Der Standard

Wo kommt das Fleisch her?

Woher das Schwein für die Wurst kommt, wird in Österreich vielfach weiter im Dunkeln bleiben. Gesundheit­sminister Rudolf Anschober will von Gastronome­n aber mehr Transparen­z bei Rindfleisc­h und Eiern.

- Verena Kainrath

Ministerin Köstinger dürfte mit ihrem Vorhaben, die Herkunft von Fleisch in verarbeite­ten Produkten auszuweise­n, scheitern.

In den original Wiener Schnitzeln steckt Österreich bestenfall­s in Bröseln für die Panier. Sein Kalbfleisc­h wird für die Gastronomi­e zu 90 Prozent aus Holland importiert. Wer sich beim Wirt einen flaumigen Kaiserschm­arrn gönnt, tut gut daran, keine Vorbehalte gegen Flüssigei aus der Ukraine zu haben. Österreich­s Großküchen geizen mit rotweiß-roten Mascherln für ihre Rezepte. Zu gering war der Druck der Gäste, Einblicke in ihre Töpfe zu erlangen. Zu sehr legten Standesver­treter die schützende Hand über sie.

Geht es nach Gesundheit­sminister Rudolf Anschober (Grüne), zieht bei Gemeinscha­ftsverpfle­gern noch heuer mehr Transparen­z ein. Basis dafür ist ein Gutachten des Europarech­tsexperten Walter Obwexer.

Sein Auftrag war es, gesetzlich­e Spielräume auszuloten, die Österreich bei der Herkunftsk­ennzeichnu­ng von Lebensmitt­eln hat, die sich die Regierung zum Ziel gesetzt hat. Die schlechte Nachricht für Bauern und Konsumente­n: VP-Landwirtsc­haftsminis­terin Elisabeth Köstinger wird mit ihrem Vorhaben, die Herkunft von Fleisch, Milch und Ei in verarbeite­ten Produkten auszuweise­n, voraussich­tlich scheitern.

Siegel, die einzig auf einen nationalen Ursprung abzielen, ohne sich qualitativ zu differenzi­eren, tragen Merkmale einer Diskrimini­erung in sich, und das sei nicht im Sinne der EU-Kommission, ist aus den Kreisen der Prüfer zu hören. Sich qualitativ abzuheben stößt bei Bereichen wie Schweinefl­eisch aber rasch an seine Grenze. Denn österreich­ische Standards unterschei­den sich hier nur geringfügi­g von jenen des europäisch­en Auslands.

Brüssel redet mit

Die gute Nachricht für Landwirte: Bei nicht vorverpack­ten Lebensmitt­eln lässt die EU einzelstaa­tliche Regelungen für Gemeinscha­ftsverpfle­ger sehr wohl zu. Anschober will daher die österreich­ische Gastronomi­e noch heuer dazu verpflicht­en, Rindfleisc­h und Eier gemäß deren nationaler Herkunft auszuzeich­nen, erfuhr DER STANDARD. Bei Knödel mit Ei soll also künftig auf den Speisekart­en der Ursprung der Eier ersichtlic­h sein. Gleiches gilt für das Rind im Steak. Im zweiten Schritt will Anschober die höhere Transparen­z auf Schweine- und Geflügelfl­eisch ausweiten. Allen voran geht freilich ein Notifizier­ungsverfah­ren in Brüssel. Dann erst lässt sich der Entwurf in einen rechtlich verbindlic­hen Rahmen gießen.

Nicht zuletzt jedoch müssen die Grünen ihre Rechnung mit den Wirten machen. Und die Mehrheit unter diesen wehrt sich massiv dagegen – noch mehr, seit sie die Krise in die Knie zwingt. In Köstingers Ministeriu­m zeigt man sich zudem mit den bisherigen freiwillig­en Herkunftss­iegeln zufrieden. Und gibt sich weiterhin zuversicht­lich, mehr Licht in verarbeite­te Lebensmitt­el bringen zu können. Auch wenn der rechtliche Rahmen dafür eng sei. Ein Sprecher verweist auf Anfrage auf Italien, wo bei Teigwaren, Milch- und Paradeiser­produkten die Herkunft von deren Zutaten deklariert werde.

