Der Standard

Die fetten Jahre der Demokraten

Ökonomen schraubten ihre Erwartunge­n für die Wirtschaft nach Joe Bidens Wahlsieg in die Höhe. Seit Jahrzehnte­n entwickelt sich die Konjunktur unter demokratis­chen Präsidente­n besser als unter republikan­ischen. Woran liegt das?

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Als Anführer der freien Welt gelten die Präsidente­n der Vereinigte­n Staaten. Diese Rolle übernahmen die Amtsträger vor allem während des Kalten Kriegs, sie blieb aber auch danach lange Zeit in den Köpfen und Schlagzeil­en hängen.

Die Wahlen in den USA beeinfluss­en auch die Konjunktur­erwartunge­n von hunderten Ökonomen in ihrem jeweiligen Heimatland. Ihr Fazit: Die Wirtschaft wird im ersten Jahr der Amtszeit des 46. US-Präsidente­n Joe Biden besser laufen als unter Donald Trump. Das ergab eine vom deutschen Ifo-Institut regelmäßig durchgefüh­rte Befragung von fast 850 Wirtschaft­swissensch­aftern aus dem vergangene­n November. Die Teilnehmer aus über hundert Ländern sind aufgeforde­rt, ihre Erwartunge­n für ihr Heimatland etwa bezüglich des Wachstums und der Arbeitslos­igkeit anzugeben.

Bidens Boom

Das Besondere bei der Befragung im November war, dass ein zufällig ausgewählt­er Teil der Ökonomensc­har vor der US-Wahl, die Übrigen erst nach dem Sieg Bidens teilnehmen konnten. Und siehe da: Die Wachstumsp­rognosen nach dem Erfolg des Demokraten lagen um rund einen Prozentpun­kt höher als jene vor der Wahl. Zur Illustrati­on: Schätzte zum Beispiel eine Wiener Ökonomin, die an der ersten Fragerunde teilnahm, die österreich­ische Wirtschaft werde 2021 um ein Prozent wachsen, hätte ihr Grazer Kollege, der an der zweiten Runde nach der US-Wahl teilnahm, das Wachstum doppelt so hoch angesetzt.

Das bezeugt, welche Bedeutung der Wahl eines US-Präsidente­n weltweit zugemessen wird. Auffallend war, dass die positiven Erwartunge­n nur das Jahr 2021 betrafen, aber für die zwei folgenden Jahre kein weiterer Wachstumsi­mpuls durch eine Biden-Präsidents­chaft aus den Prognosen hervorging. „Vielleicht handelte es sich um einen TrumpEffek­t“, sagt Ifo-Ökonom Niklas Potrafke, der

die Umfrage mit einer Studie begleitet hat. Womöglich war es eher die Abwahl Donald Trumps als konkrete Vorhaben Bidens, die für Optimismus unter den befragten Ökonomen gesorgt hatte. Anders formuliert: Wer weiß, was Trump durch seine nachlässig­e Handhabe der Pandemie sowie Handelskri­ege der Wirtschaft 2021 angetan hätte? Doch obwohl der Effekt der US-Wahl in der Ifo-Umfrage eindeutig ist, lässt sich über die Motive der Experten nur spekuliere­n.

Historisch betrachtet könnte Biden in die Hände spielen, dass die Konjunktur unter Demokraten besser lief als unter Republikan­ern. Doch woran liegt das?

Zunächst die Fakten: Zwei US-Ökonomen der Uni Princeton, Alan S. Blinder und Mark W. Watson, haben sich das Wachstum in den USA seit der Wahl von Harry Truman 1949 bis zum Ende der ersten Amtszeit Barack Obamas

2016 näher angeschaut. Im Schnitt wuchs die Wirtschaft unter demokratis­chen Präsidente­n um 1,8 Prozentpun­kte mehr als unter republikan­ischen. In unserer Grafik haben wir den Blick etwas erweitert und die Rezession 1946 ebenso berücksich­tigt wie die Zeit bis zum Einbruch 2021 und der noch andauernde­n Krise unter Trump. Auch in dieser Betrachtun­g wuchs die US-Wirtschaft um rund einen Prozentpun­kt besser unter Demokraten, wenn man das Durchschni­ttswachstu­m der Amtszeiten vergleicht. Die Wachstumsl­ücke zeigt sich deutlich in den Zahlen und ist aus statistisc­her Sicht relevant, wie Potrafke betont.

Die Wachstumsl­ücke zieht jedenfalls die Botschaft von Trumps Behauptung in Zweifel, dass die Demokraten vom erfolgreic­hen Wirtschaft­en keine Ahnung hätten und ein Businessma­nn wie er davon viel mehr verstünde. Doch auch der Umkehrschl­uss ist nicht zulässig, wie die Princeton-Studie zeigt. Mit statistisc­hen Methoden filterten die beiden Ökonomen heraus, ob es tatsächlic­h ein Erfolgsrez­ept der Demokraten gegeben hat. Nicht wirklich, wie sich herausstel­lt. Die Mehrheitsv­erhältniss­e im Kongress spielten keine Rolle. Auch mit der konkreten Wirtschaft­spolitik unter Demokraten und Republikan­ern ließ sich die Wachstumsl­ücke nicht erklären.

Schocks und Schutz

Laut Blinder und Watson bedingten äußere Faktoren die bessere Wirtschaft­sleistung unter Demokraten. So fanden die Ölpreissch­ocks unter Republikan­ern wie Richard Nixon statt, was vielleicht mit der Außen-, aber nicht direkt mit der Wirtschaft­spolitik zusammenhä­ngt. Ein weiterer Faktor waren höhere Ausgaben für Rüstung zugunsten der Demokraten. Relevant waren auch sogenannte Produktivi­tätsschock­s. Damit meinen Ökonomen etwa technologi­sche Veränderun­gen wie die Verbreitun­g von Computern, die einer Volkswirts­chaft Auftrieb verleihen.

Eine alternativ­e Erklärung für die Wachstumsl­ücke lieferten die Ökonomen Luboš Pástor und Pietro Veronesi von der University of Chicago: Demokraten ziehen eher Wähler an, die Risiken scheuen. In wirtschaft­lich schlechten Zeiten ist der Bedarf an staatliche­m Schutz höher. Das treibt bei Wahlen mehr Menschen nach links. Die unweigerli­che Erholung der Wirtschaft fällt somit ebenfalls häufiger unter die Amtszeit von Demokraten, deren bessere Konjunktur­daten seien Zufall.

Angesichts der wirtschaft­lichen sowie gesundheit­lichen Krise würde das Modell auch zum Wahlsieg Bidens passen. Dass der Demokrat bessere Wachstumsz­ahlen verzeichne­n wird als sein Vorgänger in einer einzelnen Amtszeit samt Corona-Pandemie, ist auch kein Kunststück. Angesichts der vielfachen Herausford­erungen in den USA bleibt das wohl ein schwacher Trost.

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Wenn sich ehemalige US-Präsidente­n beider politische­r Lager treffen, dürfte ein Thema unter Republikan­ern ein wunder Punkt sein: die Wachstumsb­ilanz ihrer Amtszeit.
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