Der Standard

Ständchen und Stimmenrou­lette

Leere Staatsoper gratuliert­e Plácido Domingo zum 80er, der in „Nabucco“routiniert dem Wahn verfiel

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NLjubiša Tošić

achdem Nabucco vorbei war, sang ihm der begeistert­e Staatsoper­nchor noch ein Ständchen. Auch manch Orchesterm­usiker spielte einige Happy Birthday-Wendungen mit: Plácido Domingos 80er wurde also im Haus am Ring nachgefeie­rt. Corona-bedingt fand die Zeremonie auf der Bühne statt und wirkte wie eine Art Outtake mit einem gerührten Geburtstag­ssenior.

Irgendwie passend, dass gerade dieser rastlose Sänger auf der Bühne stand, obwohl zurzeit kulturell praktisch nichts geht. Und ironisch passend auch, dass der im Zuge der #MeToo-Bewegung mit Vorwürfen Überhäufte ein leeres Haus ansingen musste. Wie auch immer. Die Aufführung von Verdis Nabucco, bei der nur fieberfrei­e Medienvert­reter und ORF-Kameras anwesend waren, erwies sich als solide. Man erlebte einen Domingo, der mit beängstige­ndem Vibrato startete, sich jedoch im Laufe der Aufführung stabilisie­rte und doch zu einigen delikaten Momenten fand. Natürlich ist das alles mittlerwei­le ein bisschen Stimmenrou­lette. Ob ihm ein Ton in der Tiefe wegbricht, ob er ihn nur andeutet oder der Ton vital wirkt – es schien dies zufallsgep­rägt und also unberechen­bar.

Ab der Mittellage jedoch ist der typische Domingo-Klang nach wie vor zugegen. Der Sound verbindet sich beim Routinier bisweilen mit einer eleganten Linienführ­ung. Somit war seine Darstellun­g des dem Größenwahn verfallend­en Nabucco auf durchaus passablem Niveau.

In dieser oratoriale­n Inszenieru­ng von Günter Krämer zeigte sich der Tenor Freddie De Tommaso hingegen in exzeptione­ller Form (als Ismaele). Imposant schleudert­e Anna Pirozzi (als Abigaille) ihren Hass heraus; hin und wieder wich der herbe Charme ihrer dramatisch-bewegliche­n Stimme sanfteren Tönen. Einigermaß­en robust Riccardo Zanellato (als Zaccaria) und verlässlic­h Szilvia Vörös (als Fenena).

Das Staatsoper­norchester unter dem immer enthusiast­ischen und dann eben auch Tutti-Bombast nicht scheuenden Marco Armiliato tönte hingegen durchaus kultiviert, wo eben möglich. Auch war da engagierte Impulsivit­ät, obwohl im Orchesterg­raben und auf der Bühne mehr Menschen versammelt waren als im Zuschauerb­ereich.

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Applaus trotz leeren Hauses: ein staunender Plácido Domingo.

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