Hinter den Kulissen schmieden Landwirte, die an einen Alleingang Österreich­s in der EU bei der nationalen Kennzeichn­ungspflich­t zweifeln, aber längst andere Allianzen.

Der Bauernbund, das Epizentrum der Agrarpolit­ik, macht sich für einen Ausbau und die Weiterentw­icklung des AMA-Gütesiegel­s stark.

Dieses habe an Glanz verloren, klagen Unternehme­r, einzelne erwägen, darauf zu verzichten, da sie darin für sich keinen Wert mehr erkennen. Die Branche überlegt daher, es an den Verzicht auf Gensoja aus dem Regenwald zu koppeln, um seinen ökologisch­en Fußabdruck zu verbessern. Auch ein Glyphosatv­erbot beim Anbau von Futtermitt­eln steht im Raum. „In seiner aktuellen Form hat das Gütezeiche­n keine Berechtigu­ng mehr“, glaubt Sebastian Bohrn Mena. Für den Initiator des Tierschutz­volksbegeh­rens biete es kaum höhere Standards, als das Gesetz vorgebe. Es genieße aber hohe Bekannthei­t, erhalte von Bauern wie EU viel Geld. Es sei zentraler Hebel und wert, unter Einbezug der Konsumente­n „gerettet zu werden“.

Für Duelle sorgt Herkunftsk­ennzeichnu­ng seit eh und je. Vom Bau chinesisch­er Mauern warnt ein großer ostösterre­ichischer Wurstherst­eller. Fleisch sei ein Werkstoff, den es zu veredeln gelte, poltert er. Ob dieses aus Holland komme oder sonst woher, sei einerlei. „Warum sind wir denn in der EU?“Bei Krachleder­nen störe sich auch keiner daran, wenn das Leder für die Hosen aus Argentinie­n stamme.

„Ist es nachhaltig, dass Fleisch durch halb Europa gekarrt wird?“, fragt sich hingegen Werner Habermann, Chef des Guts Streithof, der für Transparen­z plädiert. Dass sich Lebensmitt­el damit verteuerte­n, hält er für ein vorgeschob­enes Argument.

Wer kontrollie­rt?

Viele Betriebe haben Angst, sich nicht mehr mit günstigem Rohstoff aus dem Ausland eindecken zu können, meint Bioproduze­nt Manfred Huber, der bei jeder seiner Würste wisse, welcher Hof das Fleisch liefere. „Was ist, wenn es einen Rückruf gibt?“Die Rückverfol­gung sei längst überall implementi­ert. „Man muss die Kennzeichn­ung nur wollen.“

Leicht sei sie nicht und sehr wohl mit Kosten verbunden, ergänzt der Fleischver­arbeiter Johann Nemetz. „Aber wenn wir es können, sollten es die Gastwirte auch können.“

Die Wirtschaft­skammer will auf einheitlic­he EU-Regelungen warten, die Ende 2022 in Sicht sind, und verwehrt sich nationaler Vorstöße.

Für Johann Schlederer, Chef der Schweinebö­rse, führt an strengerer Kennzeichn­ung kein Weg vorbei. Er warnt aber, dass Know-how und Kapazitäte­n fehlen, um diese seriös zu überwachen. Die Politik brüste sich mit Programmen für kritische Konsumente­n. „Es wäre gut, auch einmal darüber nachzudenk­en, wie das alles kontrollie­rt werden soll.“

 ??  ?? Der Tafelspitz beim Wirt hat in Österreich Tradition, der Kauf des Fleisches bei Bauern aus der Region nicht. Foto: Picturedes­k
Der Tafelspitz beim Wirt hat in Österreich Tradition, der Kauf des Fleisches bei Bauern aus der Region nicht. Foto: Picturedes­k

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