So könnten wir die Schulen wieder sicher öffnen
Lüften hilft am meisten, um Corona-Ausbrüche in Schulen zu verhindern. Mit Masken, halbierten Klassen und regelmäßigen Testungen von Lehrern und Schülern hat das Virus nur noch wenig Angriffsflächen.
Die einfachste Maßnahme hat den größten Effekt: Lüften ist das Mittel mit der größten Wirksamkeit gegen das Coronavirus in der Schule, gefolgt vom Tragen eines Mund-NasenSchutzes und der Teilung von Klassen in kleinere Gruppen. Wenn dann noch regelmäßige Tests dazukommen, haben Sars-CoV-2 und seine aggressiven Mutanten sehr schlagkräftige Gegenspieler im pandemischen Wettkampf zwischen Mensch und Virus.
Das geht aus einem Policy-Brief des Complexity Science Hub Vienna (CSH) und der Ages über die Effektivität von Präventionsmaßnahmen hervor. Ein Autorenteam aus Komplexitätsforschern und Epidemiologinnen hat Szenarios für Volksschulen, Mittelschulen, Oberstufen und Gymnasien durchgerechnet und ausgehend vom theoretischen Nullpunkt, dass nämlich gar keine Maßnahmen gesetzt werden, über diverse Maßnahmenkombinationen bis zum „Vollpaket“errechnet, was wo am meisten hilft
Jüngere tragen weniger bei
In der Studie heißt es: „Inwiefern Kinder tatsächlich weniger zum Infektionsgeschehen beitragen, ist nach wie vor nicht gänzlich geklärt.“Fest stehe, „dass mit dem Alter des Kindes die Wahrscheinlichkeit eines asymptotischen Infektionsverlaufs abnimmt, was eine Untererfassung der Infektionen bei jungen Kindern zur Folge haben kann.“Die Berechnungen legen nahe, „dass Kinder im Volksschulalter im Vergleich zu Erwachsenen (über 18 Jahre) ein um 25 Prozent reduziertes Transmissionsrisiko haben“. Zwischen dem sechsten und 18. Lebensjahr steige es mit jedem Jahr durchschnittlich um etwa zwei Prozent. „Jüngere Kinder tragen demnach durchaus weniger zum Infektionsgeschehen bei, jedoch besteht selbst in Volksschulen ein nicht vernachlässigbares Transmissionsrisiko“, sagt Jana Lasser, Komplexitätsforscherin am CSH und an der Med-Uni Wien, im STANDARDGespräch. „Das macht in allen Schultypen Präventionsmaßnahmen unbedingt erforderlich, um den Unterricht nachhaltig aufrechterhalten zu können.“Was haben die Szenarios also gezeigt?
Keine Prävention Angenommen, man würde gar nichts tun, würde in einem Gymnasium ein Ausbruch mit mehr als 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit zu mehr als 500 Infektionen führen, unabhängig davon, ob ein Schüler (typische Ausbruchsgröße 509 Fälle) oder ein Lehrer (518 Fälle) der Auslöser ist. In Volksschulen ohne jegliche Präventionsmaßnahmen führt der Lehrer-Indexfall zu größeren Ausbrüchen als der Schüler-Indexfall mit Medianen von elf bzw. vier Fällen. Das heißt, die Hälfte der Ausbrüche wäre größer, die andere kleiner.
Lüften Quasi der Goldstandard zur Gefahrenabwehr im Klassenzimmer ist: Fenster auf! „Lüften stellt in allen Schultypen eine hochwirksame Maßnahme dar.“Im Simulationsmodell wurde einmal pro Unterrichtsstunde gelüftet. Wird etwa in Volksschulen
systematisch gelüftet, dann wird in 90 Prozent der Fälle – im Vergleich zu einem Schulbetrieb ohne Präventionsmaßnahmen – die Ausbruchsgröße auf fünf (Schüler als Indexfall) bzw. acht (Lehrer als Indexfall) reduziert, in der Oberstufe von mehr als 500 auf 31 bzw. 55 Fälle.
Halbierung der Klassen Auch kleinere Gruppen haben „eine deutliche Wirkung“. Den Modellen liegt die Annahme zugrunde, dass die Hälfte der Schülerinnen und Schüler aber auch tatsächlich zu Hause und nicht in der Schule zur Betreuung anwesend ist.
Masken Ein Mund-Nasen-Schutz für Schüler und Lehrer reduziert die Größe von Ausbrüchen „besonders deutlich, wenngleich auch zu einem geringeren Maß als Lüften oder die Halbierung der Klassengrößen und Staffelung des Unterrichts“. Masken zusätzlich zum Lüften reduzieren die Ausbruchsgröße so, dass nur noch bis zu zehn Prozent der Ausbrüche zu mehr als fünf (Schüler als Indexfall) bzw. sieben (Lehrer als Indexfall) Fällen führen. Dann wäre die typische Ausbruchsgröße eins. Das heißt, der Indexfall steckt in diesem Fall niemanden mehr an, „ein Ausbruch wurde also gänzlich verhindert“. Für Gymnasien (mit älteren Schülern) müssten für diesen Effekt die Klassen außerdem halbiert werden.
Antigentests einmal pro Woche reduzieren „in erster Linie“die Größe von Ausbrüchen mit Lehrern als Indexfall, sie stecken mehr Personen an als Schüler. Bei diesen bringen Tests weniger, wenngleich die Ausbruchsgröße damit für beide Gruppen reduziert werden kann, je öfter, umso mehr. Wird konsequent gelüftet und sonst keine Maßnahme gesetzt, kann mit wöchentlichen Tests in den meisten Schultypen die typische Ausbruchsgröße auf eins gesenkt, also ein Corona-Ausbruch verhindert werden. Für ältere Schüler ab der Unterstufe sind dafür zwei oder mehr Tests pro Woche nötig, das verhindert allerdings regelmäßige Ausbrüche mit fünf oder mehr Fällen durch Lehrkräfte nicht.
Vergleicht man die Szenarien „Lüften + wöchentliche Tests + Masken für alle“und „Lüften + wöchentliche Tests + halbierte Klassen“, dann zeigt sich, dass Masken eine größere präventive Wirkung entfalten als kleinere Gruppen, besonders bei älteren Schülern. Mit dem vollen Paket hingegen – Lüften, Maske, Staffelung, Tests – führen nur noch zehn Prozent der Ausbrüche durch Schüler zu zwei oder mehr Fällen, mit Lehrern zu maximal drei.
Simulieren Sie Ihre Schule!
Das Forscherteam hat auch ein Simulationsmodell entwickelt, mit dem Direktoren, Eltern und Schüler ihre Schule virtuell „nachbauen“und die Wirksamkeit der jeweiligen Maßnahmen simulieren können. Lasser: „Viel hilft viel bei der Prävention. Jede einzelne Maßnahme ist sinnvoll, und wir sehen, dass mit dem entsprechenden Maßnahmenmix ein relativ sicheres Öffnen der Schulen möglich ist.“Langfassung auf derStandard.at https://vis.csh.ac.at/covid-schools