Der Standard

Die Zeit des Schluderns ist vorbei

Der Engpass beim Corona-Impfstoff zwingt zu genauer Planung und klaren Prioritäte­n

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KEric Frey önnte man das Land mit starken Sprüchen vor dem Coronaviru­s schützen, dann hätte Österreich die Pandemie schon hinter sich. Vergangene Woche forderte zuerst Bundeskanz­ler Sebastian Kurz die EU-Arzneimitt­elbehörde auf, sich bei der Zulassung des Astrazenec­a-Impfstoffs endlich zu beeilen. Als tags darauf bekannt wurde, dass der Pharmakonz­ern seine Lieferzusa­gen wegen Produktion­sproblemen gar nicht erfüllen kann, erklärte Gesundheit­sminister Rudolf Anschober forsch, er werde sich damit nicht abfinden.

Seither ist wieder ein nüchterner­er Ton in Österreich­s Impfdebatt­e eingezogen, und das ist gut so. Schuldzuwe­isungen helfen derzeit gar nicht. Ja, bei der Vorbereitu­ng der Impfkampag­ne wurde seit Herbst viel verabsäumt, und die Umsetzung in diesem Jahr schwankt zwischen Improvisat­ion und Chaos. Auch in der EU sind politische und bürokratis­che Bedenken oft wichtiger als eine möglichst rasche Durchimpfu­ng. Aber die jüngsten Verzögerun­gen sind vor allem darauf zurückzufü­hren, dass in einem so komplexen Projekt wie der Entwicklun­g, Herstellun­g, Auslieferu­ng und Verabreich­ung eines völlig neuen Impfstoffs nicht immer alles perfekt laufen kann. Da helfen auch die von EU-Ratspräsid­ent Charles Michel angedrohte­n Klagen gegen die Hersteller nichts. E ntscheiden­d ist jetzt, dass Bund und Länder auf die neue Situation richtig reagieren. Der Impfstoff wird noch monatelang Mangelware bleiben. Nicht die Impfskepti­ker sind das Problem, sondern die fehlenden Dosen für jene, die möglichst rasch vor Covid19 geschützt werden wollen.

Das heißt, dass mit dem wertvollen Gut viel sorgfältig­er umgegangen wird als bisher. Drängelnde Bürgermeis­ter sorgen zwar für die meiste Empörung. Aber viel ärger ist, wenn in Heimen Impfdosen übrig bleiben und dann wahllos vergeben oder gar entsorgt werden. Das muss aufhören – und lässt sich durch bessere Planung auch weitgehend vermeiden.

Von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner kamen sinnvolle Vorschläge, die den Mangel etwas lindern könnten: mehr Dosen aus jeder Ampulle holen, wofür man allerdings besondere Spritzen benötigt; und etwas mehr Zeit bis zur zweiten Impfung lassen, was nach Meinung der meisten Experten kein großes Risiko darstellt. Auch die Neos haben recht, wenn sie verlangen, die Menschen vor der Impfung zu testen. Die bereits CovidInfiz­ierten sollten warten.

Das Wichtigste aber wäre, noch einmal zu klären, welche Gruppe wann geimpft wird, und sich dann strikt daran zu halten. Abgesehen vom Gesundheit­spersonal reicht dafür eine einfache Regel: Da das Risiko, an Covid-19 zu sterben, überwiegen­d mit dem Alter zunimmt, sollten jedes Bundesland und jede Gemeinde konsequent nach Jahrgängen impfen – und dies möglichst zentral, damit keine Dosis verschwend­et wird. Keine Politiker, kein Personal in kritischer Infrastruk­tur, nicht einmal Menschen mit Vorerkrank­ungen sollten vorgezogen werden, weil dies nur die Tür für neue Ungereimth­eiten öffnet.

Natürlich würde man sich wünschen, dass der Impfplan, alle über 65-Jährigen wie geplant bis Ende März zu impfen, dennoch hält. Aber selbst wenn bis dahin nur die Generation 70 plus erreicht wird, wäre die Gefahr einer Überlastun­g des Gesundheit­ssystems bereits gebannt.

Die Zeit des Schluderns ist vorbei. Von nun an muss jeder Stich präzise passen.

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