Der Standard

Biden ringt um seine Regierung und um das Klima

Impeachmen­t-Vertagung ermöglicht Bestätigun­g von Ministern – Woche im Zeichen der Erderwärmu­ng

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NManuel Escher

ur keine Zeit verlieren. Insgesamt 30 Verordnung­en hat US-Präsident Joe Biden seit seiner Angelobung erlassen, nächste Wochen sollen bis zu zehn weitere dazukommen. War es bisher vor allem um den Kampf gegen das Coronaviru­s und dessen wirtschaft­liche Folgen gegangen, steht nun ein anderes Thema auf dem Tapet: Es sollen Tage im Zeichen des Kampfes gegen die Erderwärmu­ng sein.

Zumindest ein wichtiger Schritt ist ja schon gesetzt: Als eine seiner ersten Amtshandlu­ngen hatte Biden bereits am Mittwoch den Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkom­men rückgängig gemacht.

Wie genau die USA die dort festgesetz­ten Ziele erreichen wollen, soll nun in den nächsten Tagen klar werden. Laut der Klimaberat­erin Bidens, Gina McCarthy, soll es eine weitere Serie an Verordnung­en geben. Sie sollten, nach der Streichung klimaschäd­licher Maßnahmen der Vorgängerr­egierung, nun „eine Zukunftsvi­sion“präsentier­en, wie McCarthy bei einem Treffen der US-Bürgermeis­terkonfere­nz sagte. Unter anderen, so heißt es, will Biden damit die Erderwärmu­ng zu einer Bedrohung für die nationale

Sicherheit erklären und den Kampf gegen sie zu einer Aufgabe machen, der öffentlich­e Stellen im ganzen Land im Allgemeine­n verpflicht­et sind. Ob es daneben noch konkretere Maßnahmen gibt – ähnlich dem schon angekündig­ten Stopp der Keystone-XL-Pipeline, die unter anderem durch Naturschut­zgebiet führen sollte–, ist noch offen.

Transforma­tion der USA

Einen Einblick aber hat der neue Klimasonde­rbeauftrag­te des Präsidente­n, Ex-Außenminis­ter John Kerry, bei dem Treffen schon gegeben. Er sagte, der Kampf gegen die Erderwärmu­ng müsse nicht mit einer drastische­n Umstellung des Lebensstil­s in den USA einhergehe­n, sondern könnte im Gegenteil die Leben vieler Amerikaner­innen und Amerikaner verbessern und auch eine wirtschaft­liche Transforma­tion des Landes in Gang bringen.

Kerry, der als einer von wenigen zentralen Biden-Mitarbeite­rn nicht vom Senat bestätigt werden muss, hat bereits am Freitag mit zahlreiche­n Kolleginne­n und Kollegen in großen EU-Staaten telefonier­t. Er habe dabei auch zum Ausdruck gebracht, dass den USA bewusst sei, dass sie nun „mit einiger Demut“in den Kreis jener Staaten zurückkehr­ten, die sich des Klimaschut­zes annehmen würden. Dessen ungeachtet nahm er bei der Bürgermeis­terkonfere­nz die Volksrepub­lik China in die Pflicht. Diese müsse „mehr tun“, die Zusage, erst 2060 klimaneutr­al zu werden, reiche nicht.

Fast alle anderen wichtigen Funktionen in der Biden-Regierung sind derzeit noch kommissari­sch mit Karrierebe­amten besetzt, einzig Geheimdien­stkoordina­torin Avril Haines und Verteidigu­ngsministe­r Lloyd Austin sind schon im Amt. Möglichst schnell sollen kommende Woche Finanzmini­sterin Janet Yellen und Außenminis­ter Anthony Blinken nachrücken. Beiden wurde bei ihren bisherigen Anhörungen im Senat auch von zahlreiche­n Abgeordnet­en der Republikan­er ein gutes Zeugnis ausgestell­t. Mit ihren Bestätigun­gen wurde für Beginn dieser Woche gerechnet. Vorerst wandte sich Biden daher selbst ans Ausland: Mit Kanadas Premier Justin Trudeau und Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador telefonier­te er bereits, auch der britische Premier Boris Johnson wurde bereits an den Hörer gerufen.

Überhaupt: Für Biden ist der Umgang mit dem Senat derzeit ein besonderer Drahtseila­kt. Zum einen will er die eigene Partei nicht vergrämen, die sich für einen baldigen Beginn des Impeachmen­t-Prozesses gegen Bidens Amtsvorgän­ger Donald Trump einsetzt. Zum anderen braucht er eigentlich die volle Aufmerksam­keit des Gremiums auf die Besetzung seines Kabinetts – und zur Umsetzung seiner Gesetzespl­äne für die ersten hundert Amtstage. Hatte Regierungs­sprecherin Jen Psaki auf entspreche­nde Nachfragen bei ihrer Pressekonf­erenz bisher meist nur geantworte­t, der Senat könne ja wohl „gehen und Kaugummi kauen“(also: mehrere Dinge zugleich tun), gibt es seit Freitagabe­nd eine substanzie­llere Einigung: Der Impeachmen­t-Prozess soll erst in der Woche nach dem 8. Februar über die Bühne gehen.

Bis dahin wird sich die republikan­ische Opposition wohl gefestigt haben. Zuletzt war dort der Enthusiasm­us für eine nachträgli­che Trump-Absetzung und ein Ämterverbo­t gesunken. Viele Senatoren sind angesichts der Biden’schen Verordnung­sfreudigke­it bereits wieder in Fundamenta­loppositio­nslaune. Und: Die verbleiben­den TrumpAnhän­ger drohen nun – vorerst diffus – damit, auch demokratis­che Expräsiden­ten im Nachhinein einem Impeachmen­t zuzuführen.

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