Gericht ordnet im Fall Ibiza Datenvernichtung an
Das Oberlandesgericht Wien sieht in einem aktuellen Beschluss teilweise überschießende Überwachungsmaßnahmen gegen den in Berlin verhafteten Detektiv H.: Gesammelte Daten müssen nun vernichtet werden.
Der mutmaßliche Mastermind hinter dem Ibiza-Video, Detektiv Julian H., wehrt sich über seine Anwälte vehement gegen seine Auslieferung nach Österreich. H. war am 10. Dezember 2020 in Berlin festgenommen worden. Der Österreicher sitzt seither in Auslieferungshaft. Grundlage für die Festnahme des Privatdetektivs war ein europäischer Haftbefehl.
Dass H. weiterhin in Berlin in Auslieferungshaft sitzt, bezeichnet sein österreichischer Anwalt als „rechtsstaatlich bedenklich“, wie er dem STANDARD in einer Stellungnahme mitteilte. Es gebe keinen dringenden Tatverdacht gegen H., der eine solch schwerwiegende Maßnahme rechtfertige.
Brisant ist in diesem Zusammenhang ein aktueller Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Wien, der dem STANDARD vorliegt. In diesem wird einer Beschwerde von H. weitreichend stattgegeben. So werden vom Erstgericht genehmigte Beschlüsse auf Überwachung von Telefonnachrichten und Auskünfte über Daten einer Nachrichtenübermittlung von H. sowie anderen beteiligten Personen, die einen Zeitraum ab dem 24. Juli 2019 betreffen, aufgehoben. Die „solcherart gesammelten Ergebnisse“sind „zu vernichten“, hält das OLG fest.
„Gesetzwidrig“
Dazu schrieb das Gericht: Die Erstellung eines Bewegungsprofils über den 27. Juli 2019 hinaus diente erkennbar der Auffindung der Person des Julian H., „die sich mangels einer qualifizierten Verdachtslage“zu Julian H. „verbietet“. Die am 17. September 2019 beantragte Funkzellenauswertung, um aktuell verwendete Mobiltelefonnummern von H. auszuforschen, wurde als „gesetzwidrig“bezeichnet – und ebenfalls aufgehoben.
Der Detektiv wurde jedenfalls nicht im Zusammenhang mit dem Ibiza-Video verhaftet. H.s deutscher Anwalt sagte, dass H. wegen Drogendelikten sowie wegen einer versuchten Erpressung von Ex-Vizekanzler und Ex-FPÖ-Chef HeinzChristian Strache in Gewahrsam genommen worden war. Das Kammergericht Berlin habe „entgegen entsprechendem Begehr der österreichischen Behörden keine Verhaftung wegen der Beteiligung des Julian H. im Zusammenhang mit dem Ibiza-Video angeordnet“.
Das OLG Wien bestätigt, dass gegen H. zwar ein „dringender Tatverdacht“vorliegt: Dieser betrifft allerdings „nur“die Straftatbestände Missbrauch von Tonaufnahmeoder Abhörgeräten, Urkundenfälschung sowie Fälschung besonders geschützter Urkunden. Hier geht es also direkt um die Erstellung des Ibiza-Videos, über das Strache und Ex-FPÖ-Klubchef Johann Gudenus nach der Veröffentlichung im Mai 2019 stolperten. Und zweitens um die Vorabvorstellung des Lockvogels im Ibiza-Video mittels eines lettischen Reisepasses.
Zum Vorwurf der versuchten Erpressung von Strache durch H. hält das OLG allerdings fest: „Ein dringender Tatverdacht ist aber unter Berücksichtigung der gebotenen Ex-ante-Betrachtung nicht begründbar.“
Zudem liegt in puncto Drogendelikten nach dem Akteninhalt „kein Anhaltspunkt“vor, dass H. seine Suchtgiftgeschäfte nach Ende 2015 fortgesetzt hat. Das gelte auch für die Annahme, dass H. weiterhin Suchtgift – in gewerbsmäßiger Absicht – in Verkehr bringt. Das OLG kritisierte zudem, dass im Jahr 2019 mittels Überwachung von Nachrichten noch Suchtgiftabnehmer von H. zwischen 2013 und 2015 ermittelt werden können sollten.
Auch beim Vorwurf des Suchtgifthandels liegt laut OLG keine dringende Verdachtslage vor.
Salzburger Drogenprozess
Andererseits muss auch darauf verwiesen werden, dass zwei Personen aus dem direkten Umfeld des Privatdetektivs Ende September 2020 in Salzburg Schuldsprüche im Rahmen eines Drogenprozesses erhielten. Auch H., der vor Jahren bereits wegen Suchtgiftdelikten verurteilt worden war, kam in der Anklageschrift prominent vor: Er soll an die Angeklagten Suchtmittel abgegeben und verkauft haben. Laut Anklageschrift hat H. rund ein Kilogramm Kokain an Slaven K. übergeben.
Im Verfahren wurde H. aber nicht als Zeuge vernommen oder als Beschuldigter geführt. Zudem ist er laut seinem deutschen Anwalt zu den Vorwürfen der Betroffenen „nie angehört“worden. Es gilt die Unschuldsvermutung.