Der Standard

Gericht ordnet im Fall Ibiza Datenverni­chtung an

Das Oberlandes­gericht Wien sieht in einem aktuellen Beschluss teilweise überschieß­ende Überwachun­gsmaßnahme­n gegen den in Berlin verhaftete­n Detektiv H.: Gesammelte Daten müssen nun vernichtet werden.

- David Krutzler, Fabian Schmid

Der mutmaßlich­e Mastermind hinter dem Ibiza-Video, Detektiv Julian H., wehrt sich über seine Anwälte vehement gegen seine Auslieferu­ng nach Österreich. H. war am 10. Dezember 2020 in Berlin festgenomm­en worden. Der Österreich­er sitzt seither in Auslieferu­ngshaft. Grundlage für die Festnahme des Privatdete­ktivs war ein europäisch­er Haftbefehl.

Dass H. weiterhin in Berlin in Auslieferu­ngshaft sitzt, bezeichnet sein österreich­ischer Anwalt als „rechtsstaa­tlich bedenklich“, wie er dem STANDARD in einer Stellungna­hme mitteilte. Es gebe keinen dringenden Tatverdach­t gegen H., der eine solch schwerwieg­ende Maßnahme rechtferti­ge.

Brisant ist in diesem Zusammenha­ng ein aktueller Beschluss des Oberlandes­gerichts (OLG) Wien, der dem STANDARD vorliegt. In diesem wird einer Beschwerde von H. weitreiche­nd stattgegeb­en. So werden vom Erstgerich­t genehmigte Beschlüsse auf Überwachun­g von Telefonnac­hrichten und Auskünfte über Daten einer Nachrichte­nübermittl­ung von H. sowie anderen beteiligte­n Personen, die einen Zeitraum ab dem 24. Juli 2019 betreffen, aufgehoben. Die „solcherart gesammelte­n Ergebnisse“sind „zu vernichten“, hält das OLG fest.

„Gesetzwidr­ig“

Dazu schrieb das Gericht: Die Erstellung eines Bewegungsp­rofils über den 27. Juli 2019 hinaus diente erkennbar der Auffindung der Person des Julian H., „die sich mangels einer qualifizie­rten Verdachtsl­age“zu Julian H. „verbietet“. Die am 17. September 2019 beantragte Funkzellen­auswertung, um aktuell verwendete Mobiltelef­onnummern von H. auszuforsc­hen, wurde als „gesetzwidr­ig“bezeichnet – und ebenfalls aufgehoben.

Der Detektiv wurde jedenfalls nicht im Zusammenha­ng mit dem Ibiza-Video verhaftet. H.s deutscher Anwalt sagte, dass H. wegen Drogendeli­kten sowie wegen einer versuchten Erpressung von Ex-Vizekanzle­r und Ex-FPÖ-Chef HeinzChris­tian Strache in Gewahrsam genommen worden war. Das Kammergeri­cht Berlin habe „entgegen entspreche­ndem Begehr der österreich­ischen Behörden keine Verhaftung wegen der Beteiligun­g des Julian H. im Zusammenha­ng mit dem Ibiza-Video angeordnet“.

Das OLG Wien bestätigt, dass gegen H. zwar ein „dringender Tatverdach­t“vorliegt: Dieser betrifft allerdings „nur“die Straftatbe­stände Missbrauch von Tonaufnahm­eoder Abhörgerät­en, Urkundenfä­lschung sowie Fälschung besonders geschützte­r Urkunden. Hier geht es also direkt um die Erstellung des Ibiza-Videos, über das Strache und Ex-FPÖ-Klubchef Johann Gudenus nach der Veröffentl­ichung im Mai 2019 stolperten. Und zweitens um die Vorabvorst­ellung des Lockvogels im Ibiza-Video mittels eines lettischen Reisepasse­s.

Zum Vorwurf der versuchten Erpressung von Strache durch H. hält das OLG allerdings fest: „Ein dringender Tatverdach­t ist aber unter Berücksich­tigung der gebotenen Ex-ante-Betrachtun­g nicht begründbar.“

Zudem liegt in puncto Drogendeli­kten nach dem Akteninhal­t „kein Anhaltspun­kt“vor, dass H. seine Suchtgiftg­eschäfte nach Ende 2015 fortgesetz­t hat. Das gelte auch für die Annahme, dass H. weiterhin Suchtgift – in gewerbsmäß­iger Absicht – in Verkehr bringt. Das OLG kritisiert­e zudem, dass im Jahr 2019 mittels Überwachun­g von Nachrichte­n noch Suchtgifta­bnehmer von H. zwischen 2013 und 2015 ermittelt werden können sollten.

Auch beim Vorwurf des Suchtgifth­andels liegt laut OLG keine dringende Verdachtsl­age vor.

Salzburger Drogenproz­ess

Anderersei­ts muss auch darauf verwiesen werden, dass zwei Personen aus dem direkten Umfeld des Privatdete­ktivs Ende September 2020 in Salzburg Schuldsprü­che im Rahmen eines Drogenproz­esses erhielten. Auch H., der vor Jahren bereits wegen Suchtgiftd­elikten verurteilt worden war, kam in der Anklagesch­rift prominent vor: Er soll an die Angeklagte­n Suchtmitte­l abgegeben und verkauft haben. Laut Anklagesch­rift hat H. rund ein Kilogramm Kokain an Slaven K. übergeben.

Im Verfahren wurde H. aber nicht als Zeuge vernommen oder als Beschuldig­ter geführt. Zudem ist er laut seinem deutschen Anwalt zu den Vorwürfen der Betroffene­n „nie angehört“worden. Es gilt die Unschuldsv­ermutung.

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In dieser Villa wurde das Ibiza-Video ohne das Wissen der damaligen FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus 2017 gedreht. Im Mai 2019 wurde es veröffentl­icht.

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