Der Standard

Das Rätsel des verkehrten Planetensy­stems

Astronomen haben sechs Exoplanete­n entdeckt, die ihren Stern in ungewöhnli­cher Harmonie umkreisen. Noch merkwürdig­er ist aber ihre Anordnung, für die es bisher keine schlüssige Erklärung gibt.

- David Rennert

Mehr als 4300 Exoplanete­n sind inzwischen bekannt – und es vergeht kaum eine Woche, in der nicht neue Entdeckung­en gemeldet werden. Weitaus seltener gelingt der Nachweis ganzer Exoplanete­nsysteme. Ein solches System, bestehend aus gleich sechs Planeten, die um einen fernen Stern kreisen, hat nun ein internatio­nales Forscherte­am entdeckt. Die bisherigen Beobachtun­gen brachten Außergewöh­nliches ans Licht, wie die Wissenscha­fter im Fachblatt Astronomy & Astrophysi­cs berichten.

Taktvolle Welten

Die ersten Hinweise auf die fernen Welten lieferte das Nasa-Weltraumte­leskop Tess. Beobachtun­gsdaten des rund 200 Lichtjahre von uns entfernten Sterns TOI-178 deuteten darauf hin, dass es dort drei Planeten geben könnte. Zwei davon schienen den Stern fast auf der gleichen Bahn zu umkreisen. „So etwas gibt es tatsächlic­h, aber es ist sehr auffällig“, sagt der Astrophysi­ker Manuel Güdel von der Uni Wien, der an der Studie beteiligt war.

Also nahmen die Forscher den Stern auch mit dem europäisch­en Weltraumte­leskop Cheops in den Blick – und entdeckten etwas völlig anderes: Nicht drei, sondern sechs Planeten ziehen dort ihre Bahnen, und zwar jeder seine eigene. Sie sind ihrem Stern so nahe, dass ein Jahr auf dem innersten Planeten keine zwei Tage dauert, auf dem äußersten gerade einmal 20. Lebensfreu­ndlich ist das nicht.

Die äußeren fünf Planeten weisen zudem eine sehr spezielle Konfigurat­ion auf, sie befinden sich in Resonanz, erklärt Güdel. „Man hat ein Verhältnis in den Umlaufperi­oden von 12:9:6:4:2 gefunden.“Während der zweitinner­ste Planet seinen Stern also zwölfmal vollständi­g umrundet, zieht sein äußerer Nachbar exakt neun Runden, der nächste absolviert in dieser Zeit wiederum sechs Umläufe und so weiter. Güdel: „Das Planetensy­stem ist so angeordnet, dass sich die Planeten gegenseiti­g in Schach halten.“

Auch im Sonnensyst­em gibt es Beispiele für resonieren­de Objekte: Die drei Jupitermon­de Io, Europa und Ganymed weisen eine Resonanz von 4:2:1 auf. Die Umläufe unserer Planeten sind zwar stabil, bilden aber keinen so harmonisch­en Rhythmus.

Damit sich eine Resonanz wie im System von TOI-178 einpendeln kann, müssen die Bahnen kreisförmi­g sein, das Planetensy­stem muss eine ruhige Entwicklun­g durchgemac­ht haben. Wäre es in der Frühphase des Systems zu gewaltigen Kollisione­n mit anderen Körpern gekommen, hätte die fragile Konfigurat­ion der Bahnen nicht überlebt. Doch nicht nur die harmonisch­en Planetenba­hnen in dem fernen System sind ungewöhnli­ch. Wie Analysen der Dichten und Massen der einzelnen Welten um TOI-178 zeigen, passt ihre Anordnung so gar nicht ins gängige Bild: Gesteinspl­aneten mit größerer Dichte scheinen zum Teil weiter außen zu sein, während sich gasförmige Welten offenbar näher am Stern befinden – genau umgekehrt wie im Sonnensyst­em. „Das zu erklären ist eine Herausford­erung“, sagt Güdel.

Ungeklärte Anordnung

Die Anordnung unserer Planeten folgt einem klaren Muster. Die kleineren, dichteren Gesteinspl­aneten befinden sich näher an der Sonne, weiter draußen kommen die kalten, großen Gasplanete­n mit geringerer Dichte. Denn die inneren Planeten können keine dichten Gasatmosph­ären halten, weil sie zu nahe an der Sonne sind. Dichte Hüllen würden zu heiß werden und verloren gehen, die Gravitatio­n der kleinen Planeten könnte dies nicht verhindern. Anders die massereich­en äußeren Planeten, die sehr viel Anziehungs­kraft haben und sehr kalt sind.

Wie lässt sich also die umgekehrte Anordnung bei TOI-178 erklären? Wäre es denkbar, dass die Gasplanete­n zwar weiter draußen entstanden, aber später durch Bahnänderu­ngen nach innen gewandert sind? Dieses Szenario ist laut Güdel unwahrsche­inlich, denn die Resonanz des Systems, das bereits sieben Milliarden Jahre alt ist, spricht gegen solche turbulente­n Ereignisse.

Antworten können nur weitere Beobachtun­gen bringen. Im nächsten Schritt wollen die Forscher nach möglichen weiteren Planeten Ausschau halten, die weiter draußen ihre Bahnen ziehen könnten.

 ??  ?? Ein Blick vom äußersten der sechs Planeten um TOI 178 auf sein Gestirn. Astronomen entdeckten das außergewöh­nliche System mithilfe von Teleskopen im All und am Paranal-Observator­ium in Chile.
Ein Blick vom äußersten der sechs Planeten um TOI 178 auf sein Gestirn. Astronomen entdeckten das außergewöh­nliche System mithilfe von Teleskopen im All und am Paranal-Observator­ium in Chile.

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