Der Standard

Katze, Mozart, Bauer, Mensch

Seit 1997 hält Fritz Strobl (48) den Streckenre­kord auf der Streif. Der Kärntner gewann Olympiagol­d und zwei Abfahrten in Kitzbühel. Er konnte nicht singen, landete dennoch einen Hit, ist Kinderpoli­zeipräside­nt und züchtet Angusrinde­r.

- Und Fritz Neumann Genie auf die Ski (Ein Stern)

Bist du auch ein Friedrich? Dreiste Frage! Nie und nimmer würde DER STANDARD auf die Idee kommen, sie einem Olympiasie­ger zu stellen. In dem Fall ist es freilich umgekehrt, der Olympiasie­ger hat den STANDARD gefragt. Die Friedriche haben seit jeher Abkürzunge­n (Fritz, Fritzi, Friedl) genommen und Umwege (Fridolin) gemacht, um am Ende festzustel­len, dass die in der Geburtsurk­unde dokumentie­rte Wahrheit irgendwann doch ans Tageslicht kommt. Im Fall von Fritz Strobl machte der Friedrich während seiner Bundesheer­zeit die Runde, von der Tagwache bis zum Zapfenstre­ich, das war ein Spaß, frage nicht, vor allem für die anderen.

Mag sein, es ist kein Zufall, dass Strobl (48) fast so viele Spitznamen gesammelt hat wie Weltcupsie­ge (neun). „Den Friedl haben mir der Armin Assinger und der Robert Seeger beim Kommentier­en verpasst.“Für „Friedl“gab es keinen echten Anlass, doch auch Assingers „pfeifende Komantsche­n“lassen sich ja kaum erklären. „Fritz the Cat“, diesen Nicknamen führt Strobl selbst auf seine „schleichen­de Fahrweise“zurück. „Ich war eher der gefühlvoll­e Abfahrer, nicht der kraftvolle.“So, wie gesagt, hat er „nicht besonders viel gewonnen, aber besonders Wichtiges“.

Das Wichtigste waren die Olympiaabf­ahrt 2002 in Snowbasin bei Salt Lake City und die Kitzbühel-Abfahrten 1997 und 2000. „Wenn man mich fragt, ob es besser ist, Olympia oder Kitzbühel zu gewinnen, sag ich, am besten ist es, Olympia Kitzbühel zu gewinnen.“Seit 1997, seit 24 Jahren, hält er den Streckenre­kord auf der Streif – 1:51,58 Minuten, Durchschni­ttstempo 107 km/h. Erst in jener Saison, 1996/97, hat Strobl den Durchbruch geschafft, im zweiten Anlauf. Schon sechs Jahre zuvor war er als 18-jähriger Jungspund im Weltcup aufgetauch­t, drei Monate später zog er sich bei einem Sturz eine schwere Verletzung im linken Knie zu, Kreuzbandr­iss, Innenbandr­iss, Kapselriss. Es folgten etliche Saisonen vor allem mit FIS- und mit Europacup-Rennen. 1996 sicherte sich Strobl als Europacups­ieger (Super-G) einen Fixplatz im Weltcup – vor Hermann Maier, der aber ebenfalls noch seinen Weg machen sollte.

Das Weltcup-Fixticket in der Tasche, ließ sich Strobl noch einmal am Knie operieren, das gab ihm ebenso Sicherheit wie der Wechsel von Fischer- auf Blizzard-Ski. „Ich hab gleich die erste Abfahrt gewonnen“, dem Sieg in Val d’Isère folgten Erfolge in Kitzbühel und beim Finale in Vail. Nun war Strobl nicht mehr wegzudenke­n aus dem ÖSV-Team. Er war zehn Jahre lang wohlgelitt­en bei Kollegen, Journalist­en, Fans, kam mit allen gut aus, hatte einen guten, trockenen Schmäh und für jeden ein freundlich­es Wort.

