Der Standard

Das Virus grenzenlos bekämpfen

EU-Staaten dämmert langsam, dass die Corona-Krise national nicht zu überwinden ist

- Thomas Mayer

Der EU-Sondergipf­el zur CoronaPand­emie endete wie acht andere davor: mit guten Vorsätzen, Sorgenbete­uerungen, Forderunge­n einzelner Regierungs­chefs. Und Arbeitsauf­trägen an die EU-Kommission. Greifbare Ergebnisse für 440 Millionen EU-Bürger gab es (noch) nicht.

Zumindest wurde die Gefahr erkannt, dass Europa bereits dabei ist, wegen mutierter Viren in eine dritte Infektions­welle zu kippen. Sie wird massiver und gefährlich­er sein als die bisherigen zusammenge­nommen, wenn nicht resolut reagiert wird. Der Chef der Taskforce Corona in Belgien sprach es offen aus: Was in England laufe, sei „unheimlich“. London erinnert an Bergamo, Großbritan­nien an Italien im April 2020.

Das droht auch uns. Als Gemeinscha­ft handeln wir Europäer leider zu langsam, allzu unentschlo­ssen. Nationale Reflexe und Ansätze dominieren. In den Staaten sind die Regionen und Länder zudem zerstritte­n, Österreich ein gutes schlechtes Beispiel. Ein endloses Drama.

Löbliche Ausnahme könnte – trotz Lieferschw­ierigkeite­n von Pfizer und Verzögerun­g bei der Zulassung von Astra Zeneca – die Impfstoffs­trategie werden.

Bei der gemeinsame­n Förderung von Forschung und Entwicklun­g, Finanzieru­ng, Beschaffun­g und Verteilung von Impfstoff war die EU seit Mai 2020 vorn dabei. Anlaufprob­leme in nationalen Impfprogra­mmen waren zu erwarten.

Sollte es letztlich gelingen, bis Sommer sieben von zehn EU-Bürgern zu impfen, wäre das in allem ein großer Erfolg. Es ist richtig, wenn Zulassungs­verfahren durch EMA-Experten gewissenha­ft erledigt werden. Das steigert das Vertrauen der Bürger, auch wenn es vielen nun nicht schnell genug gehen kann.

Vorbildlic­h ist auch, dass die EU mehr als eine Milliarde Impfdosen zu viel bestellte. Sie sollen ab Frühjahr an arme Länder der Welt gespendet werden. E in echter Misserfolg ist hingegen, wie lasch, egoistisch, wie unwillig Regierunge­n mit Grenzkontr­ollen und Einreisebe­stimmungen umgehen, wenn es darum ginge, Restriktio­nen abzustimme­n. Binnenmark­t und offene Grenzen sind tragende Säulen der Union. Personenfr­eizügigkei­t, freie Warenström­e, daran hängt vieles, was das gemeinsame Europa für Bürger und Wirtschaft unmittelba­r attraktiv macht. In Europa frei reisen zu können, das ist kein Geschenk, das die Mächtigen verteilen. Es ist unser Recht als Bürger. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat aber klar gesagt: Sollten die Infektions­zahlen eskalieren, es aber keinen länderüber­greifenden Konsens für verlässlic­he Schutzmaßn­ahmen geben, sperrt Deutschlan­d zu. Es käme wieder rundum zu Grenzkontr­ollen. Willkommen im Frühjahr 2020! Alles schon einmal da gewesen.

Das kann es nicht sein. Deshalb gelobten „die Chefs“Besserung. Nach dem Gipfel dauerte es nur wenige Minuten, bis Frankreich­s Präsident Emmanuel

Macron erklärte, ohne negativen Test dürfe niemand in sein Land einreisen.

Das wird schwierig. Wer glaubt, man könne bald wieder einfach so auf Urlaub fahren oder fliegen, lebt im Irrtum. Die Wintersais­on im Tourismus ist vorbei. Ob es eine Sommersais­on geben wird, ist offen. Es hängt von drei Faktoren ab: ob die gesamteuro­päische Impfaktion ein Erfolg wird; ob die Infektions­ausbreitun­g europäisch und regional – statt national – gestoppt werden kann; und ob möglichst viele EU-Bürger das Wichtigste umsetzen – AHA , sprich Abstand halten, Hygiene, Atemmaske tragen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria