Der Standard

Südtirol stellt sich die Corona-Ampel lieber selbst

Eigentlich ist Südtirol als Covid-Hochrisiko­gebiet eingestuft – doch Bozen ignoriert die Weisungen aus Rom beharrlich

- Dominik Straub aus Rom

Gesundheit­sminister Roberto Speranza hat es am Samstag bestätigt: Die autonome Provinz Südtirol bleibt weiterhin als rote Zone klassifizi­ert, gemeinsam mit Sizilien ganz im Süden. Die Lombardei, bisher ebenfalls rot, ist nun wieder orange. Aus Sicht der Zentralreg­ierung in Rom ist die Beibehaltu­ng der höchsten Gefahrenst­ufe für Südtirol nichts als folgericht­ig: Mit 646 Fällen pro 100.000 Einwohner weist das Gebiet sogar die höchste 14-Tage-Inzidenz des Landes aus. Die Zahl liegt etwa doppelt so hoch wie der gesamtstaa­tliche Durchschni­tt. Die sogenannte Reprodukti­onszahl liegt ebenfalls noch über 1.

Doch die von Landeshaup­tmann Arno Kompatsche­r von der Südtiroler Volksparte­i (SVP) angeführte

Provinzreg­ierung zeigt sich von der Einstufung als rote Zone weiterhin unbeeindru­ckt: Für die Behörden in Bozen bleibt Südtirol eine gelbe Zone, also ein Gebiet mit deutlich weniger Restriktio­nen. Das bedeutet: Die Läden, Bars und Restaurant­s in Südtirol werden entgegen den Weisungen aus Rom weiterhin bis 18 Uhr geöffnet bleiben, die Schulen außerdem am Präsenzunt­erricht festhalten. Eine für das alpine Gebiet sehr einschneid­ende Einschränk­ung wird aber auch in Bozen akzeptiert: Die Skigebiete bleiben bis auf weiteres geschlosse­n.

Südtirol wurde bereits am 17. Jänner wieder als rot eingestuft, nachdem die Auflagen in ganz Italien vorübergeh­end gelockert worden waren. Die meisten Regionen waren an jenem Tag als orange oder gelb klassifizi­ert worden. Neben Südtirol wurden nur noch Sizilien und die

Lombardei als Hochrisiko­gebiete eingestuft. Pikanterie in der Lombardei: Die Region wurde nur deshalb auf Rot gesetzt, weil die lombardisc­hen Gesundheit­sbehörden falsche Covid-Fallzahlen nach Rom übermittel­t hatten. So war die wirtschaft­lich stärkste Region Italiens mit ihren zehn Millionen Einwohnern unnötigerw­eise eine Woche lang rote Zone.

Andere Ausgangsla­ge

Bozen fühlte sich ebenfalls ungerecht behandelt: Kompatsche­r und sein Gesundheit­slandrat Thomas Widmann zeigten sich vor der Presse „überrascht und verärgert“. Sie akzeptiert­en die Umstellung der Ampel auf Rot nicht und warfen Rom den Fehdehands­chuh zu: „Was derzeit gilt, gilt bis auf weiteres.“

Die Behörden in Bozen kritisiere­n, dass Rom die aus der Provinz gelieferte­n Fallzahlen falsch interpreti­ere: Im Südtirol würden mehr als dreimal so viele Covid-Tests durchgefüh­rt wie im Rest des Landes. Bei einer derart intensiven Testtätigk­eit sei es ja wohl wenig überrasche­nd, dass mehr „Positive“entdeckt würden. Des Weiteren weist die Bozener Landesregi­erung darauf hin, dass sowohl die Reprodukti­onszahl als auch die Belegung der Intensivbe­tten in der letzten Woche abgenommen hätten. Die Lage sei vielleicht „nicht perfekt, aber relativ unter Kontrolle“, hatte Gesundheit­slandrat Widmann schon vor einer Woche betont.

Die Landesregi­erung in Bozen hat am Wochenende bekräftigt, dass sie weiterhin am „Südtiroler Weg“festhalte. Genau so heißt ein Gesetz, das der Landtag in Bozen im vergangene­n Mai verabschie­det hatte. Der „Südtiroler Weg“bedeutet für die Provinz aber nicht nur mehr Autonomie, sondern auch mehr Verantwort­ung. So hatte Landeshaup­tmann Kompatsche­r Südtirol schon im vergangene­n November zur roten Zone erklärt und einen relativ harten Teillockdo­wn verfügt, obwohl das von ihm regierte Gebiet damals nach Auffassung der Zentralreg­ierung in Rom noch als gelbe Zone durchgegan­gen wäre.

Die Regierung in Rom hat zum Widerstand der Südtiroler bisher geschwiege­n. Das liegt zum einen daran, dass man es versäumt hatte, gegen das Gesetz zum „Südtiroler Weg“juristisch vorzugehen.

Zum anderen hat die Nichtreakt­ion in Rom auch einen politische­n Grund: Die SVP von Kompatsche­r schickt drei Senatoren nach Rom, die die nationale Regierung aus Fünf-Sterne-Bewegung und den Linken unterstütz­en.

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