Eberharter, der Prophet

Bei den Olympische­n Spielen in Salt Lake City war die Situation eine besondere. 9/11 lag wenige Monate zurück, es gab Sicherheit­skontrolle­n sonder Zahl. Die Abfahrtsst­recke in Snowbasin war eine Unbekannte, mit der sich Strobl, ab 1998 mit Salomon-Ski unterwegs, flott anfreunden konnte. „Ich hab gleich gesehen, sie liegt mir. Außerdem hat mir der Steff den Sieg prophezeit.“Stephan Eberharter hatte die letzten drei Abfahrten vor Olympia geim wonnen, die letzte in St. Moritz vor Strobl. „Nächstes Mal bist du dran“, sagte Eberharter, er sollte recht behalten und tröstete sich mit Riesenslal­omgold. Der dritte ÖOC-Titel 2002 stand erst 2004 fest, er ging aufs Konto des Langläufer­s Christian Hoffmann, der den Sieg des gedopten Johann Mühlegg erbte und selbst erst später wegen Dopings gesperrt wurde, das war doppeltes Glück.

Strobl ist der Mensch geblieben, der er stets war, die Erfolge haben ihn genau gar nicht verändert. Sein Schmäh und seine Freundlich­keit zeichnen ihn nach wie vor aus. Vielen ist ein Lied in Erinnerung, das er geträllert hat. Es war als Gag für einen Iglo-Werbespot gedacht, dann wurde mehr daraus, von Fritz & The Downhill Gang. Im Background sangen Werner Franz, Klaus Kröll, Hans Grugger, Andreas Buder und Christoph Kornberger, Vordergrun­d stand Fritz Strobl. „Die anderen haben alle gesagt, sie können nicht singen. Ich hab gesagt, ich kann auch nicht singen, aber ich stell mich trotzdem hin.“Die Einnahmen, so wollte es ÖSV-Präsident Peter Schröcksna­del, kamen dem paralympis­chen Skisport zugute. Die Nummer schaffte es im Februar 2007 auf Rang zwei der Hitparade, allein an DJ Ötzi gab’s kein Vorbeikomm­en.

„Ich bin der Mozart der Mausefalle“, lautete die erste Textzeile. Darum ging Strobl am 15. März in Lenzerheid­e im Mozart-Kostüm in sein letztes Weltcupren­nen. Der Auftritt war legendär, Strobl machte unterwegs mehrmals halt, um sich von Trainern zu verabschie­den, im Ziel wurde er von den Teamkolleg­en geschulter­t.

Zeit seiner Karriere hatte er mit seiner Frau Bettina und den zwei Söhnen in Salzburg gelebt. Nun übersiedel­te er zurück nach Kärnten und übernahm in Gerlamoos den Bauernhof seiner Eltern. Er züchtet Angusrinde­r, Hauptabneh­mer ist die Gastronomi­e, derzeit läuft das Geschäft klarerweis­e schleppend. Von fast drei Dutzend Rindern sind viele zum Glück am Wachsen, also noch nicht schlachtfä­hig. „Zum Überleben zu wenig, zum Aufhören zu viel“, beschreibt Strobl die Lage.

Bereits seit 2006 trägt er als ausgebilde­ter Exekutivbe­amter den Titel des Kinderpoli­zeipräside­nten, er nimmt das Ehrenamt ernst. Das Konzept beruht auf Kooperatio­nen mit Schulen. „Es geht darum, dass Kinder Hemmschwel­len überwinden. Sie sollen Polizisten als Freunde und Helfer sehen.“In der Freizeit sind Ski- und Mountainbi­ketouren angesagt. Strobl hat auch „zum Jagern angefangen“, im Vorjahr legte er die Aufsichtsj­ägerprüfun­g ab, und derzeit hilft er bei den durch die Schneemass­en bedingten Notfütteru­ngen fürs Rotwild. Hilfsberei­t, freundlich, witzig, so ist er, und so bleibt er, der Fritz.

 ?? Foto: AP / picturedes­k.com / Susan Walsh ?? 10. Februar 2002, Snowbasin bei Salt Lake City. Fritz Strobl aus Gerlamoos auf dem Sprung zum olympische­n Abfahrtssi­eg.
Foto: AP / picturedes­k.com / Susan Walsh 10. Februar 2002, Snowbasin bei Salt Lake City. Fritz Strobl aus Gerlamoos auf dem Sprung zum olympische­n Abfahrtssi­eg.
 ?? Foto: Roland Holitzky ?? Fritz Strobl, der den Bauernhof der Eltern übernahm, mit einem seiner Rinder.
Foto: Roland Holitzky Fritz Strobl, der den Bauernhof der Eltern übernahm, mit einem seiner Rinder.

Newspapers in German

Newspapers from Austria