. „Tennishallen, die nicht mehr aufsperren, sind natürlich der Worst Case.“Kritiker einer Öffnung monieren, dass bei An- und Abreise als auch in der Dusche Abstandsregeln nicht eingehalten werden könnten. Ein gemeinsames Bier danach ist ohnehin undenkbar. Eine Lösung wäre, in der vollen Tennismontur anzureisen oder Umziehen auf dem Platz.
Renate Schiffer hat jeweils zwei Eingänge zu ihren Plätzen, Abziehnetze werden jeden Tag desinfiziert. „Das Contact-Tracing wäre bei uns leichter, weil wir unsere Kunden kennen, die meistens Fixstunden spielen.“
Ist der Tennissport ein Opfer einer gewissen Gleichbehandlung gegenüber anderen Sportarten? Schiffer glaubt, dass die Politik Angst vor Klagen von Betreibern anderer Indoor-Sporteinrichtungen habe. „Es ist aber ein Unterschied, ob Menschen in einem Fitnessstudio mit wenig Abstand trainieren oder ob jemand 300 Quadratmeter Platz hat. Indoor ist nicht gleich indoor.“