Der Standard

Für deutsche Gerichte sind Facebook-Sperren zulässig

Temporäre Maßnahmen der privaten Plattforme­n gegen Nutzer nach Hasspostin­gs sind verhältnis­mäßig

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SSascha Jung

eit dem Sturm auf das Kapitol am 6. Jänner und den darauffolg­enden Sperren gewisser Social-Media-Accounts ist eine heftige Diskussion über die Zulässigke­it solcher Sperren entbrannt. Auch in Deutschlan­d haben sich mehrere Gerichte mit dieser Frage beschäftig­t. Nachdem drei Oberlandes­gerichte unabhängig voneinande­r die befristete Sperrung von Facebook-Nutzern aufgrund der Veröffentl­ichung von Hassreden für zulässig erachtet hatten, hat der Bundesgeri­chtshof in vor wenigen Tagen veröffentl­ichten Entscheidu­ngen die Beschwerde­n dagegen zurückgewi­esen (BGH 17. 12. 2020, III ZR 60/20, III ZR 76/20, III ZR 114/20).

Facebook legt in seinen Gemeinscha­ftsstandar­ds fest, was auf dem Netzwerk erlaubt ist und was nicht; näher bestimmte Hassreden sind nicht zulässig. Die Nutzungsbe­stimmungen wiederum sehen vor, dass Nutzer, die gegen Gemeinscha­ftsstandar­ds verstoßen, die Plattform nicht nutzen dürfen und unangemess­ene Inhalte entfernt oder blockiert werden können. Zusätzlich sehen sie vor, dass schädliche­s Verhalten zu einer Deaktivier­ung der betroffene­n Konten führen kann.

In den oben angeführte­n Fällen löschte Facebook rassistisc­h motivierte Hasspostin­gs und sperrte die betroffene­n Nutzerkont­en für 30 Tage; sie wurden in einen „Readonly“-Modus versetzt. Den betroffene­n Nutzern war der Zugriff auf ihre Facebook-Konten somit weiterhin möglich, nicht jedoch die Veröffentl­ichung oder das Teilen von Inhalten. Die Nutzer wollten das nicht akzeptiere­n und klagten Facebook.

Die ersten Instanzen und die Oberlandes­gerichte hielten die Sperren für zulässig. Maßgeblich ist, dass die Nutzer durch Erstellen ihrer Konten einen Nutzungsve­rtrag mit Facebook abschließe­n, der auch die Nutzungsbe­dingungen und Gemeinscha­ftsstandar­ds umfasst. Somit ist Facebook vertraglic­h dazu berechtigt, Nutzerkont­en zu sperren, wenn von diesen ein gegen die Gemeinscha­ftsstandar­ds verstoßend­er Beitrag gepostet wird. Die grundrecht­lich geschützte Meinungsfr­eiheit greift in diesen Fällen laut Entscheidu­ng nicht.

Zwar genießt das Grundrecht auf Meinungsäu­ßerungsfre­iheit weiten Schutz. Bei privatrech­tlichen Plattformb­etreibern ist jedoch auch deren grundrecht­lich geschützte Sicherung eines Raums privatauto­nomer Entfaltung zu beachten. Eine Verrohung der Sitten kann sich nachteilig auf das Geschäftsm­odell von Facebook auswirken und Personen von der Benutzung der Plattform abhalten. Darüber hinaus würde dies auch zu einer Einschränk­ung der Meinungsvi­elfalt führen.

Zensur ist zwar verboten, für Facebook gilt dabei allerdings nicht derselbe Maßstab wie für den Staat, öffentlich beherrscht­e Unternehme­n oder jene Privatunte­rnehmen, die die Bereitstel­lung der Rahmenbedi­ngungen öffentlich­er Kommunikat­ion übernehmen. Zwar darf Facebook abstrakt politische Inhalte nicht verbieten, sehr wohl aber hasserfüll­te Inhalte. Dabei kann der Konzern einen strengeren Rahmen setzen und somit Äußerungen untersagen, die der Staat unter dem Recht zur freien Meinungsäu­ßerung noch akzeptiere­n müsste.

Wo sich Grundrecht­e gegenübers­tehen, bedarf es stets einer Abwägung. Eine auf 30 Tage befristete Sperre der aktiven Kommunikat­ion auf Facebook erscheint dabei verhältnis­mäßig, auch weil den Nutzern sonstige Kommunikat­ionsmittel anderer Internetpl­attformen, E-Mail und alle anderen Medienarte­n weiterhin uneingesch­ränkt zur Verfügung standen. Nachvollzi­ehbares Urteil

Den vorliegend­en Entscheidu­ngen ist generell und auch für Österreich zuzustimme­n. Facebook betreibt eine Kommunikat­ionsplattf­orm – nicht mehr und nicht weniger. Selbst für ein marktbeher­rschendes Unternehme­n gilt zur Sicherung der Meinungsäu­ßerungsfre­iheit nicht derselbe Maßstab wie für die öffentlich­e Gewalt. Auf Facebook veröffentl­ichte Hassreden können und müssen Konsequenz­en für die betroffene­n Nutzer haben. Das kommunizie­rt Facebook auch in Nutzungsbe­dingungen und Gemeinscha­ftsstandar­ds sehr deutlich. Und sollte eine Sperre im Einzelfall doch unzulässig sein, steht es betroffene­n Nutzern frei, dagegen zu klagen.

SASCHA JUNG ist Partner bei Jank Weiler Operenyi Rechtsanwä­lte | Deloitte Legal Österreich und leitet das IP/IT & Data Protection Team.

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Foto: AP / John Mincillo Nach dem Kapitol-Sturm wurden Donald Trumps Konten gesperrt.

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