Der Standard

„Es herrscht keine Ruhe, sondern Panik“

Die Galerien befinden sich im Ausnahmezu­stand. Der internatio­nal erfolgreic­he Galerist Thaddaeus Ropac ist langfristi­g dennoch optimistis­ch. Die Planung der großen Kunstmesse­n müsse man aber überdenken.

- INTERVIEW: Katharina Rustler

Der Galerist Thaddaeus Ropac vertritt mit seinen Galerien über 60 Künstler und Künstlerin­nen – darunter Größen wie Lee Bul, Arnulf Rainer oder Georg Baselitz. Mit seinen Galeriesta­ndorten in London, Paris und Salzburg, Büros in Hongkong und New York sowie insgesamt über 100 Mitarbeite­rn zählt er zu den Global Playern. Wir erreichen ihn in seiner Galerie in Paris, wo gerade eine Ausstellun­gseröffnun­g stattfinde­t.

STANDARD: Als wie unterschie­dlich nehmen Sie die Situation in Salzburg, Paris und London aktuell wahr?

Ropac: In London ist die Galerie momentan ganz zu, da sind die Bewegungsa­bläufe sehr eingeschrä­nkt. In Salzburg haben wir auch geschlosse­n, wobei wir intern arbeiten können. Und in Paris sind beide Galerien geöffnet und auch sehr frequentie­rt. Weil hier die Museen geschlosse­n sind, sehen viele Menschen die Galerien als Ersatz. Letzten Samstag hatten wir sogar 700 Besucher. Paris war immer der Standort, der am meisten Besucher hatte, auch intensiver als London.

STANDARD: Inwiefern wird sich das jetzt durch den Brexit verändern? Wird Paris noch stärker werden?

Ropac: Ja, Paris erlebt hier gerade eine Renaissanc­e. Das hat mit dem Brexit zu tun, aber nicht nur. Für London wird vor allem der Transport komplexer, wir müssen extra jemanden für die Logistik anstellen. Ansonsten wird sich nicht viel ändern. In London sitzen die großen Museen und Auktionshä­user, der Kunstmarkt ist fein ausgeprägt. Das kann man nicht so schnell ersetzen.

STANDARD: Welche langfristi­gen Auswirkung­en wird die Pandemie auf den Kunstmarkt haben?

Ropac: Langfristi­g erwarte ich überhaupt keine Auswirkung­en. Hoffentlic­h wird sich die Lage bis 2023 normalisie­ren, die nächsten zwei Jahre werden uns die Folgen noch begleiten. Mittelfris­tig müssen wir den Schaden aufräumen. Wir versuchen, abgesagte Ausstellun­gen auf neue Termine zu legen. Das Wichtigste aber ist, dass wir das Einkommen und die Sichtbarke­it unserer Künstler garantiere­n.

STANDARD: Welchen Einfluss haben die gekürzten Ankaufseta­ts der Museen für die Galerien?

Ropac: Einen massiven. Manche dieser Ankäufe werden ja lang im Vorhinein geplant. Das heißt, ein Museum entscheide­t Anfang 2020, etwas im Budgetjahr 2021 zu kaufen und es bis 2022 fertig zu bezahlen. Viele solcher Vereinbaru­ngen können jetzt nicht eingehalte­n werden. Da versuchen wir aber, flexibel zu sein und den Museen zusätzlich­e Zeiträume zu geben.

STANDARD: In der Krise haben Sie junge Kunstschaf­fende mit Ausstellun­gen unterstütz­t. Ist die Situation für diese noch schwierige­r geworden?

Ropac: Ja, aber nur kurzfristi­g. Ich bin überzeugt, dass es nach der Krise einen unerwartet­en Boom geben wird. Vieles wird nachgeholt werden – auch der Kunstkauf. Viele Menschen sitzen jetzt auf Erspartem. Deshalb ist es auch so wichtig durchzuhal­ten. Ich sehe den Herbst schon wesentlich positiver.

STANDARD: Wird nicht vielen das Geld fehlen, um Kunst zu kaufen?

Ropac: Ja, aber wie frühere Krisen bewiesen haben, entwickelt sich danach eine bestimmte Dynamik. Die wird es auch für den Kunstmarkt geben.

STANDARD: Der Kunstmesse­nkalender für 2021 ist bereits voll – werden Riesen wie die Art Basel, die nun auf September verschoben wurde, überhaupt stattfinde­n können?

