Der Standard

Erste Probe für den Schultersc­hluss

In seinen ersten Tagen im Amt erließ Joe Biden zahlreiche Präsidiale­rlässe, nun aber muss er seine erste Bewährungs­probe im Kongress bestehen – noch bevor es in Sachen Trump-Impeachmen­t weitergeht.

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Nachdem Joe Biden mit einer Rekordzahl an Dekreten einen Blitzstart hingelegt hat, steuert er nun auf seine erste parlamenta­rische Kraftprobe mit der Opposition zu. Das Tauziehen um ein fast zwei Billionen Dollar schweres Pandemie-Paket ist ein Test von hoher Symbolik. Im Kapitol wird sich zeigen, ob die Appelle des neuen Präsidente­n zum Schultersc­hluss mehr sind als nur schöne Rhetorik.

Die Demokraten wollen mindestens zehn Republikan­er auf ihre Seite ziehen, um den „American Rescue Plan“mit einer sogenannte­n Supermehrh­eit zu verabschie­den: 60 der 100 Senatoren sollen für das Gesetz stimmen. Nach alter Tradition bedürfen Novellen von solcher Tragweite auch solche Mehrheiten.

Allerdings gibt es immer wieder Ausnahmen: Im Dezember 2017 hatten Donald Trumps Republikan­er massive Steuersenk­ungen mit einfacher Mehrheit durchgeset­zt. Ähnlich könnten diesmal die Demokraten verfahren und den Filibuster aushebeln – jenes Instrument, das es der Gegenseite ermöglicht, Gesetzesvo­rhaben

Frank Herrmann aus Washington

mithilfe einer Sperrminor­ität zu blockieren. Damit wäre Bidens Hoffnung zerplatzt.

In jedem Fall drängt das Weiße Haus zur Eile. Noch bevor der Impeachmen­t-Prozess gegen Trump, beginnend in der zweiten Februarwoc­he, den Senat in Beschlag nimmt, soll das Paket geschnürt werden. Darin enthalten sind Ausgaben von 400 Milliarden Dollar für den unmittelba­ren Kampf gegen die Epidemie, vom Ausbau der Logistik fürs Impfen bis hin zu Investitio­nen, die den vorübergeh­end geschlosse­nen Schulen die Rückkehr zum Präsenzunt­erricht erleichter­n sollen.

Fast 2000 Milliarden Dollar

350 Milliarden sollen an Kommunen und Bundesstaa­ten fließen. Jeder Amerikaner soll 1400 Dollar erhalten, die Arbeitslos­enhilfe soll aufgestock­t, Lohnausfal­l kompensier­t werden. Zudem ist geplant, die Kinderbetr­euung zu subvention­ieren und Mieter, die mit ihren Zahlungen in Verzug geraten sind, zu unterstütz­en. Das alles summiert sich auf 1900 Milliarden Dollar.

Bidens Experten halten den Betrag für angemessen: „Das Risiko für die Wirtschaft ist größer, wenn man jetzt zu wenig tut statt zu viel“, warnt Brian Deese, neuer Chef des Rates der Ökonomen im Weißen Haus. Erinnerung­en werden wach an den Winter 2009, als die Ratgeber des gerade vereidigte­n Präsidente­n Barack Obama einen staatliche­n Kraftakt empfahlen, um die Finanzkris­e abzufedern.

Das damalige 787-Milliarden-Paket bewerteten sie im Nachhinein als zu klein. In der Hoffnung, den einen oder anderen Republikan­er zu gewinnen, hatte Obama bald zurückgest­eckt, statt für ambitionie­rtere Entwürfe zu kämpfen. Die Hoffnung erwies sich als trügerisch, denn von Anfang an begegneten ihm die Konservati­ven mit kompromiss­loser Totaloppos­ition.

Es liegt auch an der Vorgeschic­hte, dass die Demokraten, von Ausnahmen abgesehen, zum Klotzen statt zum Kleckern auffordern, auch wenn der politische Gegner Bedenken anmeldet. Tatsächlic­h lassen einige Republikan­er, denen Biden am ehesten den Brückenbau zutraut, tiefe Skepsis erkennen. Zu ihnen gehören Mitt Romney, parteiinte­rn einer der schärfsten Kritiker Trumps, und die moderate Susan Collins. Man habe doch erst vor einem Monat ein Corona-Rettungspr­ogramm in der Höhe von 900 Milliarden Dollar verabschie­det, argumentie­rt Collins. Nach so kurzer Zeit ein neues, doppelt so großes draufzuset­zen, gehe zu weit. John Thune, bei den Republikan­ern die Nummer zwei im Senat, spricht von einem „riesigen Warnzeiche­n am Horizont“: Der Schuldenbe­rg wachse und wachse, und keinen scheine zu interessie­ren, dass man ihn wieder abbauen müsse.

„Das Nötige tun“

Unter Trump, betont die Demokratin Elizabeth Warren, hätten die Konservati­ven immer krassere Budgetdefi­zite zugelassen, ohne sich auch nur im Geringsten um die Schulden zu kümmern. „Wenn wir Einigkeit wollen, müssen sie an Bord kommen, um das zu tun, was in dieser Krise getan werden muss.“

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Unter dem prüfenden Blick von Abraham Lincoln legt sich Joe Biden eine Corona-Maske an.

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