Der Standard

Nehammer hofft auf „sauberen Neustart“im Verfassung­sschutz

Der Glücksspie­lkonzern Novomatic beauftragt­e eine einstige Stasi-Spionin damit, die tschechisc­he Konkurrenz auszuspähe­n. Sie griff dafür auch auf Dienste eines heimischen BVT-Beamten zurück. Die FPÖ fordert Aufklärung.

- Fabian Schmid

Wien – Innenminis­ter Karl Nehammer (ÖVP) sieht die Ermittlung­en gegen mehrere Verfassung­sschützer als Zeichen dafür, „wie wichtig es ist“, die Reform im Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) voranzutre­iben. Am Wochenende waren zwei ehemalige BVT-Mitarbeite­r vorläufig festgenomm­en worden, einer davon wurde „mit sofortiger Wirkung“vom Dienst suspendier­t. Beide sollen den einstigen Wirecard-Vorstand Jan Marsalek bei dessen Flucht vor den Strafbehör­den unterstütz­t haben. Die Causa sei „ein Kriminalfa­ll, der seinesglei­chen sucht“, sagte Nehammer.

Durch die Ermittlung­serfolge könne „Schritt für Schritt“Aufklärung erfolgen und „ein sauberer Neustart für den Verfassung­sschutz“erfolgen, sagte Nehammer.

Allerdings gibt es viel aufzuarbei­ten: So soll ein weiterer Ex-BVT-Beamter einst im Auftrag einer „Privatspio­nin“Daten abgerufen haben. Diese spähte im Auftrag der Novomatic die Konkurrenz aus. (red)

Wie korrupt ist der heimische Verfassung­sschutz? Am Wochenende wurden vorläufig zwei ehemalige BVTBeamte im Zusammenha­ng mit der Causa Wirecard festgenomm­en: Einer davon, der ehemalige Abteilungs­leiter M. W., soll die Flucht des einstigen Wirecard-Vorstands Jan Marsalek nach Weißrussla­nd organisier­t haben. Ihm wird, genau wie dem zweiten Verhaftete­n, unter anderem Amtsmissbr­auch vorgeworfe­n – es gilt die Unschuldsv­ermutung. Mittlerwei­le ist M. W. wieder auf freiem Fuß, weil keine Gründe für eine U-Haft vorliegen.

Die Ereignisse könnten aber großflächi­ge Ermittlung­en gegen weitere Verfassung­sschützer auslösen. Im Fokus stehen nebenberuf­liche Tätigkeite­n der Beamten. Im Zusammenha­ng mit Wirecard sollen beispielsw­eise „hoheitlich­e Ermittlung­en“für private Zwecke durchgefüh­rt worden sein. Konkret sollen Verfassung­sschützer für Wirecard die Zahlungsfä­higkeit von Pornoseite­n überprüft haben, auch mit Rückgriff auf Daten aus dem BVT.

Die einstige Stasi-Agentin

Nun rückt ein weiterer, älterer Fall wieder in den Fokus – und mit ihm eine ehemalige Stasi-Agentin, die meistens den Namen „Nina“W. trägt. Nach der Wende begann Nina W., ihre Spionageke­nntnisse privat anzubieten – und viele Konzerne griffen zu, auch in Österreich. Um Informatio­nen zu beschaffen, setzte Nina auch auf Polizisten, denen sie für „Recherche“Geld bezahlte. Dazu läuft ein Verfahren in Österreich gegen den einstigen Verfassung­sschützer H. B., der Nina W. bei einer Vielzahl von Projekten unterstütz­t haben soll.

In dieser Causa wurde bereits im Jänner 2020 ein Abschlussb­ericht des Bundesamts für Korruption­sbekämpfun­g (BAK) an die Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) übermittel­t. Er listet zwei Dutzend „Projekte“von Nina W. auf, bei der auch heimische Beamte eine Rolle gespielt haben könnten. Die WKStA bestätigte laufende Ermittspio­nierte lungen gegen den ehemaligen Verfassung­sschützer H. B. wegen seiner Tätigkeit für Nina W. Er wurde auch verdächtig­t, Informatio­nen an Russland weitergege­ben zu haben.

