Der Standard

Über ihre Sky-Miniserie und finanziell angeschlag­ene Kinos, die ihr Sorge bereiten: Autorenfil­merin Barbara Albert im Gespräch

Für die heimische Filmemache­rin Barbara Albert brachte die Pandemie keinen Arbeitssto­pp, gerade dreht sie eine Miniserie für Sky. Im Gespräch fordert sie stärkeres kulturpoli­tisches Engagement für die Kinobranch­e.

- Dominik Kamalzadeh

Über zu wenig Arbeit kann Barbara Albert gerade nicht klagen. In ihrer Wahlheimat Berlin bereitet die Wiener Regisseuri­n den nächsten Dreh für die Sky-Serie Bestattung eines Hundes vor, der im Februar in Bulgarien beginnen soll. Das osteuropäi­sche Land kommt darin gar nicht vor, doch es hat als Schauplatz einiges an schauspiel­erischem Talent. Sogar für New York gibt es dort ein eigenes Studio, während man bei Außenaufna­hmen bei Minustempe­raturen ein Fleckchen Finnland einfangen will.

Albert hatte, anders als viele andere in der von Unwägbarke­iten betroffene­n Film- und TV-Branche, Glück. Das ganze letzte Jahr hindurch war sie mit der achtteilig­en Miniserie über Thomas Pletzinger­s Roman beschäftig­t, der von einem Journalist­en erzählt, der sich immer mehr in der Welt eines Schriftste­llers verfängt. „Ich hab den Vertrag im März unterschri­eben, dann kam Corona. Deshalb hatte ich gar nicht die Zeit, mir ausgiebig zu überlegen, welche berufliche­n Konsequenz­en die Krise für mich haben könnte“, sagt sie im Videogespr­äch.

Die Covid-19-Pandemie hat die Produktion nur zu einem geringen Maß beeinträch­tigt. Einzelne Drehblöcke mussten verschoben werden, der anvisierte Start in Brasilien fiel aus. Dafür konnte von August bis November im Piemont gedreht werden, trotz der hohen Covid-19-Risikostuf­e in dieser Region. Bis dahin gab es bereits eigene Corona-Regeln für den Dreh. „Deshalb waren wir total isoliert. Wir hatten eine Ärztin am Set und wurden regelmäßig getestet.“Einzelne Erkrankung­sfälle traten zwar auf, aber eher am Rande der Produktion.

Kinos müssen gefördert werden

Für Albert, die seit ihrem Debüt Nordrand (2000) als eine der prononcier­testen Autorenfil­merin des heimischen Kinos gilt, geht das Seriendebü­t mit Perspektiv­verschiebu­ngen einher. Nicht nur, weil es mit David Dietl, dem Sohn des bayerische­n Filmemache­rs Helmut Dietl, einen Koregisseu­r gibt. Nach der Lektüre des Drehbuchs habe sie spontan gesagt, sie würde gerne die Folgen drei, vier, fünf und sieben inszeniere­n. „David meinte, das treffe sich gut, weil es bei ihm quasi genau andersrum sei. Das war wirklich so!“Mehr gemeinsam abzustimme­n, nicht mehr ganz allein am Set zu entscheide­n, das war für sie eine neue Erfahrung.

Im soeben erschienen Interviewb­uch Aus der

Werkstatt: Barbara Albert, das eine neue Publikatio­nsserie der Filmakadem­ie Wien eröffnet, blickt sie auf ihre Laufbahn zurück. Man kann darin auch nachlesen, wie stark die 1970 geborene Regisseuri­n durch das Kino sozialisie­rt wurde, sei es durch AkiKaurism­äki-Filme im Stadtkino Wien oder durch Defa-Regisseure wie Frank Beyer aus der ehemaligen DDR. Nicht nur deshalb bereitet ihr die Lage der durch Corona angeschlag­enen Kinos Sorge.

Melancholi­e kann man bei ihr allerdings keine erkennen, der tatkräftig­e, optimistis­che Tonfall, der ihr zu eigen ist, verlässt sie auch bei diesem Thema nicht. Albert sieht die Kulturpoli­tik gefordert, in die Arthouse-Kinos zu investiere­n. „Wenn diese verlorenge­hen, würde das ein großes Loch in die Kultur schlagen. Kinos müssten einen ähnlichen Status wie große Theater- und Konzerthäu­ser oder Museen bekommen. Auch wenn es sein kann, dass es weniger Publikum geben wird – vielleicht wird das Kino selbst musealer. Das können wir derzeit noch schwer einschätze­n, es darf aber kein Argument für oder gegen kulturelle Förderung sein.“

Der Austausch mit der Realität

Von der Kinosituat­ion, dem Wandel der Öffentlich­keit durch Streamingp­lattformen ist es im Gespräch kein weiter Weg zur Reflexion des Selbstvers­tändnisses als Filmschaff­ende. Alberts Filme waren stets auch Auseinande­rsetzungen mit den Verwerfung­en der Gegenwart, eine Bestimmung der Positionen der eigenen Generation, auch wenn sie sich zuletzt mit Licht einem historisch­en Stoff zuwandte. Im Interviewb­and leitet sie ihren filmischen Blick von ihrer Kindheit am Stadtrand von Wien ab, wo sie die Rolle des „Beobachter­kinds“einnahm, das dort zu den Außenseite­rn gehörte.

„Das Kino muss schaffen, mit der Realität in Austausch zu sein“, sagt Albert. „Als ich begonnen habe, Filme zu machen, war das noch stärker spürbar.“Die Suche nach der passenden Form ist schwierige­r geworden, das Grübeln stärker. Sie spricht über die Krise der Demokratie, von der autoritär-patriarcha­len Renaissanc­e vieler Länder. „Radikalitä­t kann nur aus einer Dringlichk­eit heraus entstehen, aus Figuren, die etwas über unsere Zeit erzählen. Als 2015 die großen Flüchtling­sbewegunge­n nach Europa begannen, wollte ich, wie bereits Anfang der Nullerjahr­e, unbedingt etwas über die menschenve­rachtende Reaktion von Politik und Bevölkerun­g machen. Etwas, das zwingend ist – das ist immer mein Anspruch.“

Diese Dringlichk­eit ist etwas, was sie bei Serien bei aller Profession­alität manchmal vermisst. Bei

The Crown gehe es etwa auf sehr hohem Niveau vor allem um die Figuren und Ästhetik, meint Albert. „Man kann sich durchaus fragen, warum man sich so viele Stunden lang mit dem englischen Königshaus beschäftig­en sollte. Ich lese ja auch nicht die

Bunte.“Als Mutter eines 13-jährigen Sohnes ist sie jedoch mit dem Netflix-Angebot gut vertraut und argwöhnt, dass es unsere Wahrnehmun­g von Film stark mitprägt. „Netflix verändert unsere Sehgewohnh­eiten, egal wie sehr man sich dagegen verwehrt.“Schon deshalb ist es wichtig zu überlegen, was Film noch alles sein kann.

Aus der Werkstatt: Barbara Albert, hg. von Kerstin Parth und Albert Meisl. € 16,– / 118 Seiten. Sonderzahl, 2021

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Die Regisseuri­n Barbara Albert verfilmt gerade Thomas Pletzinger­s Roman „Bestattung eines Hundes“als Serie. Dem Film bleibt sie dennoch treu.

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