Nehammer hofft auf „sauberen Neustart“im Verfassungsschutz
Der Glücksspielkonzern Novomatic beauftragte eine einstige Stasi-Spionin damit, die tschechische Konkurrenz auszuspähen. Sie griff dafür auch auf Dienste eines heimischen BVT-Beamten zurück. Die FPÖ fordert Aufklärung.
Wien – Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) sieht die Ermittlungen gegen mehrere Verfassungsschützer als Zeichen dafür, „wie wichtig es ist“, die Reform im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) voranzutreiben. Am Wochenende waren zwei ehemalige BVT-Mitarbeiter vorläufig festgenommen worden, einer davon wurde „mit sofortiger Wirkung“vom Dienst suspendiert. Beide sollen den einstigen Wirecard-Vorstand Jan Marsalek bei dessen Flucht vor den Strafbehörden unterstützt haben. Die Causa sei „ein Kriminalfall, der seinesgleichen sucht“, sagte Nehammer.
Durch die Ermittlungserfolge könne „Schritt für Schritt“Aufklärung erfolgen und „ein sauberer Neustart für den Verfassungsschutz“erfolgen, sagte Nehammer.
Allerdings gibt es viel aufzuarbeiten: So soll ein weiterer Ex-BVT-Beamter einst im Auftrag einer „Privatspionin“Daten abgerufen haben. Diese spähte im Auftrag der Novomatic die Konkurrenz aus. (red)
Wie korrupt ist der heimische Verfassungsschutz? Am Wochenende wurden vorläufig zwei ehemalige BVTBeamte im Zusammenhang mit der Causa Wirecard festgenommen: Einer davon, der ehemalige Abteilungsleiter M. W., soll die Flucht des einstigen Wirecard-Vorstands Jan Marsalek nach Weißrussland organisiert haben. Ihm wird, genau wie dem zweiten Verhafteten, unter anderem Amtsmissbrauch vorgeworfen – es gilt die Unschuldsvermutung. Mittlerweile ist M. W. wieder auf freiem Fuß, weil keine Gründe für eine U-Haft vorliegen.
Die Ereignisse könnten aber großflächige Ermittlungen gegen weitere Verfassungsschützer auslösen. Im Fokus stehen nebenberufliche Tätigkeiten der Beamten. Im Zusammenhang mit Wirecard sollen beispielsweise „hoheitliche Ermittlungen“für private Zwecke durchgeführt worden sein. Konkret sollen Verfassungsschützer für Wirecard die Zahlungsfähigkeit von Pornoseiten überprüft haben, auch mit Rückgriff auf Daten aus dem BVT.
Die einstige Stasi-Agentin
Nun rückt ein weiterer, älterer Fall wieder in den Fokus – und mit ihm eine ehemalige Stasi-Agentin, die meistens den Namen „Nina“W. trägt. Nach der Wende begann Nina W., ihre Spionagekenntnisse privat anzubieten – und viele Konzerne griffen zu, auch in Österreich. Um Informationen zu beschaffen, setzte Nina auch auf Polizisten, denen sie für „Recherche“Geld bezahlte. Dazu läuft ein Verfahren in Österreich gegen den einstigen Verfassungsschützer H. B., der Nina W. bei einer Vielzahl von Projekten unterstützt haben soll.
In dieser Causa wurde bereits im Jänner 2020 ein Abschlussbericht des Bundesamts für Korruptionsbekämpfung (BAK) an die Wirtschaftsund Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) übermittelt. Er listet zwei Dutzend „Projekte“von Nina W. auf, bei der auch heimische Beamte eine Rolle gespielt haben könnten. Die WKStA bestätigte laufende Ermittspionierte lungen gegen den ehemaligen Verfassungsschützer H. B. wegen seiner Tätigkeit für Nina W. Er wurde auch verdächtigt, Informationen an Russland weitergegeben zu haben.
Die FPÖ thematisierte am Montag das „Projekt Omega“, das einen Bezug zum aktuellen U-Ausschuss aufweist. Laut BAK-Abschlussbericht, der dem STANDARD vorliegt, Nina W. im Jahr 2015 in der Glücksspielbranche. Ihr Auftraggeber soll Novomatic gewesen sein, den Ermittlern liegen Chatverläufe mit dem damaligen Firmenchef Harald Neumann und dem Leiter der Konzernkommunikation vor. Novomatic wollte damals verhindern, dass die tschechische Sazka-Gruppe groß bei der Casinos Austria AG (Casag) einsteigt. Nina W. erstellte mithilfe des BVT-Beamten H. B. ein Dossier über Probleme bei der Sazka, das sie beim damaligen Finanzminister Hansjörg Schelling (ÖVP) „platzieren“wollte.
In einem SMS an Firmenchef Harald Neumann schrieb Nina W. laut Ermittlern: „Habe heute ein Treffen bei Ihnen mit einem Medienmann, den ich nicht kenne. Kann BVT nicht offenbaren. (...)“
Über einen Kärntner ÖVP-Politiker, der damals im BVT und dann im Kärntner LVT arbeitete, soll das Dossier dann tatsächlich im Finanzministerium gelandet sein, erklärte Nina W. in einer E-Mail. Anfang Oktober 2015 stellte sich die Republik in Form der damaligen Beteiligungsholding Öbib dann auf die Seite der Novomatic, um die tschechische Sazka auszubooten. Welche Rolle Nina W.s Konvolut dabei spielte, lässt sich nicht eruieren.
Einmaliger Auftrag
Der Anwalt der Novomatic bestätigt dem STANDARD, dass Nina W. „einmalig“beauftragt wurde. „Damals bestand sowohl vonseiten der Novomatic als auch vonseiten tschechischer Investoren der Wunsch, (weitere) Anteile an der Casag zu erwerben. Schon aus ComplianceGründen war es für die Novomatic dabei notwendig, ausreichende Informationen über diesen anderen Mitgesellschafter einzuholen, um eine entsprechende Risikoprüfung vornehmen zu können“. Damit sei Nina W. beauftragt worden, sie lieferte jedoch keine Informationen, die „über allgemein zugängliche Internet- und Medienartikel“hinausgingen. Medienarbeit wurde seitens der Novomatic keine betrieben, mit W. nicht mehr weiter zusammengearbeitet.
Der Streit um die Casag-Anteile war ein „Vorspiel“zur Casinos-Affäre, die ab Frühjahr 2019 zu Ermittlungen gegen Spitzenpolitiker führte. Mittlerweile hat die Sazka die Mehrheit an den Casinos Austria errungen. Laut Christian Hafenecker, Fraktionsführer der FPÖ im IbizaAusschuss, wurde die von Novomatic unterstützte Bestellung des blauen Bezirksrats Peter Sidlo als Casinos-Vorstand von der Sazka genutzt, um die Kräfteverhältnisse zu drehen.