Nach der Krankenkassaprüfung kam der Betrug
Führungskraft soll in Großkonzern über 300.000 Euro selbst eingesteckt haben
1Michael Möseneder
8 Jahre lang arbeitete Frau K. bei einem international tätigen österreichischen Unternehmen, zuletzt als Leiterin der Personalverrechnung. Beschwerden gab es offenbar nie, ihr Gehalt betrug 8000 Euro brutto, meist gab es ein 15. Monatsgehalt als Prämie. Laut Anklage soll die unbescholtene 54-Jährige dennoch zwischen Mai 2013 und Jänner 2018 fast 313.000 Euro an Firmengeldern auf ihr eigenes Konto umgeleitet haben.
Die Buchungen selbst leugnet K. vor einem Schöffensenat unter Vorsitz von Petra Schindler-Pecoraro nicht. Zum angeklagten gewerbsmäßigen schweren Betrug bekennt sie sich aber nicht schuldig. Denn das Geld seien quasi ein „Zusatzgehalt“und „Prämien“gewesen, argumentiert sie gemeinsam mit ihrem Verteidiger Norbert Haslhofer.
Begonnen habe die Praktik laut K. im Jahr 2012, nachdem ein Prüfer der Gebietskrankenkasse festgestellt hatte, dass ein Tochterunternehmen der Holding seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern keine Urlaubsersatzleistung auszahlte. Die Folge waren eine Nachzahlung, Zuschläge und die Androhung einer Strafe, falls das neuerlich passieren würde, erzählt die Angeklagte.
Damit in den entsprechenden Zeilen der Prüfunterlagen aber nicht einfach „Null“steht, habe ihre Vorgesetzte sie beauftragt, fiktive Werte einzutragen. Dafür sollte sie eine Gehaltserhöhung bekommen und sich das Geld selbst überweisen, verteidigt K. sich. Denn auch ihre Arbeitsbelastung sei gestiegen: Während die Kolleginnen und Kollegen zwischen 200 und 500 Mitarbeiter abrechneten, sei sie für 1400 Menschen verantwortlich gewesen.
K. betont auch, dass die Abrechnungen von zwei Vorgesetzten unterschrieben worden seien, ehe das Geld floss. Und: „Wenn ich mich bereichern hätte wollen, hätte ich die Einträge im Buchhaltungssystem einfach gelöscht.“Es ging nur darum, bei einer etwaigen Prüfung gut dazustehen.
„Man könnte auch auf den Gedanken kommen, dass Sie bei der Prüfung erst auf die Idee gekommen sind, dass es niemandem auffällt“, wirft die Vorsitzende ein. Noch etwas erscheint ihr seltsam: „Was hätte die Firma davon? Die Arbeitnehmer hätten das Geld ja immer noch verlangen können?“– „Unsere Klientel waren Studenten, Arbeitslose und Selbstständige, da kamen solche Forderungen nicht.“
Die Ex-Vorgesetzte bestreitet K.s Darstellung. Sie versucht, die gesamte Verantwortung für die Verbuchung der Urlaubsersatzleistung auf die Angeklagte abzuwälzen. Sie gibt aber zu, dass K. im Zuge eines Neugeschäfts auf einmal 500 zusätzliche Stellen abzurechnen hatte. „Und die sind kein Thema für eine Lohnerhöhung?“, bohrt der Verteidiger nach. „Nein, das war kein Thema“, lautet kühl die Antwort.
Der Senat glaubt K. nicht und verurteilt sie nicht rechtskräftig zu drei Jahren, eines davon unbedingt. Das Geld muss sie ihrer Ex-Firma zurückzahlen.