Die FPÖ thematisie­rte am Montag das „Projekt Omega“, das einen Bezug zum aktuellen U-Ausschuss aufweist. Laut BAK-Abschlussb­ericht, der dem STANDARD vorliegt, Nina W. im Jahr 2015 in der Glücksspie­lbranche. Ihr Auftraggeb­er soll Novomatic gewesen sein, den Ermittlern liegen Chatverläu­fe mit dem damaligen Firmenchef Harald Neumann und dem Leiter der Konzernkom­munikation vor. Novomatic wollte damals verhindern, dass die tschechisc­he Sazka-Gruppe groß bei der Casinos Austria AG (Casag) einsteigt. Nina W. erstellte mithilfe des BVT-Beamten H. B. ein Dossier über Probleme bei der Sazka, das sie beim damaligen Finanzmini­ster Hansjörg Schelling (ÖVP) „platzieren“wollte.

In einem SMS an Firmenchef Harald Neumann schrieb Nina W. laut Ermittlern: „Habe heute ein Treffen bei Ihnen mit einem Medienmann, den ich nicht kenne. Kann BVT nicht offenbaren. (...)“

Über einen Kärntner ÖVP-Politiker, der damals im BVT und dann im Kärntner LVT arbeitete, soll das Dossier dann tatsächlic­h im Finanzmini­sterium gelandet sein, erklärte Nina W. in einer E-Mail. Anfang Oktober 2015 stellte sich die Republik in Form der damaligen Beteiligun­gsholding Öbib dann auf die Seite der Novomatic, um die tschechisc­he Sazka auszuboote­n. Welche Rolle Nina W.s Konvolut dabei spielte, lässt sich nicht eruieren.

Einmaliger Auftrag

Der Anwalt der Novomatic bestätigt dem STANDARD, dass Nina W. „einmalig“beauftragt wurde. „Damals bestand sowohl vonseiten der Novomatic als auch vonseiten tschechisc­her Investoren der Wunsch, (weitere) Anteile an der Casag zu erwerben. Schon aus Compliance­Gründen war es für die Novomatic dabei notwendig, ausreichen­de Informatio­nen über diesen anderen Mitgesells­chafter einzuholen, um eine entspreche­nde Risikoprüf­ung vornehmen zu können“. Damit sei Nina W. beauftragt worden, sie lieferte jedoch keine Informatio­nen, die „über allgemein zugänglich­e Internet- und Medienarti­kel“hinausging­en. Medienarbe­it wurde seitens der Novomatic keine betrieben, mit W. nicht mehr weiter zusammenge­arbeitet.

Der Streit um die Casag-Anteile war ein „Vorspiel“zur Casinos-Affäre, die ab Frühjahr 2019 zu Ermittlung­en gegen Spitzenpol­itiker führte. Mittlerwei­le hat die Sazka die Mehrheit an den Casinos Austria errungen. Laut Christian Hafenecker, Fraktionsf­ührer der FPÖ im IbizaAussc­huss, wurde die von Novomatic unterstütz­te Bestellung des blauen Bezirksrat­s Peter Sidlo als Casinos-Vorstand von der Sazka genutzt, um die Kräfteverh­ältnisse zu drehen.

 ??  ?? Glück mit dem Verkauf der Casinos-Austria-AG-Anteile hatte auch die Ex-Stasi-Agentin Nina W.: Sie erhielt einen Auftrag der Novomatic, deren Konkurrent­en aus Tschechien auszuspähe­n.
Glück mit dem Verkauf der Casinos-Austria-AG-Anteile hatte auch die Ex-Stasi-Agentin Nina W.: Sie erhielt einen Auftrag der Novomatic, deren Konkurrent­en aus Tschechien auszuspähe­n.

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