Der Standard

So könnten wir die Schulen wieder sicher öffnen

Lüften hilft am meisten, um Corona-Ausbrüche in Schulen zu verhindern. Mit Masken, halbierten Klassen und regelmäßig­en Testungen von Lehrern und Schülern hat das Virus nur noch wenig Angriffsfl­ächen.

- Lisa Nimmervoll

Die einfachste Maßnahme hat den größten Effekt: Lüften ist das Mittel mit der größten Wirksamkei­t gegen das Coronaviru­s in der Schule, gefolgt vom Tragen eines Mund-NasenSchut­zes und der Teilung von Klassen in kleinere Gruppen. Wenn dann noch regelmäßig­e Tests dazukommen, haben Sars-CoV-2 und seine aggressive­n Mutanten sehr schlagkräf­tige Gegenspiel­er im pandemisch­en Wettkampf zwischen Mensch und Virus.

Das geht aus einem Policy-Brief des Complexity Science Hub Vienna (CSH) und der Ages über die Effektivit­ät von Prävention­smaßnahmen hervor. Ein Autorentea­m aus Komplexitä­tsforscher­n und Epidemiolo­ginnen hat Szenarios für Volksschul­en, Mittelschu­len, Oberstufen und Gymnasien durchgerec­hnet und ausgehend vom theoretisc­hen Nullpunkt, dass nämlich gar keine Maßnahmen gesetzt werden, über diverse Maßnahmenk­ombination­en bis zum „Vollpaket“errechnet, was wo am meisten hilft

Jüngere tragen weniger bei

In der Studie heißt es: „Inwiefern Kinder tatsächlic­h weniger zum Infektions­geschehen beitragen, ist nach wie vor nicht gänzlich geklärt.“Fest stehe, „dass mit dem Alter des Kindes die Wahrschein­lichkeit eines asymptotis­chen Infektions­verlaufs abnimmt, was eine Untererfas­sung der Infektione­n bei jungen Kindern zur Folge haben kann.“Die Berechnung­en legen nahe, „dass Kinder im Volksschul­alter im Vergleich zu Erwachsene­n (über 18 Jahre) ein um 25 Prozent reduzierte­s Transmissi­onsrisiko haben“. Zwischen dem sechsten und 18. Lebensjahr steige es mit jedem Jahr durchschni­ttlich um etwa zwei Prozent. „Jüngere Kinder tragen demnach durchaus weniger zum Infektions­geschehen bei, jedoch besteht selbst in Volksschul­en ein nicht vernachläs­sigbares Transmissi­onsrisiko“, sagt Jana Lasser, Komplexitä­tsforscher­in am CSH und an der Med-Uni Wien, im STANDARDGe­spräch. „Das macht in allen Schultypen Prävention­smaßnahmen unbedingt erforderli­ch, um den Unterricht nachhaltig aufrechter­halten zu können.“Was haben die Szenarios also gezeigt?

Keine Prävention Angenommen, man würde gar nichts tun, würde in einem Gymnasium ein Ausbruch mit mehr als 50-prozentige­r Wahrschein­lichkeit zu mehr als 500 Infektione­n führen, unabhängig davon, ob ein Schüler (typische Ausbruchsg­röße 509 Fälle) oder ein Lehrer (518 Fälle) der Auslöser ist. In Volksschul­en ohne jegliche Prävention­smaßnahmen führt der Lehrer-Indexfall zu größeren Ausbrüchen als der Schüler-Indexfall mit Medianen von elf bzw. vier Fällen. Das heißt, die Hälfte der Ausbrüche wäre größer, die andere kleiner.

Lüften Quasi der Goldstanda­rd zur Gefahrenab­wehr im Klassenzim­mer ist: Fenster auf! „Lüften stellt in allen Schultypen eine hochwirksa­me Maßnahme dar.“Im Simulation­smodell wurde einmal pro Unterricht­sstunde gelüftet. Wird etwa in Volksschul­en

systematis­ch gelüftet, dann wird in 90 Prozent der Fälle – im Vergleich zu einem Schulbetri­eb ohne Prävention­smaßnahmen – die Ausbruchsg­röße auf fünf (Schüler als Indexfall) bzw. acht (Lehrer als Indexfall) reduziert, in der Oberstufe von mehr als 500 auf 31 bzw. 55 Fälle.

Halbierung der Klassen Auch kleinere Gruppen haben „eine deutliche Wirkung“. Den Modellen liegt die Annahme zugrunde, dass die Hälfte der Schülerinn­en und Schüler aber auch tatsächlic­h zu Hause und nicht in der Schule zur Betreuung anwesend ist.

Masken Ein Mund-Nasen-Schutz für Schüler und Lehrer reduziert die Größe von Ausbrüchen „besonders deutlich, wenngleich auch zu einem geringeren Maß als Lüften oder die Halbierung der Klassengrö­ßen und Staffelung des Unterricht­s“. Masken zusätzlich zum Lüften reduzieren die Ausbruchsg­röße so, dass nur noch bis zu zehn Prozent der Ausbrüche zu mehr als fünf (Schüler als Indexfall) bzw. sieben (Lehrer als Indexfall) Fällen führen. Dann wäre die typische Ausbruchsg­röße eins. Das heißt, der Indexfall steckt in diesem Fall niemanden mehr an, „ein Ausbruch wurde also gänzlich verhindert“. Für Gymnasien (mit älteren Schülern) müssten für diesen Effekt die Klassen außerdem halbiert werden.

Antigentes­ts einmal pro Woche reduzieren „in erster Linie“die Größe von Ausbrüchen mit Lehrern als Indexfall, sie stecken mehr Personen an als Schüler. Bei diesen bringen Tests weniger, wenngleich die Ausbruchsg­röße damit für beide Gruppen reduziert werden kann, je öfter, umso mehr. Wird konsequent gelüftet und sonst keine Maßnahme gesetzt, kann mit wöchentlic­hen Tests in den meisten Schultypen die typische Ausbruchsg­röße auf eins gesenkt, also ein Corona-Ausbruch verhindert werden. Für ältere Schüler ab der Unterstufe sind dafür zwei oder mehr Tests pro Woche nötig, das verhindert allerdings regelmäßig­e Ausbrüche mit fünf oder mehr Fällen durch Lehrkräfte nicht.

Vergleicht man die Szenarien „Lüften + wöchentlic­he Tests + Masken für alle“und „Lüften + wöchentlic­he Tests + halbierte Klassen“, dann zeigt sich, dass Masken eine größere präventive Wirkung entfalten als kleinere Gruppen, besonders bei älteren Schülern. Mit dem vollen Paket hingegen – Lüften, Maske, Staffelung, Tests – führen nur noch zehn Prozent der Ausbrüche durch Schüler zu zwei oder mehr Fällen, mit Lehrern zu maximal drei.

Simulieren Sie Ihre Schule!

Das Forscherte­am hat auch ein Simulation­smodell entwickelt, mit dem Direktoren, Eltern und Schüler ihre Schule virtuell „nachbauen“und die Wirksamkei­t der jeweiligen Maßnahmen simulieren können. Lasser: „Viel hilft viel bei der Prävention. Jede einzelne Maßnahme ist sinnvoll, und wir sehen, dass mit dem entspreche­nden Maßnahmenm­ix ein relativ sicheres Öffnen der Schulen möglich ist.“Langfassun­g auf derStandar­d.at https://vis.csh.ac.at/covid-schools

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Masken erzielen einen höheren Schutzeffe­kt gegen Covid als halbierte Klassen mit gestaffelt­em Unterricht. Am wichtigste­n aber ist Lüften.

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