Ropac: In den nächsten Monaten besen zweifle ich das sehr. Der Herbst wird dafür sehr busy – da wird sich dann eine Messe an die andere reihen. Der Boom ist vorhersehb­ar.

STANDARD: Was bedeutet das für die Galerien? Können Online-ViewingRoo­ms bis dahin aushelfen?

Ropac: Durchhalte­n lautet die alte Parole. Online hat das ganz gut funktionie­rt, auch wenn man jetzt gerade eine gewisse Müdigkeit feststelle­n kann. Der Umsatz, den man auf einer Messe macht, ist aber in keiner Weise mit jenem von OnlineVerk­äufen zu vergleiche­n. Es ist ein Bruchteil. Das Erlebnis von Kunst kann man online nicht einfangen. Deswegen glaube ich auch nicht, dass Kunstmesse­n in Zukunft nicht mehr stattfinde­n werden. Das Bedürfnis, Kunst physisch sehen zu können, wird sogar noch stärker ausgeprägt sein, nachdem man über so viele Monate auf Entzug war.

STANDARD: Aber werden die Kunstmesse­n als Mega-Events – auch in Hinblick auf den Klimaschut­z – an Bedeutung verlieren?

Ropac: Ökologisch wird uns das sicher vor eine große Herausford­erung stellen. Wir müssen das ganze System neu überdenken. Ich nehme beispielsw­eise an einem ClimateZoo­m-Treffen teil, das von Galerien organisier­t wird und wo man über neue Modelle nachdenkt. Wir müsaber auch davon ausgehen, dass der Kunstmarkt ständig größer wird. Dieses Wachstum wird sich auch durch die Krise nicht einschränk­en.

STANDARD: Aber widersprec­hen sich dieses Wachstum und der Versuch der Einschränk­ung nicht?

Ropac: Natürlich. Aber realistisc­h gesehen wird sich das nicht von allein verlangsam­en, sondern wir müssen das erzwingen. Indem wir zum Beispiel unser lokales Publikum wieder verstärkt zurück in die Galerien holen. Das erschwert natürlich vielen Menschen, die zum Beispiel in Südamerika oder Asien leben, den Zugang. Den schafft eine Messe wiederum. Es ist ein Dilemma, ich habe keine Lösung dafür.

STANDARD: Ist jetzt der Zeitpunkt, in dem die Kunstszene in Ruhe einen Gang zurückscha­lten kann?

Ropac: Nein, momentan herrscht keine Ruhe, sondern Panik. Es handelt sich um eine Ausnahmesi­tuation. Niemand lehnt sich gerade zurück. Diese Klimadebat­te gab es ja schon vor der Pandemie. Jetzt geht es aber erst einmal ums Überleben und darum, relativ unbeschade­t aus der Krise herauszuko­mmen. Wenn man dann wieder in eine ruhigere Situation zurückscha­ltet, kann man sich dieser ökologisch­en Probleme ernsthaft annehmen.

STANDARD: Welche Schritte werden Sie dann als Galerist setzen?

Ropac: In den letzten Jahren ist dieser weltweite Kunstmarkt­zirkus immer schneller geworden. Weshalb Entscheidu­ngen immer später gefallen sind. Man hat Werke um den Globus geschickt – und dann auf den Messen oft nicht einmal ausgepackt. Das kann man mit einer bewussten Planung verbessern. Es wäre aber naiv zu sagen, die Messen werden aufhören, weil sie ökologisch nicht vertretbar sind. Wir Galerien können es schaffen, unseren konkreten Fußabdruck zu verringern. Ich bin gerne bereit, das anzugehen.

THADDAEUS ROPAC (61) gründete 1983 seine erste Galerie in Salzburg.

„Ich bin überzeugt, dass es nach der Krise einen Boom geben wird.“

Thaddaeus Ropac

 ??  ?? Seit den 1980er-Jahren im Business: Thaddaeus Ropac brachte Werke von Künstlergr­ößen wie dem deutschen Maler Anselm Kiefer in wichtige Museen und Privatsamm­lungen.
Seit den 1980er-Jahren im Business: Thaddaeus Ropac brachte Werke von Künstlergr­ößen wie dem deutschen Maler Anselm Kiefer in wichtige Museen und Privatsamm­lungen.

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